FC Bayerns "Fehler-Festival" gegen den BVB: Ein Rückfall in vergessene Muster

Von Dennis Melzer
Thomas Müller und der FC Bayern verloren in Dortmund mit 0:2.
© imago images

Mit dem Supercup geht der erste Titel der Saison an den BVB. Auch, weil der FC Bayern plötzlich in sein konteranfälliges Muster zurückfiel.

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Mit versteinerten Mienen stapften die Spieler des FC Bayern die Treppen aus dem Innenraum in die Mixed Zone hinauf. Schnell in die Kabine, schnell weg aus Dortmund, zügig in Richtung Tegernsee-Trainingslager, um das aufzuarbeiten, was im Signal Iduna Park an diesem Samstagabend schiefgelaufen war.

Der Tenor bei denjenigen, die kurz vor der Abreise doch noch die Muße hatten, Gründe für die 0:2-Niederlage im Vorbereitungs-Pflichtspiel namens Supercup zu liefern, war eindeutig: zu viele individuelle Fehler, in der Folge konteranfällig, schluderig im Umgang mit den eigenen Möglichkeiten. Manch einer dürfte sich an den November vergangenen Jahres erinnert gefühlt haben, als die Münchner Protagonisten ein 2:3 an selber Stelle ganz ähnlich analysierten.

Joshua Kimmich schonungslos: "Jedes Kind weiß, dass Dortmund konterstark ist"

"Wenn man so viele Fehler macht, muss man damit rechnen, dass man verliert", sagte Joshua Kimmich und schob nach: "Jedes Kind weiß mittlerweile, dass Dortmund konterstark ist." Die große Qualität der Schwarz-Gelben, die schon bei der letzten Bayern-Reise in den Ruhrpott spielentscheidend war. "Es ist ein Muster erkennbar, wie wir unsere Gegentore in Dortmund bekommen", erklärte Kimmich. Das sei "naiv", hänge mit "fehlender Konzentration" und in letzter Konsequenz gar "fehlender Qualität" zusammen, wie der Rechtsverteidiger schonungslos sezierte.

Gleich mehrfach hatten die Münchner sich aufgrund bisweilen haarsträubender Fehler im Aufbauspiel selbst in die Bredouille gebracht. Besonders Thiago, traditionell zuverlässig im Passspiel, im Kopf normalerweise immer einen Schritt weiter als sein Gegenspieler, erwischte einen rabenschwarzen Abend.

An beiden Gegentoren trug der hochveranlagte Spanier zumindest eine Mitschuld. Auch Mittelfeldkollege Corentin Tolisso produzierte vor allem in der ersten Halbzeit ungewöhnlich viele vermeidbare Fehler. Zudem hatten Jerome Boateng und Niklas Süle, Dortmunds umschaltstarke Offensive gleich zu Beginn zum Toreschießen eingeladen, was allerdings noch ungestraft blieb.

Nur ein klassischer Sechser: Ein Problem?

"Die lauern darauf, im Zentrum Bälle zu gewinnen und dann schnell nach vorne zu spielen", sagte Manuel Neuer mit Blick auf die taktische Marschroute der Hausherren. Keine sonderlich überraschende Herangehensweise der Mannschaft von Lucien Favre, sollte man meinen. Wieso sah sich die Bayern-Defensive dennoch mit derlei Schwierigkeiten konfrontiert, warum griff die Konterabsicherung nicht, wenn doch "jedes Kind" um die Konterstärke der Borussen weiß, wie Kimmich sagt?

Dass Coach Niko Kovac statt zwei defensiver Mittelfeldspieler nur einen klassischen Sechser aufbot und so potenzielle Freiräume bei Ballverlust für den Gegner generierte, wollte Neuer nicht als Grund gelten lassen. "Wir hatten nicht so viele hochstehende Mittelfeldspieler. Leon Goretzka und Corentin Tolisso standen nicht näher an Robert Lewandowski als an Thiago", sagte der FCB-Kapitän und ergänzte: "Das hat nicht so eine große Rolle gespielt."

Kimmich begründete das Dortmunder Übergewicht in Schlüsselszenen ausschließlich anhand der Vielzahl individueller Patzer. "Ich bin der Meinung, dass Konterabsicherung ein Thema ist. Man kann aber nicht jeden einzelnen Ballverlust absichern." Es sei "schwierig, die Ursache dafür zu finden. Es stand nicht nur ein Spieler neben sich, sondern das war im Kollektiv so", sagte Kimmich, der von einem "Fehler-Festival" sprach.

Robert Lewandowski zieht Parallelen zur vergangenen Saison

Lewandowski hingegen machte sogar mangelndes Selbstbewusstsein fest. "Nach dem Rückstand haben wir nicht zu 100 Prozent daran geglaubt, das Spiel noch zu drehen. Das war wie in der letzten Saison, wenn wir einen Gegentreffer bekommen haben. Wir versuchen zwar, weiterzuspielen, aber man muss auch daran glauben."

Trotz der verhältnismäßig geringen Strahlkraft des Wettbewerbs war Kimmich sich sicher, dass jeder 100 Prozent abgerufen habe. "Wir fahren nicht nach Hause und sagen: 'War nicht so wichtig, wir wollten gar nicht gewinnen'", reagierte der Nationalspieler auf die Frage nach der Relevanz des Supercups. Was übrigens allen Bayern-Verantwortlichen noch wichtig war: Herausstellen, dass der BVB höchstens die cleverere, nicht aber die unbedingt bessere Mannschaft war.

"Erstmal gratuliere ich Dortmund zum Sieg. Wir waren aber nicht schlechter", sagte ein merklich angefressener Sportdirektor Hasan Salihamidzic und führte aus: "Wir haben ein gutes Spiel, aber viele Fehler gemacht. Wir haben auch viele Chancen liegenlassen."

Joshua Kimmich: Dortmund war "heute weniger schlecht"

Kimmich war der Meinung, dass die Westfalen mit ihrem Spiel "auch nicht zufrieden sein" konnten, weil es sich bei dem Duell um das "vom Niveau her schlechteste Dortmund-Bayern-Spiel war, bei dem ich bisher mitgespielt habe." Der Vizemeister sei einfach "heute weniger schlecht" gewesen.

Man darf dennoch gespannt sein, wie der Lerneffekt aus der Pleite in Dortmund ausfällt. Die zuletzt in Vergessenheit geratene Konteranfälligkeit, sie wird die nächsten Tage bestimmen. Brazzo jedenfalls schwor, dass er eine Menge Erkenntnisse aus der Partie mitnehmen würde. Das tat er mit versteinerter Miene. Kurz bevor er sich grußlos verabschiedete. Schnell weg aus Dortmund.

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