FC Bayern München - Hansi Flick und das Abwehr-Puzzle: Rückkehrer, Neuling und eine Zwickmühle

Von Dennis Melzer
Kämpfen um einen Stammplatz im nächsten Jahr: Lucas Hernandez (l.), Niklas Süle (v.l.) und Jerome Boateng (r.).
© imago images / Philippe Ruiz
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FC BAYERN MÜNCHEN - DAVID ALABA

In trockenen Tüchern ist die Vertragsverlängerung des Österreichers noch nicht, obwohl die Zeichen lange darauf hin deuteten, dass Alaba dem Klub langfristig erhalten bleibt. Wie die Sport Bild am Mittwoch berichtete, werde Alaba um eine sofortige Freigabe bitten, sollten die Verhandlungen mit dem deutschen Rekordmeister scheitern. In ein letztes Vertragsjahr ohne Verlängerung wollen demnach sowohl die Bayern als auch der Österreicher nicht gehen.

"Die Situation ist nicht ganz einfach", sagte Trainer Hansi Flick, angesprochen auf die Zukunft von Alaba und den abwanderungswilligen Thiago: "Solange sie im Kader sind, plane ich mit beiden. Wie wichtig der 28-Jährige für das Konstrukt ist, untermauerte er in der vergangenen Saison mehr als eindrucksvoll. Eigentlich als Linksverteidiger gesetzt, sprang Alaba in Zeiten personellen Engpasses in die Bresche, übernahm Verantwortung und brillierte schließlich im Zentrum. "Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns, das Herzstück", schwärmte Flick über seinen neuen Abwehrchef. Der Übungsleiter ergänzte: "Er ist nicht nur ein Weltklassespieler, sondern auch neben dem Platz wichtig."

Tatsächlich machte Alaba, der jahrelang als verlässlicher Außenverteidiger galt, nicht nur sportlich, sondern auch hinsichtlich seiner Persönlichkeit im vergangenen Jahr einen riesigen Schritt nach vorne, stieg zum Anführer empor. Über 300 Balleroberungen, eine positive Zweikampfbilanz von 57 Prozent und eine Passquote jenseits der 90 Prozent (90,48, nur Thiago war mit 90,63 Prozent noch passsischerer) sprechen eine deutliche Sprache.

Alaba ist auf der halblinken Position gesetzt, er genießt das vollumfängliche Vertrauen seines Trainers und der Mannschaft. "David ist seit zwölf Jahren bei uns und passt wie die Faust aufs Auge zum FC Bayern", sagte Karl-Heinz Rummenigge nach dem Triple-Erfolg. Eine realistische Einschätzung - der Status der Vereinslegende ist ihm schon jetzt gewiss.

FC BAYERN MÜNCHEN - ALPHONSO DAVIES

Der märchenhafte Aufstieg des Alphonso Davies fand in Lissabon mit dem Champions-League-Sieg seinen zwischenzeitlichen und quasi kaum noch zu toppenden Höhepunkt. Unvergessen bleibt sein Solo im Viertelfinale gegen den FC Barcelona, als er Nelson Semedo auf der linken Seite narrte und zur Krönung des Ganzen Joshua Kimmich bediente, der nur noch zum zwischenzeitlichen 5:2 einschieben musste.

Nur eine von etlichen Szenen, die sinnbildlich für die Entwicklung des jungen Kanadiers seit Anfang November stand. Davies, der 2019 als gelernte Offensivkraft aus Vancouver an die Isar gewechselt war, etablierte sich in nahezu beispielloser Art und Weise binnen kürzester Zeit als Linksverteidiger und sorgte dabei ganz besonders mit seiner unnachahmlichen Sprintstärke für frustrierte Gesichter bei seinen Gegenspielern.

Auch die Zahlen aus Davies' erster echten Profi-Saison bei den Bayern stützen die These, dass die Münchner sich mit dem Youngster einen potenziellen Weltklassespieler geangelt haben. Nur Thiago (60,69) weist in puncto Zweikampfbilanz von allen regelmäßig eingesetzten Akteuren einen besseren Wert auf als Davies (58,64), ähnlich sieht es in der Statistik Balleroberungen aus: Auch hier hatte einzig der Spanier in der vergangenen Saison die Nase vor dem Shootingstar (345 zu 318).

Es gibt keinerlei Gründe für Flick, nicht auch in der kommenden Spielzeit auf Davies zu setzen. Die Sprint-Koryphäe (mit 36,51 km/h schnellster Bundesligaspieler seit Erfassung detaillierter Daten) ist die erste Wahl auf der linken Abwehrseite.

Davies und Hernandez auf dem Trainingsplatz mit Trainer Flick.
© imago images / Sven Simon
Davies und Hernandez auf dem Trainingsplatz mit Trainer Flick.

FC BAYERN MÜNCHEN - LUCAS HERNANDEZ

Der Franzose hätte sich sein erstes Jahr in der bayrischen Landeshauptstadt sicherlich anders vorgestellt. Anstelle des Stammspieler-Status kam Hernandez lediglich die Rolle des Edelreservisten zu. Das hing einerseits damit zusammen, dass der Neuzugang von Atletico Madrid immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde, andererseits lieferten seine Konkurrenten schlicht und einfach zu beeindruckend ab.

Als linker Innenverteidiger hat sich Alaba den Status des Unantastbaren erspielt, Hernandez' zweite mögliche Position auf der defensiven Außenbahn beansprucht Davies - und die Option, mit zwei linksfüßigen Spielern im Zentrum zu agieren, widerstrebt Flick. Sprich: Sollten die Bayern nicht von einer Verletzungsflut in der Defensive heimgesucht werden, bleibt Hernandez ein kostspieliger Ersatzmann.

Aufgrund des engmaschigen Spielplans, in dessen Zuge einigen Spielern mehr Ruhepausen verordnet werden könnten, darf sich der Rekordtransfer immerhin Hoffnungen auf mehr Einsatzminuten machen. Dennoch hat Hernandez sicherlich einen anderen Anspruch, der 24-Jähriger steckt in einer Zwickmühle.

Ein möglicher Wechsel, über den aufgrund der wenig zufriedenstellenden Situation immer wieder spekuliert wurde, steht jedoch nicht zur Debatte. Die Verantwortlichen beim FC Bayern wollen Hernandez Zeit geben, setzen Vertrauen in den Defensivspezialisten, der sich mit über den Kopf gestülptem Henkelpott jüngst als Feierbiest entpuppte. Dass sich in absehbarer Zeit etwas Grundlegendes an seiner einigermaßen misslichen Lage ändert, ist allerdings aktuell unrealistisch.

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