Bundesliga: Ein Stadtwald voller Fragen - Bobics Baustellen bei der Eintracht

Luka Jovic, Ante Rebic und Sebastien Haller: Fredi Bobic hat bei seiner "Büffelherde" viel Arbeit vor sich.
© getty

Nach ihrem Höhenflug durch Europa ist die Frankfurter Eintracht zurück auf dem Boden der Tatsachen. Obwohl die Mannschaft von einer weiteren Saison mit spektakulären Europapokalspielen träumen darf, stellt Fredi Bobic alles auf null und ruft den Klassenerhalt als Ziel für die neue Bundesliga-Saison aus.

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Der Sportvorstand weiß noch nicht, wie sein Kader ab September aussieht. Klar ist: Einige Leistungsträger werden kaum zu halten sein. Ein Überblick.

Als hätten die Spieler der Eintracht in den vergangenen Monaten n­icht schon eine Vielzahl an strapaziösen Reisen auf sich nehmen müssen, versammelten sie sich nur drei Tage nach dem enttäuschenden Bundesliga-Finale beim FC Bayern erneut am Frankfurter Flughafen. Ihr Ziel: Foshan, China. Ihr Programm: Eine Woche Showtraining mit der einen oder anderen kulturellen Stippvisite plus ein Testspiel gegen den Ligakonkurrenten VfL Wolfsburg.

Was nach einem typischen Werbetrip klingt, bezeichnet Marketingvorstand Axel Hellmann als "Abschlussreise". Ein Wort, das durchaus Raum für Interpretationen lässt. Ist es nur der Abschluss eines außergewöhnlichen Kapitels? Oder ist es der Abschluss eines außergewöhnlichen Buches?

Die Wahrheit, sie liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Fredi Bobic kündigte nach der 1:5-Klatsche in München jedenfalls an, sich in der bevorstehenden Urlaubszeit kaum zurücklehnen zu können. Dafür drängen sich dem Sportvorstand der Hessen viel zu viele personelle Fragen auf. Wieder einmal.

"Wir erneuern uns jeden Sommer und fangen dann wieder an, gegen den Abstieg zu kämpfen", sagte Bobic schmunzelnd. Seit 2016 macht er das jetzt schon, seit 2016 muss er sich immer wieder der Herausforderung stellen, bis Anfang September einen Kader zu präsentieren, der den stetig wachsenden Ansprüchen in der Mainmetropole gerecht wird.

Bobic ist sich darüber im Klaren, dass ihn in den kommenden Wochen zahlreiche Transferverhandlungen erwarten. Die seit Monaten anhaltenden Spekulationen rund um die Eintracht würden fortan noch einmal an Fahrt nehmen, dazu müsse man "kein Prophet" sein, sagte der 47-Jährige. Nach dem Saisonende seien schließlich alle Spitzenklubs "wach" und "willig", auf dem Transfermarkt zuzuschlagen.

Verliert die SGE Luka Jovic, Ante Rebic und Sebastien Haller?

Allen voran bei Luka Jovic, Ante Rebic und Sebastien Haller, dem begehrten Sturm-Trio, das die Saison mit 57 Treffern abschloss. "Aus Vernunftsgründen kann alles passieren. Natürlich kann es sein, dass wir alle drei verlieren", sagte Bobic am Mittwoch der Bild-Zeitung, und bestätigte damit Informationen von SPOX und Goal.

Mit der Qualifikation für die Champions League hätten die Kaderplaner um Bobic ein schlagkräftiges Argument vorweisen können, um das Trio von einem Verbleib zu überzeugen. Jovic ist aber schon so gut wie weg - es geht nur um den Zeitpunkt, die Eintracht pokert mit Real Madrid noch um die Ablöse, während sich auch noch Vereine aus anderen Topligen in der Warteschleife befinden - und Rebic will seine Angebote nach seinem Urlaub prüfen. Der 25 Jahre alte Kroate, so hört man, fühlt sich in Frankfurt sehr wohl, würde aber gerne den nächsten Schritt in seiner sportlichen Entwicklung machen.

Ähnliches gilt für Haller, der im Gegensatz zu Jovic und Rebic nach dem Bayern-Spiel nicht wortlos aus der Allianz Arena schritt. Er könne nicht versprechen, zu bleiben, entgegnete er einem Reporter auf dessen entsprechende Frage. "Das kann man nie. Im Fußball geht es auch um Chancen. Wir werden sehen, was passiert", sagte Haller kryptisch. Für den Moment verspüre er einzig "Enttäuschung" über das Verpassen der Königsklasse. "Wir standen so lange auf dem vierten Platz und jetzt beenden wir die Saison auf dem siebten. Wie soll ich darüber glücklich sein?"

Da Haller und dessen Kumpanen noch langfristige Verträge bei der Eintracht haben, besteht keine Not für die Verantwortlichen, das erstbeste Angebot anzunehmen. "Wer gehen will, der geht. Wer bleiben will, der bleibt", antwortete Bobic am Samstag nur achselzuckend auf die Frage, wie er denn die Zukunft seiner "Büffelherde" sehe. Vielleicht sprach er auch deshalb so gelassen, weil er tags zuvor schon eine Baustelle erfolgreich abgearbeitet hatte. HSV-Profi Filip Kostic wurde nach seiner erstaunlich erfolgreichen Leihe fest verpflichtet - zum Schnäppchenpreis von nicht einmal sieben Millionen Euro.

Poker um Leihspieler Sebastian Rode, Martin Hinteregger und Kevin Trapp

Vor dem Hintergrund, dass mindestens einer der drei Stürmer für eine hohe Ablösesumme wechseln wird und die Erfolge in der Europa League immerhin 30 Millionen Euro in die Vereinskassen gespült haben, dürfte Bobic keine Probleme dabei bekommen, den ein oder anderen Leihspieler wie Sebastian Rode (Borussia Dortmund), Martin Hinteregger (FC Augsburg) oder Kevin Trapp (Paris Saint-Germain) dauerhaft an die SGE zu binden. Während Rode und Hinteregger bereits ihre Bereitschaft für eine weitere Zusammenarbeit signalisiert haben, geht die Tendenz bei Trapp jedoch eher in Richtung Abschied.

PSG-Coach Thomas Tuchel will den Nationaltorhüter in der Vorbereitung testen, bevor er eine Entscheidung darüber fällt, ob er einen neuen starken Mann zwischen den Pfosten benötigt oder nicht. Abgesehen davon strebt Trapp wie Jovic, Rebic und Haller nach einer besseren sportlichen Perspektive. Soll heißen: Er würde gerne in der Champions League spielen. Sein Berater Pini Zahavi soll ihn deshalb laut der Bild "in ganz Europa" angeboten haben.

Bobic ist daher nicht so naiv, zu glauben, alle Leihspieler fest verpflichten zu können. Auch bei dem auf Anhieb zum Publikumsliebling gewordenen Hinteregger gestalten sich die Verhandlungen weitaus schwieriger als gedacht, weil der FC Augsburg angeblich bis zu zwölf Millionen Euro für den österreichischen Verteidiger verlangt. "Wir werden sicher keine dummen Dinger machen, werden bei den dreien aber alles versuchen", kündigte Bobic an.

Dass der Verein so vernünftig wie möglich wirtschaften will, ist auch der Tatsache geschuldet, dass er gerade eine neue Geschäftsstelle bauen lässt, deren Kosten sich auf rund 35 Millionen Euro belaufen. Parallel arbeiten die Bosse laut Marketingvorstand Hellmann daran, mit der Stadt Frankfurt eine Einigung über einen Ausbau der Commerzbank Arena zu erzielen.

Marko Grujic und Max Kruse im Fokus von Eintracht Frankfurt?

Gleichwohl weiß Bobic, dass er die Breite des Kaders unabhängig von möglichen Star-Verkäufen verstärken muss. Ergänzungsspieler wie Branimir Hrgota, Taleb Tawatha, Marc Stendera oder Timothy Chandler spielten unter Trainer Adi Hütter fast keine Rolle, andere wie der wechselwillige Jetro Willems enttäuschten auf ganzer Linie oder konnten sich wie im Fall von Lucas Torro aufgrund privater Probleme nicht entwickeln wie erhofft. Der 23-jährige Spanier zeigte in seinen ersten Monaten ansprechende Leistungen SGE-Trikot, fand nach dem plötzlichen Tod seines Bruders Anfang Oktober aber nicht mehr richtig in die Spur und hatte obendrein noch mit einer Schambeinentzündung zu kämpfen.

Außerdem ist erfahrenen Stammkräften wie Makoto Hasebe (35), Gelson Fernandes (32) und David Abraham (32) nicht blind zuzutrauen, noch einmal so viele Kilometer abzuspulen wie 2018/19. Dafür sorgte Bobics rechtes Glückhändchen, Chefscout Ben Manga, in den vergangenen zwölf Monaten bereits vor und holte mit Evan N'Dicka (19), Almamy Toure (23) und Tuta (19) drei Defensivspieler, die großes Potenzial besitzen. Stellt sich nur die Frage, ob sie dieses Potenzial auch ausschöpfen können.

Es sind viele solcher Fragen, mit denen sich Bobic gerade beschäftigt und in den kommenden Wochen weiter beschäftigen wird. Ob ein oder zwei Mitglieder der "Büffelerde" bleiben, ob "Hinti-Army" weiter im Stadtwald gesungen wird, ob in den Medien gehandelte Wunschspieler wie Marko Grujic (Hertha BSC), Eduard Löwen (1. FC Nürnberg), Max Kruse (Werder Bremen) oder Mariano Diaz (Real Madrid) wirklich zu haben sind: Bobic und die Eintracht stehen vor einem turbulenten Sommer. Nichts Neues.

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