Tomislav Piplica im Interview: "Die Methoden von Ede Geyer waren Wahnsinn"

Von Martin Hahn
Tomislav Piplica spielte von 1998 bis 2009 in Cottbus.
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Das letzte Spiel der Saison war gegen den 1.FC Köln. Das Stadion fasste damals 23.000 Menschen. Es gab aber über 100.000 Ticketanfragen. Wie erinnern Sie sich daran?

Piplica: Uns war damals gar nicht bewusst, wie gut wir waren. Vor den letzten drei Spielen haben wir gemerkt, dass wir wirklich aufsteigen können. Keiner hatte uns auf dem Zettel. Und natürlich hat man dann diese Euphorie gesehen, auch in der ganzen Region. Wir waren damals die einzigen "Ossis" in den ersten zwei Ligen. Viele kamen aus Dresden, Aue oder Berlin. Daher wundern mich die Zahlen der Ticketanfragen nicht.

War Ede Geyer wenigstens bei diesen Feierlichkeiten nach dem Aufstieg mit dabei?

Piplica: Ja, da gibt es noch schöne Bilder, wie ich ihn mit Champagner nass gemacht oder ins Wasser geschmissen habe. Er war auch glücklich und konnte seine Emotionen nicht zurückhalten. Wir hatten ja etwas geschafft, woran keiner geglaubt hatte - auch wir selbst nicht. Ede hatte das Glück, dass er immer gute Leute mit großem Charakter geholt hat.

Tomislav Pilpica gegen Oliver Kahn: "Solche Ideen, die ich mir nicht erklären kann, kommen manchmal spontan bei mir"
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Tomislav Pilpica gegen Oliver Kahn: "Solche Ideen, die ich mir nicht erklären kann, kommen manchmal spontan bei mir"

Sie haben in der ersten Bundesligasaison gegen einige Mannschaften gewonnen - auch gegen die Bayern zu Hause. Gegen den Rekordmeister gab es aber noch ein besonderes Spiel aus Ihrer Sicht im Frühjahr 2002. Die Bayern haben hoch geführt und es gab Elfmeter. Der sollte Oliver Kahn zu seinem ersten Bundesliga-Tor verhelfen. Aber die Rechnung haben die Münchner ohne Sie gemacht, denn sie haben den Elfmeter gehalten.

Piplica: Es gab in diesem Spiel ja schon davor einen Elfmeter, den Effenberg geschossen hat. Wir hatten in diesem Spiel auch zwei Rote Karten bekommen, was mich auch sehr geärgert hat, weil die der Schiedsrichter nicht hätte geben müssen. Bei diesem zweiten Elfmeter hatte ich dann die Einstellung: "Ich lasse mich von niemandem verarschen." So habe ich das damals gesehen, vielleicht hätten wir das aber auch so gemacht. Aber in dieser Situation war ich nie. Oli und ich haben uns dann nochmal gesehen und über die Sache gesprochen. Ich nehme das aber nicht persönlich.

Sie haben ihm vor dem Elfmeter den Rücken zugedreht. War das eine Trotzreaktion?

Piplica: Ja, das war vielleicht auch eine kleine Provokation, damit er verschießt. Das war nicht gegen ihn persönlich. Solche Ideen, die ich mir nicht erklären kann, kommen manchmal spontan bei mir.

Tomislav Piplica: Seine Stationen als Profi

JahreVereinEinsätze (Tore)
1991-1992NK Istra Pula15 (0)
1993-1997HNK Segesta Sisak115 (4)
1997-1998NK Samobor14 (0)
1998-2009Energie Cottbus248 (0)

Sie haben Kultstatus in Cottbus, die Fans haben Sie geliebt. Wie haben Sie sich eigentlich selbst in dieser Mannschaft gesehen?

Piplica: Die Fans, die Trainer und Spieler haben von Anfang an gemerkt, dass ich wirklich alles gebe für den Verein. Ich war immer für jeden da. Und ich schiebe die Schuld nicht gerne auf andere. Ich habe immer gesagt, wir sind eine Mannschaft - gewinnen und verlieren zusammen. Diese Führungsrolle habe ich angenommen. Das hat jahrelang funktioniert. Ich habe aber auch Fehler gemacht, die haben mich auch mitgenommen. Aber wir sind Menschen, jeder Mensch macht Fehler. Der Verein wusste aber bis zum Ende, wie viel ich für ihn geleistet habe, als ausländischer Spieler in der besten Zeit der Vereinsgeschichte eine Stütze gewesen zu sein. Das sagt alles.

Da Sie Fehler gerade ansprechen: Reden wir über das berühmte Eigentor gegen Borussia Mönchengladbach nach einer Bogenlampe von Marcel Witeczek im Jahr 2002. Was war da los?

Piplica: Es war ein abgefälschter Ball, bei dem ich dachte, dass er über das Tor geht. Dann kam er verdammt schnell runter auf meinen Hinterkopf. Ich konnte mir das nicht erklären und auch nicht reagieren, weil ich so überrascht war. An diesem Tag hat es geregnet, die Sonne schien, es war windig - alles war dabei. Und in diesem Spiel musste es eigentlich auch schon 5:1 für Mönchengladbach stehen - so viele Bälle hatte ich gehalten. Und dann kommt so ein Ding und wir spielen 3:3. Viele meinten, dass ich nach so einem Fehler nicht mehr im Tor stehen sollte. Ich sagte aber zu Ede Geyer, dass ich für das kommende Wochenende wieder bereit sei. Das nächste Spiel war dann gegen Stuttgart und ich war der beste Mann auf dem Platz - mit gebrochenem Finger. Wir haben am Ende die Klasse gehalten und dann haben mir die Mannschaft und die Fans den Fehler verziehen. Aber er bleibt natürlich. Solche Tore bekommt man nicht jeden Tag. Ich hatte in meiner Karriere viele gute Aktionen, auch einige Patzer. Aber das gehört dazu und ich kann mit diesem Fehler sehr gut leben.

War es für Sie leicht, so etwas abzuhaken?

Piplica: Fehler ist Fehler, egal wie groß er ist. Manche haben auch Fehler gemacht, aber keiner spricht darüber. Die Art und Weise war natürlich kurios. Aber mir haben die anderen guten Spiele für Energie Mut gemacht, die vielen Spiele zu Null. Momente, in denen ich die Mannschaft am Leben gehalten habe. Das ist wichtig. Und keiner meiner Mitspieler machte mir einen Vorwurf. Das war für mich sehr wichtig.

Piplica: Darum ließ er gegen Gerhard Schröder keinen durch

Sportlich ging es für das Team im Jahr darauf in die zweite Liga. Sie sind 2006 im Alter von 34 Jahren noch einmal aufgestiegen in die Bundesliga. In der Truppe waren Spieler wie Timo Rost, Daniel Gunkel oder Sergiu Radu. Wie groß war der Unterschied zur ersten Aufstiegsmannschaft Jahre zuvor?

Piplica: Es gibt schon Parallelen. Es waren wieder Spieler mit Charakter dabei wie Timo Rost oder Steffen Baumgart. Die wollten einfach nicht verlieren. Wir haben uns immer als eine geschlossene Mannschaft präsentiert. Aber wichtig war, dass es auf dem Platz keine Freunde gab. Da war immer Kampf. Gerade im Training war das auch die Atmosphäre, jeder wollte dort gewinnen.

2009 ging Ihre Zeit in Cottbus zu Ende. Im Rückblick auf Ihre gesamte Karriere: Welcher Mitspieler hat sie spielerisch, oder auch menschlich am meisten beeindruckt?

Piplica: Da gibt es einige. Timo Rost zum Beispiel oder Franklin Bittencourt. Diese Freundschaften pflege ich bis heute. Die Liste geht weiter mit Steffen Heidrich, Marko Topic oder Bruno Akrapovic. Aber Timo Rost kann ich schon hervorheben. Er hat sich als Deutscher bestimmt ab und zu gefühlt wie ein Ausländer in dieser Mannschaft. Er hat nicht umsonst meinen Rekord in Cottbus gebrochen und genau ein Spiel mehr gemacht als ich.

Eine interessante Anekdote aus Ihrer Karrierezeit gibt es aber noch. Die SPD hatte eine Wahlkampfveranstaltung mit Gerhard Schröder in Cottbus. Er sollte einen Elfmeterschießen gegen Sie machen und dort auch treffen. Warum haben Sie keinen reingelassen?

Piplica: In dieser Phase haben wir schlecht gespielt. Und dann kommen die mit dieser Idee. Ich weiß auch nicht, was ich dann dachte. Ich habe danach auch Ärger gehabt im Verein. Der wollte Geld haben von der Regierung für die Renovierung des Stadions und dann komme ich und lasse keinen Ball rein. Ich meinte darauf nur: "Ja, nächstes Mal vielleicht." Aber Herr Schröder hat uns nach Berlin eingeladen und wir haben darüber nur gelacht. Alles ist gut. Er ist ein super Typ und auch sehr fußballinteressiert. Schade, dass es nie ein nächstes Mal gegeben hat. Aber was Schröder nicht konnte, konnte auch Kahn nicht. (lacht)

Nach Ihrer Karriere waren Sie Co-Trainer der bosnischen Nationalmannschaft, danach in mehreren Funktionen Trainer bei Jena. Jetzt sind Sie Trainer der U23 der Spielvereinigung Bayreuth. Wie kam es dazu?

Piplica: Ich hatte immer Kontakt zu Timo Rost, der hier arbeitet. Egal wo ich war, wir haben uns immer wieder getroffen. Während der Corona-Pandemie hatten wir noch mehr Zeit, über Pläne zu diskutieren. Und es ging dann ganz schnell. Wir haben uns innerhalb einer halben Stunde geeinigt, weil mich das ganze Projekt überzeugt hat. Wir wollen hier was bewegen. Da muss man mich nicht lange überzeugen, weil ich Timo auch gut kenne. Und mir ist eben auch wichtig, dass ich neben dem Sport jemanden habe, mit dem ich einen Kaffee trinken kann. Das macht uns stark. Jeder sagt ehrlich seine Meinung, manchmal ist sie verschieden. Aber am Ende wollen wir die beste Entscheidung treffen.

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