Der Kisten-Schlepper mit Hang zu Kritik

Von Jan Menzner
Weston McKennie will beim FC Schalke 04 jetzt den nächsten Schritt machen
© getty

Weston McKennie will beim FC Schalke 04 den nächsten Schritt machen. Der Mittelfeldmann zeigte in der Vorbereitung gute Ansätze - und bringt gleich mehrere gute Qualitäten mit. Dabei ist sich der Youngster auch für Knochenjobs nicht zu schade und will den Etablierten in der neuen Saison Druck machen.

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"Das hat weh getan!" So kommentierte der Liga-Boss der MLS im letzten Jahr den Liga-Abschied von Weston McKennie. Damals entschied sich der 18-Jährige Defensive Mittelfeldspieler aus Little Elm, Texas für einen Tapetenwechsel: weg vom FC Dallas - über den großen Teich - in die U19 der Schalker Knappenschmiede.

Während die MLS einem ihrer größten Talent nachtrauert, blüht McKennie in Ruhrpott geradezu auf. Schon bald führt er die königsblaue U19 als Kapitän auf das Feld. Er führt sie im Kampf um die Meisterschaft bis ins Halbfinale, verzichtet dafür sogar auf die U20-WM mit den USA.

Die Belohnung? Der erste Pflichtspieleinsatz bei den "Großen". Am 20. Mai 2017 betritt McKennie in der 77. Minute des allerletzten Spieltags gegen Ingolstadt zum ersten Mal Bundesliga-Rasen.

Spätestens ab diesem Moment ist der US-Amerikaner angekommen auf Schalke. Genau wie Landsmann Haji Wright und Luke Hemmerich rückt McKennie in der Saison 2017/18 in den Schalker Profikader auf - und das überrascht zumindest in Gelsenkirchen niemanden.

"Bei ihm war uns klar, dass er auf Bundesliga-Format zu bringen ist", zitiert das Internetportal derWesten Schalke-Sportdirektor Christian Heidel. (Ex-)Trainer Markus Weinzierl ergänzt: Von den drei Youngsters, sei er "der Beste".

Weston McKennie - ein Mentalitätsspieler für Schalke?

Die Begeisterung, die der junge Mann aus Texas bei den Schalkern auslöst, fußt auf zwei Hauptgründen: Zum einen ist der U19-Nationalspieler der USA fußballerisch ein Riesentalent und ein bedingungsloser Kämpfer - zum anderen bringt McKennie auch abseits des Feldes besondere Qualitäten mit.

Dazu gehört unter anderem seine Bescheidenheit und eine tadellose Arbeitsmoral. Als er bei der Rückkehr von der Shanghai-Reise des Klubs gemeinsam mit den anderen Neu-Schalkern Kisten schleppen und ausladen muss, sagt er nur: "Ich bin immer noch ein Neuling und ein junger Spieler und muss deswegen gewisse Aufgaben erfüllen. Das ist Teil der Ausbildung und das ist gut so."

Diese Einstellung honoriert auch Heidel gegenüber derWesten: "Es ist beeindruckend, wie Weston bei uns im Profikader auftritt." Auf Schalke ist McKennies Weg des "ehrlichen Arbeiters" einer, der von Fans wie Vorstand gleichermaßen besonders geschätzt wird.

Ein Army-Dad und eine Social-Media-Mutter

Die passenden Werte bekam Weston James Earl McKennie bereits in jungen Jahren eingebläut. Obwohl er in Dallas geboren wurde, wuchs er zum großen Teil in Deutschland auf und spricht fließend Deutsch. Sein Vater John für etwa fünf Jahre auf dem US-Army-Stützpunkt in Kaiserslautern stationiert. Der Militär-Alltag - Disziplin, Selbstbewusstsein, harte Arbeit und Aufopferungsbereitschaft - gingen den jungen Weston in dieser Zeit ins Blut über.

Auch Ehrlichkeit spielt in der Familie McKennie eine große Rolle. Mutter Tina, die von Dallas aus alle Spiele des Sohnemanns schaut, ruft immer nach dem Abpfiff in Deutschland an und sagt ihm seine Meinung. "Ganz direkt", wie McKennie der Bild sagt, ohne Schönmalerei. Auf Westons Facebook- oder Twitter-Fanpages ist die Mutter auch aktiv und leitet fleißig Lob und Kritik weiter an den echten Adressat in Deutschland.

Mit dieser offenen Art tut Tina McKennie dem Sohn einen großen Gefallen, denn im Profisport ist die Fähigkeit, Kritik anzunehmen und umzusetzen, ein seltenes und wertvolles Gut. Weston McKennie bricht unter Kritik nicht zusammen, er wünscht sie sich sogar. Besonders von Coach Domenico Tedesco: "Er sagt, was gut läuft, spricht aber auch Dinge an, die jeder Einzelne in seinem Spiel noch verbessern muss. Mir hilft das sehr."

Schalker Profis made by Norbert Elgert

Die dritte Person, der Weston McKennie seinen Aufstieg zu verdanken hat, ist A-Junioren-Trainer Norbert Elgert. Als McKennie im Sommer 2016 von seinem Agenten aus einem U20-Nationalmannschaftcamp geholt wurde, um sich "Schalke mal anzuschauen", war es Norbert Elgert, der den Texaner von dem Sprung über den Atlantik überzeugte.

"Ich habe von Norberts Fähigkeit gehört, junge Spieler auszubilden. Die ganzen Namen, die man im Fernsehen sieht. Ich war überzeugt, dass dies der beste Weg ist, ein Profi zu werden", sagte McKennie gegenüber ESPN und spielt damit auf Mesut Özil, Julian Draxler oder Leroy Sane an.

Als er daraufhin zum ersten Mal Gelsenkirchen besuchte, das Schalker Trainingsgelände und das Internat betrat, war es um ihn geschehen: "Ich verliebte mich. Man muss Fußball in dieser Gegend einfach lieben, denn sie IST Fußball."

Nach einem Jahr gemeinsamer Zusammenarbeit fällt das Fazit beim "Profi-Macher" Elgert absolut positiv aus: "Wes ist ein Spieler der jeder Mannschaft gut tut. Er ist ein Spieler, der der Turm in der Schlacht sein kann, wenn es nicht so läuft. Ein hochspannender Spieler", schreibt er auf der Knappenschmiede-Website.

Christian Pulisic: Vorbild im falschen Verein

Ein weiterer hochspannender US-Amerikaner sorgte bereits im vergangenen Jahr für Furore im Ruhrpott: Christian Pulisic stieg beim Derby-Gegner BVB schnell zum Publikumsliebling auf. Für McKennie ist er trotz dessen jungen Alters so etwas wie ein Mentor.

"Wir alle haben zu ihm aufgeschaut und gedacht: Es ist möglich", sagt McKennie im ESPN-Interview. Er und der 21 Tage jüngere Pulisic kennen sich bereits aus den US-Nationalteams seit ihrem 14. Lebensjahr.

Dass sein Freund nur ein paar Kilometer entfernt wohnt, ist ein großes Plus: "Wir treffen uns oft und spielen FIFA", erzählt McKennie. Dabei gibt Pulisic ihm Tipps und Infos über die Bundesliga und Deutschland. Er sei McKennies Vorbild, "auch wenn er im falschen Verein spielt".

Schalke in Shanghai - McKennies erstes Ausrufezeichen

Bevor es allerdings zum Derby-Duell Pulisic vs McKennie kommt, muss Letzterer sich seine Sporen auch auf dem Feld verdienen. McKennies erster "Härtetest" mit den Schalker Profis sah bereits sehr überzeugend aus.

Beim 3:2-Erfolg über Besiktas bereitete McKennie per Traumpass das 1:0 vor. In Spielfeldmitte leicht unter Bedrängnis gebracht, spielte der Defensive Mittelfeldspieler einen grandiosen Pass in die Schnittstelle zwischen vier Gegenspieler. Neuzugang Amine Harit, der genau im richtigen Moment gestartet war, schnappte sich zwischen den völlig überrumpelten Innenverteidigern den Ball und musste nur noch rechts unten einschießen.

Diese eine Szene zeigt perfekt die Stärken des US-Boys. In der Verteidigung kämpft er hart um Ballgewinne und sorgt mit gutem Stellungsspiel für Druck auf den gegnerischen Ballführer. Seine Umschaltbewegung ist blitzschnell und seine Übersicht für einen so jungen Spieler außergewöhnlich. Das macht ihn zum perfekten Kandidaten, um Konter nach dem Ballgewinn einzuleiten.

Die etwas kleinere Statur (1,78 Meter) gleicht McKennie mit seiner Physis aus. Er hat eine unheimliche Wucht, ist kopfballstark in der Defensive und Offensive. Die Energie, die McKennie auf den Platz ausstrahlt, erinnert an Sead Kolasinac.

Schalkes Mittelfeld: Bentaleb, Harit, Goretzka, McKennie?

Dieses Zusammenspiel aus Robustheit und Spielintelligenz gepaart mit seinem natürlichen Anführer-Instinkt könnte McKennie schon in der kommenden Saison einiges an Spielzeit einbringen. Die Konkurrenz im Schalker zentralen und defensiven Mittelfeld ist jedoch nicht zu unterschätzen.

Nabil Bentaleb dürfte bis auf weiteres gesetzt sein. Goretzka ebenso - auch wenn sein Abgang nur eine Frage der Zeit zu sein scheint. Geis, Meyer und Stambouli haben in der vergangenen Saison zwar nicht restlos überzeugt, bringen aber alle deutlich mehr Erfahrung mit als McKennie.

Doch Trainer Tedesco zeigte sich zuletzt begeistert von dem Youngster. Nach dem Assist gegen Besiktas sagte er: "Das hat er gut gemacht. Ich will, dass die jungen Spieler mutig sind. Sie sollen und dürfen sich etwas zutrauen."

Mutig ist Weston McKennie auf jeden Fall: "Ich will nicht das schüchterne Kind sein, das sich weg duckt. Ich liebe Herausforderungen, liebe Wettbewerbe - und will spielen," sagte er der Bild. Das darf durchaus als Kampfansage an das restliche Mittelfeld verstanden werden. Und zwar eine, die keiner auf die leichte Schulter nehmen sollte. Auf Schalke weht ein neuer Wind.

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