"Ralf Rangnick hat gar keine Zeit für mich"

Ralph Hasenhüttl ist seit vergangenen Sommer Trainer von RB Leipzig
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SPOX: Besprechen Sie eigentlich mit Ralf Rangnick die Spiele auf Trainer-Augenhöhe nach?

Hasenhüttl: Nein. Ralf Rangnick hat gar keine Zeit für mich. (lacht) Durch seine Rückkehr auf den Posten des Sportdirektors ist das in diesem Maße nicht möglich, aber natürlich tauschen wir uns regelmäßig aus. Die Aufarbeitung erfolgt mit dem Trainerteam und den Videoanalysten. Wir sind diejenigen, die jeden Tag intensiv über den Videos hängen und uns Gedanken machen. Fast jede Woche hat man dabei das Gefühl, etwas Neues zu entdecken.

SPOX: 2015 sagten Sie auch, dass der ehemalige Unterhaching-Chefcoach Harry Deutinger während Ihrer Anfänge als Trainer Ihr Lehrmeister war. Wer ist für das aktuelle Niveau Ihr Lehrmeister?

Hasenhüttl: Harry war der erste Chefcoach, unter dem ich als Co-Trainer gearbeitet habe. Er hat mir gezeigt, was es heißt, Trainer zu sein und als Trainer auch richtig zu arbeiten. Das musst du als ehemaliger Spieler erst einmal verstehen, bevor du dich in diesen Beruf begibst. Bei allem, was danach kam, war und bin ich mein eigener Lehrmeister. Ich habe vieles aus Versuch und Irrtum gelernt. Das ist bis heute so geblieben. Mein Lehrmeister ist mittlerweile der tägliche Job, da ich dabei sehr viele Entscheidungen treffe und erst später sehe, welchen wirklichen Nutzen sie hatten.

SPOX: Welche Rolle spielt Rangnicks Mentor Helmut Groß?

Hasenhüttl: Ich habe ihn hier erstmals kennengelernt. Er ist der Urvater der Philosophie des Pressings und Gegen-den-Ball-Spielens. Wir stehen mit ihm in regelmäßigem Austausch, sprechen über unsere letzten Spiele und reflektieren die taktischen Herangehensweisen. Er ist für uns ein gern gesehener Diskussionspartner, wir schätzen seine Meinung.

SPOX: Unmittelbar nachdem Sie in Ingolstadt mitteilten, den Verein zu verlassen, erfuhren Sie Ihre bislang längste Niederlagenserie als Trainer mit drei Pleiten in Serie. Wie groß glauben Sie wäre der Kontrollverlust gegenüber der Mannschaft, sollten Sie einmal eine längere Durststrecke durchstehen müssen?

Hasenhüttl: Ich stelle es mir sehr schwierig vor, denn mit jeder Pleite verlierst du vor der Mannschaft weitere Argumente. Eine Mannschaft immer wieder neu vorzubereiten, ihr den Glauben an sich zu vermitteln und dann trotzdem fünf Mal in Serie zu verlieren, dieses Gefühl hatte ich noch nie. Das wirkungsvollste Argument im Fußball sind immer Siege und dabei wird es auch bleiben.

SPOX: Wie würden Sie in einem solchen Fall vorgehen: Weiter predigen, die Linie beizubehalten oder notfalls auch einschneidend einwirken?

Hasenhüttl: Ich bin ein Feind von Aktionismus. Das wäre der erste Fehler überhaupt, wenn man gleich alles in Frage stellen würde. Dazu müssten die Spiele wirklich dauerhaft richtig schlecht sein, um von Grund auf alles neu zu überdenken. Ich analysiere immer sehr losgelöst vom Ergebnis, ob Sieg oder Niederlage, ob gute oder schlechte Dinge.

SPOX: Von einer Niederlagenserie sind Sie in Leipzig weit entfernt, eine Champions-League-Teilnahme ist dagegen sehr nah. Inwiefern könnte es für die Entwicklung der Mannschaft auch gefährlich sein, wenn man so früh schon so weit ist?

Hasenhüttl: Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht wissen. Ich glaube dennoch daran: Erfolg kommt nie zu früh. Der internationale Wettbewerb wird für uns in der nächste Saison eine beträchtliche Umstellung und Herausforderung. Es wird das nächste Jahr, in dem wir bislang unbekannte Erfahrungen machen werden. Weder Verein, noch viele Spieler, noch ich als Trainer haben eine Ahnung, wie sich regelmäßige englische Wochen anfühlen.

SPOX: Die Ausgangslage in der Bundesliga wird für Leipzig in Zukunft eine andere sein. Wo sehen Sie den größten Optimierungsbedarf im Team?

Hasenhüttl: Ich glaube nicht, dass wir ökonomischer spielen müssen. Damit kommt man heutzutage nicht mehr weiter. Wir werden uns taktisch nicht großartig verändern. Der Kader muss sich aber noch etwas vergrößern, weil wir häufiger und mehr rotieren werden. Es wird sicherlich wie nach jeder Saison auch Abgänge geben. Diejenigen, die wir dazu holen, müssen eine hohe Qualität und ein besseres Niveau mitbringen. Ansonsten sehe ich aber nichts, dass wir mit dieser Truppe nicht leisten könnten. Bei uns stehen manchmal bis zu acht Spieler in der Startelf, die letzte Saison noch in der 2. Liga gekickt haben und bei denen ich zu keinem Zeitpunkt merke, dass es für die Bundesliga nicht reichen könnte. Daher wüsste ich nicht, wieso es für die Champions League nicht auch reichen könnte. An einem guten Tag können wir fast jeden Gegner schlagen, davon bin ich überzeugt.

SPOX: Was glauben Sie welche Gefühle Sie beim Hören der Champions-League-Hymne an der Seitenlinie durchleben werden?

Hasenhüttl: Es wird sich bestimmt nicht ganz so schlecht anfühlen. (lacht) Ich habe mir irgendwann mal das Ziel gesetzt, als Trainer so viel erreichen zu wollen wie als Spieler. Ich habe auch als Spieler schon in der Champions League gespielt, aber als Trainer dorthin zu kommen, ist natürlich ungleich schwerer. Ich habe als Coach schnell gemerkt, dass es mich einengt, wenn die Grenzen eines Vereins erreicht sind. Dann habe ich mich dazu hingezogen gefühlt, den nächstgrößeren Schritt zu gehen. Bis jetzt war mein Werdegang eine stete Aufwärtsentwicklung und die einzelnen Stationen eine perfekte Schule. Ich glaube, dass mich das die kommenden Jahre tragen wird.

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