Max Kruse von Union Berlin mischt die Hauptstadt auf: Über den Nutella-Rand hinaus

Von Dennis Melzer
Max Kruse mischt seit seinem Wechsel nach Berlin die Bundesliga auf.
© getty/Instagram/SPOX

Stürmer Max Kruse sorgt in Berlin neben und auf dem Platz für Furore. Über einen Unangepassten, der das weichgespülte Fußball-Deutschland aufwühlt.

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"Ihr dürft gespannt sein, da kommt was richtig Cooles hin", hatte Max Kruse seinen Fans Mitte Oktober versprochen, als er erstmals mit seinem Benutzernamen "Maxelinho18" auf der Gamingplattform Twitch auf Sendung ging. Gemeint waren die im Hintergrund gestapelten Umzugskartons und Teppichrollen, die bei den Zuschauern für Belustigung sorgten.

Die vom Youtuber Aaron Troschke gezogene Parallele zu einer RTL2-Messie-Wohnung lächelte der Neu-Berliner weg und legitimierte das Chaos im Zockerzimmer damit, gerade erst eingezogen zu sein.

Einen Monat später hatten zumindest die Teppiche offensichtlich einen neuen Platz gefunden, die Umzugskartons schienen hingegen unberührt, etwas richtig Cooles gab es auch noch nicht zu bestaunen. Vermutlich hätte ohnehin niemand Kenntnis davon genommen, zog der Protagonist selbst doch alle Blicke auf sich.

In einen Pullover gehüllt, der einem Nutella-Glas nachempfunden war, präsentierte sich der gebürtige Reinbeker seinem Publikum, woraufhin eine von Kruse initiierte Diskussion im Chatfenster entbrannte. Kruse hatte die Gretchenfrage zur Abstimmung gestellt: Nutella mit oder ohne Butter?

Max Kruse: Kein Musterprofi, aber ein Bessermacher

Er selbst machte schnell deutlich, welche Version er präferiert, wetterte voller Inbrunst gegen die Ohne-Butter-Fraktion. "So viele, die mir hier schreiben 'ohne Butter'! Leute, Ihr müsst gebannt werden. Das geht doch nicht!", echauffierte sich der 32-Jährige. Am Morgen war er nach eigener Aussage bereits wegen der Nutella-Thematik mit drei Mannschaftskollegen aneinandergeraten.

Wenn Max Kruse in teils siebeneinhalb Stunden andauernden Streams (kein Witz!) nicht gerade über Nuss-Nougatcreme philosophiert, sorgt er bisweilen mit Shisha-Bar-Ausflügen, um in Coronazeiten ohne die gebotenen Abstandsregelungen mit wildfremden Menschen Karten zu spielen, für Kritik. Auch ein emotionaler Instagram-Post, nachdem er geblitzt worden war, schaffte es in die Boulevard-Medien. Die Bild bezeichnete Kruse daraufhin kurzerhand als blöd.

Er ist das Gegenteil des viel zitierten Musterprofis, der vor einem anstrengenden Trainingstag brav um 23 Uhr das Licht ausschaltet oder in Interviews penibel darauf achtet, bloß nichts Falsches zu sagen. Aber er macht jede Mannschaft besser.

Max Kruse polarisiert, die einen feiern seine Art als erfrischend in einem glattgebügelten Business, die anderen wenden sich kopfschüttelnd ab. Das war schon in der Vergangenheit so, als er in Gladbach einen tarnfarbenen Maserati fuhr oder einen 75.000 Euro schweren Pokerkoffer angeblich im Taxi liegenließ.

Über den Fußballer, den anderen Max Kruse, dürfte es keine zwei Meinungen geben. Nachdem der Angreifer im Sommer dieses Jahres ein Intermezzo bei Fenerbahce Istanbul abgebrochen hatte, avancierte er zum vielleicht besten Max Kruse, den die Bundesliga bislang gesehen hat.

Max Kruse: 11 Scorerpunkte in neun Spielen für Union

In neun Spielen für Union Berlin steuerte er sechs Tore sowie fünf Vorlagen bei, stellte saisonübergreifend den Rekord für die meisten verwandelten Elfmeter in Folge von Hans-Joachim Abel ein (16) und erwies sich stets als mannschaftsdienlicher Arbeiter. 16 Zähler haben die Eisernen - nicht zuletzt dank Kruses Leistungen, der gleichzeitig Spielmacher und Torjäger ist - bereits auf dem Konto.

Vor dem Derby gegen die mal wieder sehr neureich daherkommende Hertha steht ein nahezu sensationeller sechster Platz für Union zu Buche - und das im gemeinhin als verflixt bekannten zweiten Bundesliga-Jahr.

Kruse sorgt für Angst und Schrecken, Hertha-Trainer Bruno Labbadia zeigte sich mit Blick auf das Hauptstadt-Duell voller Respekt für den treffsicheren Routinier. "Man muss ihn im Kollektiv in Schach halten", erklärte Labbadia und schob nach: "Nur einen Spieler abzustellen würde gar nicht gehen." Kruses Coach Urs Fischer attestierte ihm: "Er ist ein toller Junge, immer für einen Spaß bereit."

Der Schweizer, der genau um die Qualitäten seines exzentrischen Stars weiß, ihn selbst nach außerdienstlichen Verfehlungen immer wieder aufstellt, führte aus: "Er weiß, wann er arbeiten muss. Er ist da für die Mannschaft, nimmt lange Wege in Kauf. Genau wie ich es mir vorstelle." Lobeshymnen, die sogar darin mündeten, dass Fischer eine kleine Lanze für eine potenzielle Rückkehr Kruses in die deutsche Nationalmannschaft brach.

Jubel bei Max Kruse: Sein Tor sicherte Union Berlin einen Punktgewinn gegen Frankfurt.
© imago images / Camera 4
Jubel bei Max Kruse: Sein Tor sicherte Union Berlin einen Punktgewinn gegen Frankfurt.

Max Kruse: Ein Lausbub mit dem Blick fürs Wesentliche

"Man soll niemals nie sagen", floskelte Fischer. "Ich glaube, am Schluss geht es über Leistung. Wenn Jogi Löw die Meinung hat, ihn aufzubieten, wird er das entsprechend machen." Ein unwahrscheinliches Szenario, immerhin springt Löw trotz düsterer Zukunftsaussichten nicht mal bei den ausgebooteten Ex-Pfeilern Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller über seinen Schatten (und die leisteten sich keine Eklat-Disco-Nacht wie Kruse Anfang 2016).

Kruse, der Hallodri, der gerne mal über die Stränge schlägt, aber auf dem Rasen weiß, worauf es ankommt? Diese Charakterisierung wäre zu simpel. Kruse ist vielschichtiger. Kruse ist ein Lausbub, der den Blick auf das Wesentliche nicht verliert.

Im Sommer narrte er etliche Medien, indem er einen Aufenthalt in Stuttgart so inszenierte, als würde ein Wechsel zum VfB bevorstehen. Deutschlandweite Reichweite wurde generiert, Reichweite für ein extrem wichtiges Thema: "Wie Ihr wisst, ist der Fußball meine große Liebe", leitete er sein Aufklärungsvideo ein. "Aber es gibt noch etwas, das wichtiger ist als der Fußball: nämlich der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Grund, warum ich in Stuttgart bin ist der, dass ich Hauptsponsor der Quellengalerie bin."

Kruse engagiert sich für Viva con Agua, eine Organisation, die sich für den sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser und einer sanitären Grundversorgung einsetzt. Alles andere als "schwachsinnig" und "gehirnlos". Ein vermeintlich Unangepasster, der auf seine ganz eigene Art und Weise über den Tellerrand hinausblickt.

Max Kruse bei Union Berlin

SpieltagErgebnisToreAssistsMinuten
11:3 19
21:1 32
34:01 64
41:1 77
51:1 190
61:31290
75:01282
81:21 90
93:32 90