Sportdirektor Marcel Schäfer vom VfL Wolfsburg im Interview: "Niemand muss zehn Jahre hier bleiben"

Marcel Schäfer (l.) sucht nach einem Nachfolger für Trainer Bruno Labbadia.
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Zurück zu Ihnen: Im Sommer 2018, etwas mehr als nach einem Jahr in den USA, übernahmen Sie beim VfL das Amt des Sportdirektors. Waren Sie die von der schnellen Beförderung überrascht?

Schäfer: In meinem Anschlussvertrag stand ursprünglich, dass ich 2019 hierher zurückkehre und in die sportliche Leitung gehe. Sportlich lief es dann aber bekanntlich eher bescheiden, es kam zu einigen Veränderungen. Jörg Schmadtke wurde Geschäftsführer und signalisierte schnell, dass er mich gerne sofort hier haben möchte. Nach einem persönlichen Gespräch in Frankfurt ging alles ganz schnell. An einem Freitag stand ich zum letzten Mal bei Tampa Bay auf dem Platz, am Montag saß ich schon als Sportdirektor im Büro meines Herzensvereins.

Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?

Schäfer: Als Fußballer war man zwar ständig unterwegs, aber die Zeitumfänge waren zumindest in meinem Fall deutlich geringer als jetzt. Man muss ständig erreichbar sein, hat eine Sieben-Tage-Woche. Das meine ich aber gar nicht negativ, denn ich liebe meinen Job. Aber die eigene Person rückt deutlich in den Hintergrund. Wenn ich ein Fußballer bin und schlechte Flanken schlage, schnappe ich mir einen Ball und schlage 100 Flanken, um mich zu verbessern. Als Sportdirektor muss ich viel mehr Geduld auf der Suche nach Lösungen mitbringen.

Marcel Schäfer bestritt 312 Pflichtspiele für den VfL Wolfsburg. Dabei erzielte er 16 Tore und gab 51 Vorlagen.
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Marcel Schäfer bestritt 312 Pflichtspiele für den VfL Wolfsburg. Dabei erzielte er 16 Tore und gab 51 Vorlagen.

Schnappen Sie sich ab und zu auch mal einen Ball nach dem Training und bolzen ihn aufs Tor?

Schäfer: Ich habe leider keine Zeit dazu. Die wenige freie Zeit, die ich habe, versuche ich mit meiner Familie zu verbringen. Ich vermisse es auf der einen Seite schon, Profi zu sein, weil man wirklich sagen kann, dass es keinen schöneren Beruf gibt. Aber ich habe mir den Job des Sportdirektors bewusst ausgesucht. Wer mich kennt, der weiß, dass ich schon als Spieler mit viel Herzblut und Leidenschaft dabei war. Das bin ich jetzt auch in meiner neuen Funktion.

Wie sehen Ihre Aufgaben konkret aus?

Schäfer: Ich bin die Schnittstelle zwischen der Mannschaft und der Geschäftsführung. Ich habe mehrere komplexe Aufgaben, aber in erster Linie verantworte ich den sportlichen Bereich. Ich führe viele Gespräche mit den Spielern. Mir kommt natürlich zu Gute, dass ich selbst Spieler war und mich in meine Gegenüber hineinversetzen kann. Ich habe alle Facetten, die ein Bundesliga-Profi erleben kann, durchlebt. Vom Nationalspieler und Mannschaftskapitän hin bis zum Ersatzspieler oder nicht eingesetzten Spieler auf der Tribüne. Ich habe erlebt, wie man hochgejubelt wurde, als es gut lief, wie man ausgebuht wurde, als es schlecht lief. Wenn zum Beispiel ein Spieler zu mir kommt und sagt "Es kotzt mich an, dass ich nicht spiele" oder "Ich bin total unzufrieden", weiß ich genau, wie sich derjenige fühlt und wie ich ihm helfen kann. So etwas kann man nicht studieren. Auf der anderen Seite gibt es natürlich noch viele Bereiche, in denen ich dazulernen muss. Ich lerne sehr viel von Jörg Schmadtke. Mit ihm ein Team zu bilden, ist für mich die perfekte Konstellation. Ich finde es immer besser, wenn die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird. Man hört es nicht gerne, aber Fußballvereine sind heutzutage eben Wirtschaftsunternehmen. Je größer die Kompetenz, desto besser.

Ihre Beförderung zeigt, dass sich in den vergangenen Jahren nach jener Niederlage in Madrid einiges geändert hat in Wolfsburg. Der VfL gibt auch auf dem Platz jüngeren, lernfähigen Spielern die Chance anstatt fertige Stars wie Nicklas Bendtner oder Andre Schürrle zu verpflichten. Wie lautet die Identität des neuen VfL?

Schäfer: Es geht in erster Linie um den Verein. Wir haben uns gesagt, dass wir die Werte unseres Vereins, unserer Stadt, unseres Partners Volkswagen wieder auf den Platz bringen müssen. Dass wir unseren Slogan Arbeit, Fußball, Leidenschaft mit Leben füllen müssen. Ich glaube, das tun wir in dieser Saison. Wir spielen gut, nicht immer schön, aber immer mit bedingungslosem Einsatz. Jeder brennt darauf, mit diesem Verein erfolgreich zu sein. Das war nach zwei schwierigen Jahren unser oberstes Ziel für diese Saison.