Manuel Gräfe übt Kritik an deutschen Schiedsrichterwesen: Leistungsgedanke kommt zu kurz

SID
Manuel Gräfe ist seit 2004 Bundesliga-Referee.
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Für Schiedsrichter Manuel Gräfe kommt der Leistungsgedanke bei den Unparteiischen in der Bundesliga immer noch zu kurz. "Dieses Anreiz-Prinzip, dass sich Leistung positiv und negativ auch in der Anzahl der Ansetzungen bemerkbar macht, greift leider immer noch nicht," sagte der Berliner im kicker-Interview.

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"Es geht aus meiner Sicht zu oft immer noch nach Politischem, Regionalem oder Persönlichem", führte Gräfe aus. Der 46-Jährige war in einer Umfrage der Bundesliga-Profis in der Winterpause zum sechsten Mal in Folge zum besten Bundesliga-Schiedsrichter gekürt worden.

In der Hinrunde leitete er allerdings nur sechs Spiele. Das sei "sicher deutlich zu wenig", sagte Gräfe und ergänzte: "Ich verstehe, dass alle gefördert werden sollen - aber dazu gehört auch die Förderung der Top-Schiedsrichter. Gute Schiedsrichter-Leistungen helfen dem deutschen Fußball. Also sollte man seine besten Leute losschicken."

VAR: Gräfe plädiert für Challenges

Nicht nur beim Schiedsrichterwesen selbst, sondern auch beim Video Assistant Referee bringt Gräfe klare Kritikpunkte an. "So, wie es jetzt läuft, gefällt es den Leuten nicht. Wir Schiedsrichter stehen zu oft im Mittelpunkt der Berichterstattung, das gefällt uns selbst auch nicht", sagte er.

Gräfe würde daher eine Abänderung des Videobeweises in Anlehnung an die NFL bevorzugen: "Zwei Challenges pro Trainer pro Spiel würden ausreichen. Dieses System hat sich in der NFL bewährt und ist dort hoch akzeptiert. Damit holst du die Trainer und ihre Fußballkompetenz mit ins Boot", erklärte er.

Dabei könnten Trainer selbst entscheiden, ob sie eine aus ihrer Sicht klare Fehlentscheidung nochmal überprüfen lassen.

Manuel Gräfe plädiert beim VAR für Challenges.
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Manuel Gräfe plädiert beim VAR für Challenges.

Gräfe: "Fitness kleinstes Problem der deutschen Schiedsrichter"

Gräfe bemängelte zudem die in seinen Augen zunehmend übertriebene Ausrichtung auf den Fitness-Aspekt bei den Schiedsrichtern: "Fitness war das kleinste Problem der deutschen Schiedsrichter in den vergangenen 15 Jahren."

Stattdessen müsse man dahin kommen, "dass die Schiedsrichter wieder mehr den fußballerischen Gesamtblick bekommen", so Gräfe und fügte an: "Ein ganzes System von 60.000 Schiedsrichtern wird in Deutschland immer mehr nach den Anforderungen ausgerichtet, die unsere fünf bis zehn Top-Schiedsrichter, die es zu UEFA- oder FIFA-Wettbewerben schaffen, erfüllen müssen. Das Wichtigste für einen Schiedsrichter sind das Spielmanagement und eine hohe Entscheidungsqualität. Das kommt mir zu kurz."

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