Ramy Bensebaini von Borussia Mönchengladbach im Interview: "Es hatte sich kein einziger Verein für mich interessiert"

Ramy Bensebaini wechselte 2019 von Stade Rennes zu Borussia Mönchengladbach.
© imago images / siwe

Ramy Bensebaini kam als französischer Pokalsieger und Gewinner des Afrika Cup 2019 zu Borussia Mönchengladbach. In seiner ersten Saison hat sich der algerische Linksverteidiger bereits als Verstärkung erwiesen.

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Im Interview spricht Bensebaini mit SPOX und Goal über seine Barfuß-Ausbildung in Algerien und den Beinahe-Wechsel zum FC Arsenal.

Zudem äußert sich der 25-Jährige zu seinem Unwillen, zu Stade Rennes zu wechseln und erklärt, weshalb er anfangs Angst vor einem Transfer nach Deutschland hatte.

Herr Bensebaini, Sie begannen mit dem Fußball in Ihrer Heimatstadt bei CS Constantine, wo Sie schnell Zehner und Kapitän waren. Nachdem Sie zu einem Probetraining nach Algier zu Paradou AC gingen, legte Ihre Mutter ein Veto ein und Sie kamen wieder nach Hause. Doch dort waren Sie im Verein nicht mehr gewollt. Wieso?

Ramy Bensebaini: Weil ich schon damals zu Paradou gehen wollte. Ich war elf Jahre alt, meine Mutter fand das aber zu jung, um bereits in die Großstadt zu gehen. Also blieb ich zu Hause, doch bei Constantine haben sie gesagt, dass es nun keinen Platz mehr für mich gebe. Sie wollten natürlich nicht, dass ich gehe, aber um ehrlich zu sein kenne ich die genauen Beweggründe bis heute nicht, warum ich anschließend nicht mehr mitmachen durfte.

Sie waren dann ein Jahr lang ohne Verein, ehe es im Jahr darauf doch noch geklappt und Sie bei Paradou gelandet sind. Drei Ihrer sechs Jahre in der dortigen Akademie mussten Sie dann barfuß spielen. Warum hat der Verein darauf Wert gelegt?

Bensebaini: Das Wichtigste für sie war der Erstkontakt mit dem Ball. Man wollte, dass man ihn perfekt kontrolliert und ihn auch vernünftig weiterspielen kann.

War Ihnen das 2007 bewusst, als Sie dorthin gewechselt sind?

Bensebaini: Nicht wirklich. Ich hatte davon gehört, dass es der Fall sein könne, sollte ich dorthin wechseln. Ich hatte allerdings nie verstanden, welchen Sinn das ergeben sollte. Daher war ich schon erstaunt, als das dann schon beim Probetraining der Fall war und ich das erste Mal barfuß kicken musste. Das tat echt weh und war total komisch. Immer, wenn man richtig abziehen wollte, wusste man, dass das nun Schmerzen bereiten würde. Ich dachte es erst nicht, aber man gewöhnt sich echt zügig daran. Es wurde mir dann auch schnell egal, ob ich barfuß spielte oder nicht - Hauptsache ich spielte! (lacht)

Wie erinnern Sie sich an das erste Mal, als Schuhe wieder erlaubt waren?

Bensebaini: Das weiß ich noch ganz gut, denn die stellten der gesamten Mannschaft dieselben Schuhe irgendeiner einer unbekannten Marke hin. Als wir dann das erste Spiel wieder mit Schuhen machten, haben sie wirklich alle zur Halbzeit wieder ausgezogen, weil es so dermaßen ungewohnt war.

Die Barfuß-Spiele wurden teils ohne eigenen Torhüter gegen Teams mit älteren Spielern ausgetragen, die zudem Schuhe trugen. Wieso tat man das?

Bensebaini: Wir waren eben elf Feldspieler. Es ging dem Verein darum, vor allem unser gemeinschaftliches Verteidigungsverhalten zu schulen. Das Pressing, das richtige Herausrücken und Draufgehen standen im Vordergrund, denn man durfte den Gegner ja eigentlich nie schießen lassen. Sonst wäre die Kugel sofort drin gewesen, da die Kiste ständig leer war.

Haben Sie diese Spiele mit Ihrem Team gewonnen?

Bensebaini: Klar, und zwar meist mit richtig hohen Ergebnissen. Ich kann mich an viele 7:1 und 10:0 erinnern. Wir waren echt gut. Was man noch erwähnen muss: Paradou bemüht sich in den Probetrainings ausschließlich um Mittelfeldspieler. Erst wenn sie dann beim Verein sind, werden sie nach einer gewissen Zeit für andere Positionen ausgebildet. Ich bin dann irgendwann auf der linken Mittelfeldseite gelandet.

Noch bevor Sie erstmals in der ersten Mannschaft von Paradou spielten, absolvierten Sie im Juli 2013 ein Probetraining beim FC Arsenal. Ein Deal scheiterte jedoch, weil englische Vereine damals nur ausländische Spieler mit einer bestimmten Anzahl an Länderspielen verpflichten konnten. War das denn zuvor nicht bekannt?

Bensebaini: Genau diese Frage habe ich mir dann auch gleich gestellt, denn dann wäre ich ja natürlich gleich zu Hause geblieben. (lacht) Ich habe keinen blassen Schimmer und kann keine konkrete Antwort auf diese Frage geben. Das alles kam überraschend für mich und ich war auch enttäuscht, aber gleichzeitig zuversichtlich, dass ich trotzdem eines Tages Profi in Europa werden würde.

Sie haben in London einen ganzen Monat mit dem Profiteam trainiert.

Bensebaini: Ich war anfangs ganz kurz bei der zweiten Mannschaft und bin dann zu den Profis gekommen. Dort standen fast täglich Trainingseinheiten an. Am Ende entschieden dann fünf Trainer über meine Zukunft. Vier davon hoben den Daumen und hätten mich genommen. Doch einer meinte dann eben, dass eine Verpflichtung unmöglich sei, weil ich keinen europäischen Pass besitze und nicht genügend Länderspiele absolviert habe.

Wie war es für Sie, plötzlich all diese Stars um sich herum zu haben?

Bensebaini: Das war überragend und gerade zum damaligen Zeitpunkt eine schöne Erfahrung für mich. Ich habe dort im Hotel gewohnt. Marouane Chamakh hat damals noch bei Arsenal gespielt. Zu ihm hatte ich den engsten Draht. Er kam häufig bei mir vorbei oder wir haben zusammen etwas unternommen.

Zur Saison 2014/15 wurden Sie schließlich von Paradou zu Lierse SK nach Belgien verliehen. Wie war es für Sie, das erste Mal für längere Zeit allein außerhalb Algeriens zu leben?

Bensebaini: Besonders die Anfangszeit war sehr hart, ohne Familie und Kumpels. Ich kannte dort niemanden und konnte die flämische Sprache nicht sprechen. Ich habe überhaupt nichts verstanden, auch nicht beim Training. Weder der Trainer noch die Mitspieler haben sich großartig mit mir unterhalten. Gewohnt habe ich am Trainingsgelände, aber ich bin in der Freizeit so gut wie nie aus meinem Zimmer heraus. Ich musste häufig weinen und dachte: Ich habe hier nichts verloren, ich will unbedingt wieder nach Hause.

Lange hat diese Zeit aber nicht angehalten. Am Ende sind Sie dort auch auf 29 Pflichtspiele gekommen.

Bensebaini: Ich habe mir gesagt, dass ich nicht sofort wieder aufgeben kann. Dann wäre es für mich in der Folge womöglich deutlich schwerer geworden, in Europa Fuß zu fassen. Ich klammerte mich daran, durchzuhalten und mich nicht hängen zu lassen. Ich fand mit der Zeit auch zu meinen Mitspielern, die aus Marokko oder Ägypten kamen, einen besseren Draht. Anschließend ist es für mich gleich leichter geworden, mich an alles zu gewöhnen und Leistung bringen zu können.

Ramy Bensebaini: Seine Karriere im Überblick

VereinPflichtspieleToreVorlagen
Lierse SK (2014-15)292-
HSC Montpellier (2015-16)252-
Stade Rennes (2016-19)9832
Borussia Mönchengladbach (seit 2019)2765
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