Alfred Finnbogason im Fokus des 17. Bundesliga-Spieltags: Der Gegenentwurf

Von SPOX
Alfred Finnbogason erzielte gegen den SC Freiburg seinen zweiten Dreierpack der Saison
© imago

Alfred Finnbogason ist mit elf Saisontoren einer der Hauptgründe für die überraschend starke Vorrunde des FC Augsburg. Dabei ist der Isländer in vielerlei Hinsicht ein Gegenentwurf zum modernen Fußballprofi.

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Zerrissenheit. Anders sind die Emotionen von Alfred Finnbogason nach diesem verrückten Spiel kaum zu beschreiben. Und er spiegelt damit die Gemütslage seiner ganzen Mannschaft.

Auf der einen Seite Ernüchterung: "Das war ein ganz schlechtes Spiel von uns", analysierte der Isländer, "bis auf die ersten 20 und die letzten drei Minuten. Wir haben viel zu viele Fehler gemacht." Fehler, die den FC Augsburg vor heimischem Publikum gegen den SC Freiburg an den Rand einer Niederlage brachten. Noch in der 90. Minute stand es 1:3, das Ding war eigentlich gelaufen.

Eigentlich. Doch dann kam Finnbogason. Per Kopf. Zweimal. Und plötzlich stand es 3:3, die Gäste machten lange Gesichter und der FCA feierte einen nicht mehr für möglich gehaltenen Punktgewinn. Und seinen Torjäger: "Alfred ist eine Sensation, er rahmt das Spiel mit der ersten und 90. Minute ein", schwärmte sein Trainer Manuel Baum. "Er weiß einfach, wo das Tor steht", stimmte Sportdirektor Stefan Reuter in das Loblied mit ein.

Tatsächlich kaschierte Finnbogason mit seinen Treffern Vieles, was über weite Strecken der Partie nicht rund lief. Einmal schon nach 56 Sekunden und zweimal erst nach der 90. Minute. Selbst wollte er seine individuelle Leistung jedoch nicht zu hoch hängen: "Es ist der Job eines Stürmers, am richtigen Platz zu sein und dann habe ich die Dinger gut serviert bekommen. In der zweiten Halbzeit war es Lucky-Punch-Fußball und wir sind sehr glücklich, dass wir noch einen Punkt mitnehmen."

Finnbogason: Zwei Dreierpacks in dieser Saison

Für den 28-Jährigen war es nach seiner Gala beim 3:0-Sieg gegen den 1. FC Köln bereits der zweite Dreierpack in dieser Saison, dies gelang bislang sonst niemandem.

Mit elf Saisontoren liegt er in der Torschützenliste hinter Robert Lewandowski (15) und Pierre-Emerick Aubameyang (13) auf einem starken dritten Platz. Dabei brauchte er nur 2,8 Torschüsse pro Treffer (Lewandowski 3,9, Aubameyang 3,6).

Zudem erzielt der Isländer die wichtigen Tore: Mit seinen elf Treffern sicherte er seinem Team acht Punkte. Ohne diese stünde Augsburg auf Tabellenplatz 15. Keine Frage, die überraschend gute Saison der Schwaben ist maßgeblich mit der Personalie Finnbogason verbunden.

Baum stellt die Wichtigkeit Finnbogasons für Augsburg heraus

"Man hat letztes Jahr in der Phase gemerkt, als er mit seiner Schambeinentzündung beschäftigt war, dass er uns extrem gefehlt hat", sagte Baum. Über ein halbes Jahr hatte Finnbogason zuschauen müssen, wie Augsburg tief in den Abstiegskampf geraten war. Mit seiner Rückkehr ging laut Baum ein Ruck durch die Mannschaft: "Als er wieder zurückkam, war er einer von vielen, der es geschafft hat, mit die Klasse zu halten."

In fittem Zustand bringt der Isländer dem Augsburger Spiel eine wichtige Komponente. Er ist ein klassischer Strafraum-Stürmer, der "hauptsächlich in der Box zu Hause" (Baum) ist und konsequent in die gefährlichen Zonen stößt.

Darüber hinaus ist Finnbogason mit seinem Charakter so etwas wie ein Gegenentwurf zum modernen Fußballer: keine gefärbten Haare, keine mit Tattoos zugehackten Unterarme, keine markigen Sprüche und Ansagen.

Finnbogason widerlegt Petersens Oberflächlichkeits-These

Nein, Finnbogason ist anders. Mit seiner Besonnenheit und Zurückhaltung passt er nicht so richtig in die Fußballbranche. Eine Branche, über die der ebenfalls formstarke Freiburger Stürmer Nils Petersen (am Samstag im direkten Duell mit Finnbogason zweifacher Torschütze) kürzlich sagte, sie sei "oberflächlich" und er "verblöde" dabei: "Ich habe nichts gelernt, keine Ausbildung gemacht, die anderen Leute können wahrscheinlich viel mehr als ich."

Die Vermutung trifft nicht auf Finnbogason zu. Der hat nämlich etwas gelernt. Neben seiner Profikarriere studierte der Isländer an der Johan-Cruyff-Universität in Barcelona unter anderem gemeinsam mit Torhüter-Ikone Edwin van der Sar Sport-Management. Im Juli schloss er das Studium erfolgreich mit einem Master ab.

Dass er sich neben der Karriere weiterbilden wolle, sei für ihn ohnehin immer klar gewesen, erklärte er seinerzeit: "Manche spielen in ihrer Freizeit Playstation oder Golf, andere schauen Fernsehen - ich studiere."

WM-Qualifikation mit Island als größter Erfolg der Karriere

Und offenbar lenkt die Lernerei den 28-Jährigen nicht vom Wesentlichen ab. Denn seit seinem Comeback im April dieses Jahres ging es sportlich für ihn steil bergauf.

Mit dem absoluten Highlight im Oktober, als er mit der isländischen Nationalmannschaft durch Siege gegen die Türkei (3:0) und den Kosovo (2:0) die erste WM-Qualifikation in der Verbandsgeschichte perfekt machte. Der bislang größte Erfolg in Finnbogasons Karriere.

Um in Russland zum Stammpersonal zu gehören, braucht er keinen Master, sondern Tore. Und die erzielt er momentan am laufenden Band.

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