Rouven Schröder vom 1. FSV Mainz 05 im Interview: So ticken Transfermarkt und Berater

Rouven Schröder (r.) mit Stefan Hofmann, dem Vorstandsvorsitzenden von Mainz 05.
© imago images
Cookie-Einstellungen

Für 7,5 Millionen Euro hat Mainz Edimilson Fernandes von West Ham United verpflichtet - er ist der zweitteuerste Neuzugang der Vereinsgeschichte. Erklären Sie doch bitte mal anhand dieses Transfers den genauen Ablauf. Wann fand die erste Kontaktaufnahme statt?

Schröder: Mit seinem Management stehen wir eigentlich regelmäßig in Kontakt, weil wir auch mal an anderen Spielern aus deren Portfolio dran waren. Vor drei Jahren ging es dann das erste Mal um Edimilson. Ich kannte ihn schon früher aus den Schweizer U-Nationalmannschaften, habe ihn im Hinterkopf behalten und seinen Weg weiter verfolgt. Wir bekamen dann regelmäßig Scoutingreports über ihn. Da war er früh schon sehr gut gerankt, so dass dann auch Klubs aus der Premier League und Serie A in die Verlosung kamen.

Und man denkt sich: Schöne Scheiße?

Schröder: So in etwa. (lacht) In dem Moment weiß man dann halt, dass es erst einmal nichts wird. Die Spur verliert sich aber dennoch nicht. Man bleibt mit dem Management in Kontakt, damit sie an einen denken, sollte der Spieler später einmal sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg verfügbar sein.

Dann ist er aber noch lange nicht Spieler von Mainz.

Schröder: Die Abläufe im Vorfeld eines Transfers können extrem komplex sein. Edimilson hat bei seiner Leihe nach Florenz fast 30 Spiele gemacht. Da scheint der Zugang zum Spieler schwer, trotzdem muss man nachfragen, wie West Ham mit ihm plant. Es ist dann auch eine Frage des Zeitpunkts und man braucht etwas Glück, um just in dem Moment anzurufen, in dem man als interessierter Klub tatsächlich auch eine Option darstellt. Wenn das der Fall ist, musst du in die Bütt, musst dich mit dem Spieler treffen, sein Management ansprechen, das mögliche Gehalt abstecken - da musst du kurbeln, kurbeln, kurbeln.

Wie viele Menschen waren bei diesem Transfer letztlich involviert?

Schröder: Nur sein eigener Berater und der technische Direktor von West Ham in Absprache mit seinem Board. Das ist aber selten, gerade bei einem Deal mit einem englischen Klub.

Ab wann saß der Spieler dann auch mal vor Ihnen?

Schröder: Rund fünf Tage nach der ersten Kontaktaufnahme, an dem Tag fand auch das Gespräch mit Cheftrainer Sandro Schwarz statt. Es musste auch schnell gehen, da er nach dem Saisonende noch in der Nations League auflief. Wenn wir einen Spieler als interessant einstufen, dann wollen wir ihn auch baldmöglichst zu uns nach Mainz holen, um ihm das Stadion und die Trainingsmöglichkeiten zu zeigen. Er soll das Gefühl bekommen, dass wir ihn unbedingt wollen.

Abdou Diallo, Jean-Philippe Gbamin, Jean-Philippe Mateta, Pierre Kunde oder Niakhate - Mainz hat unter Ihnen zuletzt verstärkt auf dem französischen Markt zugeschlagen. Wieso ist es einfacher, einen 20-Jährigen vom Tabellenzwölften der Ligue 1 zu verpflichten als einen 20-jährigen Deutschen aus der Bundesliga?

Schröder: Weil es schlicht ein anderes Gehaltsniveau ist. Die deutschen Jungs in diesem Alter haben sehr, sehr viele Alternativen zur Auswahl. Als Mainz 05 stehen wir da in der Bundesliga eher am Ende der Nahrungskette, oftmals haben wir keinerlei Chance. Natürlich entscheidet auch der Spieler, welchen Weg er gehen möchte. Sieht er seine Einsatzchancen bei höherrangigen Klubs kritischer als in Mainz? Und wie schätzt das sein Management ein?

Unabhängig von bevorzugten Märkten im Transfergeschäft hat sich Mainz 05 in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. Man geht mittlerweile in die elfte Bundesligasaison, die Vereinsstrukturen sind stark gewachsen. Wird man aber jemals davon wegkommen können, sich zunächst über den Klassenerhalt zu definieren?

Schröder: Es muss einfach nach und nach wachsen. Wir brauchen keinen Slogan, nur um zu zeigen, dass wir jetzt selbstbewusster sind. Wir müssen Jahr für Jahr abliefern und dann daraus unsere Stärke ziehen. Ich finde, wir haben durch unsere Leistungen in den vergangenen Jahren deutlich an Selbstbewusstsein gewonnen. Es ist das höchste Gut und bereits ein signifikanter Schritt, wenn du wie wir mittlerweile vor jedem Bundesligaspiel mit voller Überzeugung sagen kannst: Wir wollen dieses Spiel auch gewinnen.

Muss der Klassenerhalt aber in den kommenden Jahren eine Selbstverständlichkeit für Mainz 05 sein?

Schröder: Es ist nichts Schlimmes, wenn wir sagen, dass der Klassenerhalt das erste Etappenziel ist. Diese Arroganz dürfen wir nie haben. Klassenerhalt ist einfach auch ein doofes Wort. Das hört sich so an, als würde man gerade so die Klasse halten. Die Überschrift des Ganzen ist aber Bundesliga. Wir messen uns in der höchsten deutschen Spielklasse mit den besten Teams des Landes, wir haben halt nur nicht das größte Budget von allen. Wir können uns als Verein nur weiterentwickeln, wenn wir die Bundesliga halten. Erreichen wir dieses Etappenziel frühzeitig, ist das der nächste Schritt für uns - und dann können wir wie in der Vorsaison schauen, was wir noch im Tank haben. Langfristig gesehen müssen wir nebenbei zudem gut wirtschaften und schlaue Transferentscheidungen in beide Richtungen treffen, damit wir uns darüber im Gesamtbudget steigern.

Dass in Mainz gute Arbeit geleistet wird, sieht man nicht nur am elften Bundesligajahr in Folge, sondern auch an den Gerüchten, die sich beispielsweise um Sie ranken. Würde es Sie denn mal reizen, in erster Reihe bei einem Europacupteilnehmer zu arbeiten, der im Regelfall die Mehrzahl seiner Spiele gewinnt?

Schröder: Ich fühle mich sehr wohl in Mainz. Ich kann hier mit Vorstand und Aufsichtsrat Themen vorantreiben, eigene Ideen einbringen und umsetzen und arbeite sehr vertrauensvoll mit Sandro Schwarz zusammen. Ich lebe im Hier und Jetzt, habe einen Vertrag und bin ja hier. Ich gebe alles für diesen Verein und bin sehr ehrgeizig, um das Maximum zu erreichen. Dass man irgendwann mal, zu welcher Zeit auch immer, vielleicht den Verein verlässt, das kann ich doch nicht für alle Ewigkeiten ausschließen. Das Gefühl wird wie immer ganz klar entscheiden, wohin der eigene Weg letztlich gehen wird.

Was wäre, wenn Sie am Ende Ihrer Funktionärslaufbahn ohne Titelgewinn dastehen würden: Könnten Sie damit leben oder würde Ihnen dann etwas fehlen?

Schröder: Natürlich würde etwas fehlen. Am liebsten würde ich Pokalsieger mit Mainz 05 werden. Es ist doch logisch: Wir arbeiten hier alle jeden Tag hart, damit wir in erster Linie unsere Spiele gewinnen und am besten auch mal eine Trophäe in der Hand halten.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema