Werder Bremens ehemaliger Co-Trainer Wolfgang Rolff im Interview: "Mesut Özil konnte im Schatten von Diego viel lernen"

Von Stanislav Schupp
Verbrachten viele Jahre gemeinsam in der Bundesliga bei Hannover 96, Eintracht Frankfurt und Werder Bremen: Thomas Schaaf und Assistent Wolfgang Rolff.
© imago images
Cookie-Einstellungen

2016 ging es nach China zu SD Luneng, wo Sie erneut mit Magath zusammenkamen. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Rolff: Der Klub war super geführt, die Bedingungen in der Stadt und im Team waren hervorragend. Wir hatten viele ausländische Spieler und haben den Klub im unteren Tabellendrittel übernommen und ins Mittelfeld geführt.

Die meisten Co-Trainer verbringen Ihre Laufbahn an der Seite eins Cheftrainers. Sie haben im Laufe Ihrer Karriere hauptsächlich mit drei Cheftrainern zusammengearbeitet - Magath, Vogts, Schaaf. Wie kommt das?

Rolff: Sie sind keine Ja-Sager und verfügen über ausreichende Menschenkenntnisse und Erfolgsdenken. Sie legen ihren Fokus ebenfalls auf Talentförderung, daher hat das gut gepasst. Außerdem kannte ich sie bereits jahrelang als Spieler und als Trainer.
Wie unterscheiden sich diese drei Trainer?

Rolff: Alle drei sind auf ihre Weise erfolgsorientiert und zielstrebig. Sie arbeiten hart und haben eine klare Vorstellung von Training und Arbeitsauffassung.

Sie waren sowohl in Kuwait als auch Aserbaidschan und China tätig. Welche Unterschiede haben Sie zwischen Deutschland und dem Ausland erlebt?

Rolff: Der erste Unterschied ist, dass ich im Ausland nicht aus dem Wasserhahn trinken konnte, was ich hier liebe (lacht). Man muss sich den Gegebenheiten anpassen. Sportlich gesehen muss man sagen, dass dort kein Top-Niveau herrscht, wie es in Deutschland der Fall ist. Das hängt zum Teil auch mit der Ländergröße zusammen, wie in Kuwait oder Aserbaidschan. China ist dagegen natürlich eine andere Dimension und ist ein top geführtes Land mit viel Geld. Dort liegt das Problem eher in der Logistik der Jugendarbeit. Man müsste viel mehr investieren, um in den nächsten zehn Jahren eine Mannschaft zu haben, die international mithalten kann.

Hatten Sie ein schockierendes Erlebnis während Ihrer Zeit im Ausland?

Rolff: Während des zweiten Irak-Krieges ist eine Bombe in einem Einkaufszentrum, das unweit von uns lag, explodiert. In diesem Moment sagte ich mir: 'Ich nehme meine Familie mit und wir fliegen zurück nach Deutschland.'

Wie hat sich das Trainerbusiness im Vergleich zu Ihrer Anfangszeit in Ihren Augen verändert?

Rolff: Heutzutage wird mehr mit Analysen gearbeitet, während das Bauch- und Fingerspitzengefühl dadurch etwas in den Hintergrund geraten ist. Die eigene Einschätzung wird jetzt mit Daten wider- bzw. hinterlegt. Ich glaube trotzdem, dass Trainer, die bereits lange im Geschäft sind, nach wie vor mit ihrem Fingerspitzengefühl arbeiten können.

Was hätten Sie von den aktuellen Möglichkeiten früher gerne zur Verfügung gehabt?

Rolff: GPS-Daten. Es ist natürlich gut zu wissen, wie weit oder wie schnell ein Spieler läuft. Man muss das aber richtig einordnen können. Ein Horst Hrubesch war beispielsweise kein Sprinter, ihn konnte man auch nicht zu einem formen, und er hat trotzdem seine 20 bis 30 Tore pro Saison geschossen. Man muss einen Mix zwischen dem Alten und dem Neuen finden, um erfolgreich zu sein.

Rolff: "Physiotherapeut sehr wichtig für einen Klub"

Nach 20 Jahren im Trainergeschäft haben Sie einiges erlebt. Welche Funktion ist im Team hinter dem Team am wichtigsten?

Rolff: Ich glaube, dass der Physiotherapeut und der Masseur eine enge Verbindung zu den Spielern haben, weil sie sie zwischen ihren Händen haben. Das war früher bereits immer eine Anlaufstelle für Spieler, die sehr viel aus dem Privatleben der Profis und des Trainerteams wusste. Das ist sehr wichtig für einen Klub.

Seit 2017 sind sie vereinslos. War es eine bewusste Entscheidung, eine Pause zu machen oder fehlten die richtigen Angebote?

Rolff: Es gab Anfragen, allerdings stand ich da noch bei Luneng unter Vertrag. Ich bin vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS gezogen, weil wir uns nicht einigen konnten, und habe gewonnen. Ich habe immer versucht, etwas zu machen, aber es hat nicht geklappt.

Wie fühlt sich das an, wenn man zuvor nahezu ununterbrochen im Geschäft tätig war?

Rolff: Die Zeit vergeht ziemlich schnell. Ich gucke mir oft Spiele oder Trainingseinheiten an und war auch beim letzten Trainerlehrgang. Ich bin in den Medien nicht so vertreten, wie man es vielleicht sein müsste, um morgen einen neuen Job zu bekommen.

Planen Sie in Zukunft noch mal auf der Trainerbank Platz zu nehmen?

Rolff: Ich hatte vor der Coronakrise einige Angebote aus dem asiatischen Raum. Wenn die Pandemie zu Ende ist, hoffe ich, dass diese Anfragen wieder aufleben und ich mir intensiver darüber Gedanken machen kann.

Welche Funktionen sind im Gespräch?

Rolff: Im Vietnam geht es um den Aufbau und die Unterstützung von Stützpunkten. In China geht es um die Betreuung eines Nachwuchsleistungszentrums und in Südkorea wäre es eine Cheftrainerstelle.

Wenn Sie auf Ihre Spielerkarriere zurückblicken: Wer war Ihr bester Mitspieler?

Rolff: Thomas von Heesen. Ein Top-Spieler, der leider trotz seiner Technik, Schnelligkeit und Torgefährlichkeit nie A-Nationalspieler geworden ist. Darüber hinaus auch Youri Djorkaeff, mit dem ich in Straßburg gespielt habe, der bereits mit 19 Jahren ein großes Talent war und eine Weltkarriere gemacht hat.

Wer war dagegen Ihr härtester Gegenspieler?

Rolff: Ein unangenehmer Spieler war Lothar Matthäus. Er hatte alle Tugenden eines Weltklasse-Spielers. Matthäus ist sicherlich ein Spieler, der auf höchstem Niveau zu nennen ist.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema