Thorsten Fink im Interview: "Wer sich nicht mit dem FC Bayern identifiziert hat, bekam das zu spüren"

Von Stanislav Schupp
Thorsten Fink, Uli Hoeneß
© imago images / Alternate

Als Spieler war Thorsten Fink für Borussia Dortmund, Wattenscheid 09, den Karlsruher SC und den FC Bayern München aktiv. Seine größten Erfolge feierte er mit dem deutschen Rekordmeister, gewann beispielsweise die Champions League 2001. Seine Trainerlaufbahn verbrachte er unter anderem beim HSV, Austria Wien und zuletzt bei Vissel Kobe in Japan.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht der 53-Jährige über Unstimmigkeiten in der Dortmunder Führungsetage, Tacheles von Uli Hoeneß, die Folgen mangelnder Identifikation mit dem FC Bayern und erklärt, weshalb es an der Säbener Straße auch mal gekracht hat.

Außerdem verrät er, welches einstige FCB-Talent eine ähnliche Karriere wie Robert Lewandowski hätte hinlegen können, was sich am Umgang mit den Medien verändert hat und was Japan Europa voraus hat.

Herr Fink, aufgrund Ihrer Erfolge als Spieler des FC Bayern München werden Sie in erster Linie mit dem FCB in Verbindung gebracht. Sie stammen allerdings gebürtig aus Dortmund und spielten von 1983 bis 1989 für Borussia Dortmund. Wie steht es um Ihre Verbundenheit zur Stadt und zum BVB?

Thorsten Fink: Ich habe Familie in Dortmund, auch meine besten Freunde aus der Jugend leben noch dort. Die Verbundenheit zur Stadt ist dementsprechend weiterhin da. Dortmund hat seinen Reiz, auch wenn es kulturell und landschaftlich nicht mit München zu vergleichen ist. Hinzu kommt meine aktive Zeit beim BVB.

Waren Sie früher selbst oft im Stadion?

Fink: Ich war in Dortmund im Stadion, aber auch auf Schalke oder bei Bayern München. Mein Vater kommt aus Bayern, er hat mich überall mit hingenommen. Ich mochte immer Dortmund und Bayern, wegen meiner Herkunft und der meines Vaters.

Beim BVB spielten Sie nur in der Jugend und in der zweiten Mannschaft, für die Profis liefen Sie nie auf. Woran lag das?

Fink: Ich stand ein paar Mal für Pokalspiele im Kader und habe bei den Profis trainiert. Bei der zweiten Mannschaft war ich Kapitän. Damals lief in Dortmund allerdings in der Führungsetage nicht alles reibungslos und vieles war unklar. Es gab einen Trainerwechsel von Reinhard Saftig auf Horst Köppel. Der Berater von Andreas Möller war kurzzeitig plötzlich Sportdirektor, genau zu der Zeit, in der ich den Sprung in die erste Mannschaft schaffen sollte. Ich hatte zudem große Konkurrenz auf meiner Position. Es kommt ohnehin selten vor, dass junge Spieler den direkten Sprung zu den Profis schaffen und auf Anhieb spielen. Deshalb war es für mich besser, 1989 nach Wattenscheid in die zweite Liga zu wechseln, um auf mich aufmerksam zu machen. Das hat Parallelen zu meiner Trainerlaufbahn: Ich habe in der Regionalliga angefangen und habe mich stetig gesteigert.

Wie groß war die Umstellung vom BVB zu Wattenscheid?

Fink: Damals war Dortmund in puncto Infrastruktur noch nicht der Top-Klub, der er heute ist. Das Training fand im Stadion Rote Erde statt. Dementsprechend war es nicht anders als in Wattenscheid. Nur das Stadion war größer und schöner. Rot-Weiss Essen wollte mich damals ebenfalls verpflichten, stand jedoch weiter unten in der Tabelle, während Wattenscheid konstant um den Aufstieg mitspielte. Das gefiel mir besser. Und wir sind im ersten Jahr ja auch tatsächlich direkt in die Bundesliga aufgestiegen.

Wer hat Ihnen in Ihrer Anfangszeit bei Wattenscheid am meisten geholfen?

Fink: Gerd Roggensack hatte mich verpflichtet, aber er war nicht mehr da, als ich kam. Hannes Bongartz übernahm in der Folge. Unter ihm habe ich mich sehr gut entwickelt. Er war aus taktischer Sicht ein hervorragender Trainer, der auch auf junge Spieler gesetzt und mir den nötigen Schliff gegeben hat.

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© imago images / WEREK

1994 wechselten Sie schließlich zum Karlsruher SC, damals unter anderem dank Oliver Kahn, Mehmet Scholl oder Jens Nowotny für seine Talentschmiede bekannt. Wie kam der Transfer zustande?

Fink: Ich hatte weitere Angebote aus der Bundesliga vom 1.FC Köln, dem 1.FC Kaiserslautern und Schalke 04. Ich habe damals mit Rudi Assauer gesprochen, entschied mich aber für den KSC, da ich dort die beste Perspektive sah. Der Verein hat im Europapokal gespielt und Winfried Schäfer hat mich davon überzeugt, dass ich die Rolle von Wolfgang Rolff einnehmen kann, der nach Köln gewechselt war. Es war ein qualitativ hochwertiger Kader mit Manfred Bender, Thomas Häßler oder Michael Tarnat. Die Umstände des Wechsels waren jedoch kurios. Am letzten Spieltag der Saison 1993/94 spielten wir mit Wattenscheid gegen den KSC. Während wir bereits als Absteiger feststanden, spielte Karlsruhe noch um den Europapokaleinzug. Mein Wechsel war bereits offiziell verkündet worden und ich wurde im Vorfeld vom Trainer gefragt, ob ich spielen wolle oder nicht. Ich wollte und habe ein sehr gutes Spiel gemacht, das wir mit 5:1 gewonnen und dem KSC somit die Europapokalteilnahme verbaut haben. Dadurch hatte ich keine gute Anfangszeit beim KSC.

1997 folgten Sie auf Scholl sowie Kahn und wechselten ebenfalls zum FC Bayern München. Wie erinnern Sie sich an diesen Schritt?

Fink: Nach einem Spiel gegen die Bayern hat mein direkter Gegenspieler Lothar Matthäus mich Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß empfohlen. Er sagte, dass ich ein guter Spieler sei und perfekt zum Verein passe. Ich habe mich dann mit Hoeneß getroffen. Er war von Anfang an direkt und sagte mir: 'Du kannst doppelt so viel verdienen wie beim KSC. Entweder du unterschreibst oder nicht.' Er wusste natürlich über meine Vertragsinhalte in Karlsruhe Bescheid und ließ mir bei seinem Angebot keinen Spielraum. Für mich war ohnehin klar, dass ich mit Blick auf mein Alter die Möglichkeit, zu solch einem Top-Klub zu wechseln, wahrnehmen musste.

Zum Zeitpunkt Ihres Wechsels waren Sie 29 Jahre alt. War das Ausland ebenfalls eine Option?

Fink: Ja, ich hatte auch ein Angebot von der AS Rom. Bayern war für mich aber immer das Nonplusultra und die Aussicht auf Titel ausschlaggebend. Viele haben nicht verstanden, warum ich nach München gewechselt bin, weil sie meinte, dass ich dort nicht spielen würde. Am Ende habe ich viele Titel geholt und viele Spiele bestritten.

Wie war das Leben außerhalb des Platzes? Haben Sie viel mit Ihren Teamkollegen unternommen?

Fink: Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Wir gingen nach den Spielern oft gemeinsam Essen, manchmal auch mit den Ehefrauen. Nach dem Training spielten wir zu acht oder zu zehnt Golf oder sind in den Winterurlaub gefahren. Heutzutage geht das gar nicht mehr, dass man Samstagabend ausgeht. Dann heiß es wieder "nach dem Spiel ist vor dem Spiel".

Gab es im Team Grüppchenbildungen?

Fink: Grüppchenbildungen im negativen Sinne gab es nicht. Es gab natürlich Spieler, die sich untereinander besser verstanden. Giovane Elber war beispielsweise oft mit seinen brasilianischen Landsleuten zusammen. Wir haben uns insgesamt alle untereinander verstanden und viel zusammen erlebt.

Fink: Lizarazu? "War ein absoluter Profi"

Scholl, Kahn, Elber, Stefan Effenberg, Matthäus, Ze Roberto: Beim FC Bayern spielten mit einer Vielzahl von Top-Stars zusammen. Wer war Ihr bester Mitspieler?

Fink: Matthäus war ein klasse Spieler. Aber auch Mario Basler mit seiner Qualität, ungeachtet der Probleme, die er außerhalb des Platzes hatte. Er hatte alles, was ein Top-Spieler brauchte.

Gab es auch jemanden, der für Sie überraschend den großen Sprung nicht geschafft hat?

Fink: Von Roque Santa Cruz hätte ich noch mehr erwartet. Er war ein Riesentalent, als er mit 17 Jahren zu uns kam. Er war groß, schnell und hat alles mitgebracht. Er war gut und hat etwas erreicht, aber er hätte ein absoluter Rekord- und Ausnahmespieler werden können, wie es Robert Lewandowski aktuell ist. Vielleicht kam er mit dem Druck nicht zurecht.

Wer hat Sie außerhalb des Platzes am meisten beeindruckt?

Fink: Bixente Lizarazu war ein absoluter Profi. Er ist abends nie ausgegangen, hat Yoga gemacht und war durchtrainiert ohne Ende. Da war kein Gramm Fett am Körper. Heute ist das vielleicht alles nichts Besonderes, aber früher gab es keine GPS-Datenerfassung im Training oder Ernährungspläne. Lizarazu hat jedoch schon damals großen Wert auf leistungsoptimierende Prozesse gelegt. Es kommt nicht von ungefähr, dass er jeden Titel gewonnen hat, den man als Fußballer gewinnen kann.

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