Die Macher des FC PlayFair! im Interview: "Die Fans werden ausgepresst wie eine Zitrone"

Claus Vogt ist Gründer und Vorstandsvorsitzender des FC PlayFair!.
© FC PlayFair!
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SPOX: Ralf Rangnick sagte vor wenigen Wochen im kicker, man müsse 50+1 modifizieren oder noch höhere TV-Verträge abschließen, um mit Ligen wie der Premier League sportlich Schritt halten zu können.

Vogt: Für uns ist 50+1 nicht zu diskutieren. Das ist ein Gut, dass wir uns in Deutschland erhalten müssen. In Sachen TV-Gelder kann ich Herrn Rangnick eigentlich zustimmen. Ich würde mir auch wünschen, dass noch mehr Gelder in den Fußball fließen.

SPOX: Aber?

Vogt: Wir kritisieren die einseitige Verteilung dieser Einnahmen. Wir würden es gutheißen, wenn durch eine angepasste Verteilung der sportliche Wettbewerb angefacht werden würde. Einbuße der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sehe ich nicht. Wenn dem so wäre, würden die Champions-League-Sieger jedes Jahr aus England kommen.

SPOX: Laut Ihrer Situationsanalyse zum Profifußball in Zusammenarbeit mit dem kicker ist die erfolgsorientierte Verteilung der TV-Erlöse das zweitgrößte Problem, mit dem der deutsche Fußball aktuell zu kämpfen hat. Es ist nur eine von vielen Thesen, die die rund 18.000 Studienteilnehmer bewegt.

Prechtl: Wir wollten wissen, wo den Fans der Schuh drückt.

Verteilung der Medienerlöse für die Spielzeit 2017/18

In den Verteilerschlüssel der DFL fließen Faktoren wie eine gewichtete Fünf-Jahres-Wertung oder sportliche Nachhaltigkeit (20-Jahreswertung ohne Gewichtung) ein.

RangTeamPrämie
1Bayern München58,55 Mio. Euro
2Borussia Dortmund57,30 Mio. Euro
3Bor. Mönchengladbach55,55 Mio. Euro
4Bayer 04 Leverkusen55,30 Mio. Euro
5FC Schalke 0454,05 Mio. Euro
6TSG 1899 Hoffenheim51,50 Mio. Euro
7VfL Wolfsburg50,53 Mio. Euro
8Hertha BSC Berlin48,66 Mio. Euro
91.FC Köln45,79 Mio. Euro
10FSV Mainz 0542,95 Mio. Euro
11FC Augsburg42,20 Mio. Euro
12Werder Bremen40,89 Mio. Euro
13Eintracht Frankfurt37,86 Mio. Euro
14SC Freiburg35,85 Mio. Euro
15Hamburger SV34,15 Mio. Euro
16Hannover 96 (Aufsteiger)31,34 Mio. Euro
17VfB Stuttgart (Aufsteiger)29,95 Mio. Euro
18RB Leipzig25,96 Mio. Euro

Vogt und Prechtl über finanzielle Regeln und Profitoptimierung

Vogt: Die Fans merken sehr wohl, dass sie ausgepresst werden wie eine Zitrone. Das ist endlich. Eine Profitoptimierung ist okay. Aber eine kurzfristige Gewinnmaximierung anzustreben, bei der der Fußball ausgequetscht wird - dabei bleiben langfristig der Fußball und die Fans auf der Strecke.

SPOX: Sieben von zehn Befragten sprachen sich für eine Gehaltsobergrenze aus.

Prechtl: Der Profi-Fußball braucht klare finanzielle Regeln. Eine Gehaltsobergrenze ist nur eine Möglichkeit, die wir nicht unbedingt gutheißen müssen. Es gibt ja auch andere Überlegungen.

SPOX: Zum Beispiel?

Prechtl: Ablösesummen müssen beispielsweise nicht unbedingt begrenzt werden. Aber man könnte beschließen, dass ab einer gewissen Summe ein Prozentsatz davon in einen Topf gezahlt werden muss, der dann wiederum einer förderungswürdigen Institution zugutekommt.

SPOX: Wie zuversichtlich sind Sie, dass einige dieser Lösungsvorschläge auch umgesetzt werden?

Vogt: Wir hatten schon Gespräche mit der DFL-Geschäftsführung. Wir waren zum Teil überrascht, dass unsere Anregungen auf fruchtbaren Boden fallen. Es gibt viele Möglichkeiten, Fan-Bedürfnisse im Profi-Fußball zu verankern, zum Beispiel durch Lizenz-Auflagen. Die DFL verschließt sich nicht vor solchen Überlegungen.

SPOX: Bisher ist dennoch kaum etwas passiert.

Gespräche mit DFL und DFB sollen Veränderungen herbeiführen

Vogt: Grundsätzlich wird den weichen Faktoren, wie Fan-Zufriedenheit oder Stadion-Auslastung, in der Jahresbilanz eine geringere Gewichtung beigemessen als beispielsweise dem Umsatz. Aber wir haben ein paar wichtige Punkte diskutiert und werden diese Gespräche demnächst weiter vertiefen.

Prechtl: Wir verstehen natürlich auch die Sichtweise der DFL. Wir sind ja keine Kampftruppe aus Revoluzzern, die den Speer vor sich halten. Wir wollen Diskussionen anregen. Uns geht es nicht um Kritik, sondern um Lösungsvorschläge. Wir wollen keine Besserwisser sein.

SPOX: Sondern?

Prechtl: Bessermacher. Wir wollen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten aktiv einbringen.

SPOX: Denken Sie, dass es für einschlägige Veränderungen die Entscheidungskraft einer höheren Institution wie der UEFA oder FIFA bräuchte?

Prechtl: Warum kann denn der DFB nicht selbstbewusster auftreten? Es muss ja nicht immer nur das umgesetzt werden, was von den Gremien der UEFA oder FIFA durchgewunken wird. Man kann doch als größter nationaler Sportverband der Welt mal etwas durchziehen, ohne dabei auf die anderen Verbände zu schauen.

SPOX: Sie haben neben Ihrer Situationsanalyse eine Umfrage zu den Anstoßzeiten in der Bundesliga durchgeführt, jetzt der UNESCO-Antrag. Was kann man in Zukunft noch vom "FC PlayFair! " erwarten?

Vogt: Wir haben im Zuge der Gespräche mit der DFL auch eine fachlich fundierte Bachelorarbeit geschrieben, wie man einen Fanvertreter in einem Profiverein integrieren kann. Wir wollen in Zukunft die Vernetzung unter den Fans verbessern. Es gibt Überlegungen zu einer Kommunikationsplattform von Fans für Fans. Dann haben wir noch zwei wundervolle Projekte, die ich noch nicht verraten möchte. Wir haben noch gar nicht richtig begonnen.

Die Entwicklung der Fankultur - eine Frage des Generationsaustauschs

SPOX: Wie schwer ist es, die Fan-Gemeinde trotz der internen Divergenz angemessen zu repräsentieren?

Vogt: Wir haben nicht den Anspruch, eine Führerschaft zu übernehmen. Wir haben die gleichen Interessen und welcher Tropfen dann fruchtet, ist egal.

SPOX: Glauben Sie, dass diese Interessen auch in zehn oder zwanzig Jahren noch dieselben sind? Die Kinder von heute wachsen schließlich mit all der Kommerzialisierung auf.

Prechtl: Wir sind als Väter dazu aufgerufen, unsere Kinder da frühzeitig zu prägen. (lacht)

Vogt: Seit Generationen wird Fußball von Vater zu Sohn oder Mutter zu Tochter weitergegeben.

Prechtl: Aber das Thema ist sehr komplex. Ich glaube, immer mehr Leute sind nicht mehr die klassischen Stadiongänger.

SPOX: Sondern?

Prechtl: Das sind schon Fans von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo - aber das sind Fans auf der Playstation. Die finden über eSports eine Beziehung zum Fußball, die wir gar nicht kennen. Insgesamt glaube ich, dass die Leute auch in zwanzig Jahren noch ins Stadion gehen. Es ist Platz für beides und der Fußball löst in uns allen so viel Faszination und Emotion aus.

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