Däne dank fauler Kartoffeln

Von Mario Krischel
Thomas Delaney wusste im Werder-Dress auf Anhieb zu gefallen
© getty

Thomas Delaney avancierte bei Werder Bremen gleich zum zentralen Mann. Dass der Winter-Neuzugang, der sich eher mit Orlando Bloom als John Snow vergleicht, überhaupt in Kopenhagen durchstarten konnte, ist wohl seinem Ur-Urgroßvater zu verdanken - beziehungsweise einer fatalen Missernte.

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"Vielleicht brauche ich einen Monat, vielleicht sechs", hatte Thomas Delaney gesagt.

Das war Mitte Dezember, als man ihn gefragt hatte, wie schnell er sich denn nach etwas mehr als 25 Jahren auf dänischem Terrain in Deutschland - und besonders der Bundesliga - zurechtfinden würde. "Ich weiß es nicht, ich habe ja nie den Verein gewechselt."

Drei Monate sind verstrichen. Inzwischen könnte er die Antwort geben: Es hat keinen Monat gedauert, nicht mal eine ganze Woche.

Nach seinem Winter-Wechsel von der Hafenstadt Kopenhagen in die Hansestadt Bremen setzte Werder-Coach Alexander Nouri von Beginn an auf den 25-jährigen Linksfuß. Ob auf der Doppelsechs neben Kapitän Clemens Fritz oder als alleiniger Mann vor der Abwehr, Delaney war mit Beginn des neuen Fußballjahres auch Werders neuer Dirigent.

In Mainz zeigte er dann obendrein, wofür er in der Superligaen und in der Champions League schon bekannt war.

The great famine - die Saga der irischen Delaneys

Auch wenn Thomas Delaney rund um Kopenhagen geboren und aufgewachsen ist, so richtig dänisch klingt sein Name nicht. Die Begründung dafür hätte wohl Franz Kafka nicht phantasievoller zu Papier bringen können.

Weil der Urgroßvater von Delaneys Vater Mitte des 19. Jahrhunderts vor der großen Hungersnot, die durch die Kartoffel-Missernte ausgelöst wurde, aus Irland in die Vereinigten Staaten geflüchtet war, wurden sowohl Delaneys Urgroßvater als auch sein Großvater in den USA geboren, irgendwo bei New York.

Thomas Delaneys Vater hingegen erblickte später in Dänemark das Licht der Welt, zog dann in die USA, und kehrte nach einem Unfall wieder zurück nach Skandinavien, wo dann auch Thomas Delaney geboren wurde. Relativ simpel.

Bei diesen weniger irisch, mehr amerikanischen Wurzeln stellte sich mit Emporkommen seines Fußball-Sterns eine Frage. Doch Delaney sorgte bereits 2012 in bester John-F-Kennedy-Manier gegenüber Yanks Abroad für Klarheit: "Ich bin ein Däne". Eine Zukunft im Nationaldress der USA sei daher kein Thema. Ein Jahr später feierte er sein Debüt für Dänemarks A-Auswahl.

Titel für den Träumer

Ohnehin könnte der fröhlich daherkommende Neu-Bremer verwurzelter kaum sein. Außer für Auswärtsspiele hat er Kopenhagen im Grunde seit Kindesalter nicht verlassen. Groß wurde er im Nachwuchs von Kjobenhavns Boldklub, dessen erste Mannschaft seit 1992 in Union mit dem Boldklubben 1903 der FC Kopenhagen ist.

Dort gab Delaney 2009 im Alter von 17 Jahren sein Profi-Debüt in einem Pokalspiel. Die ersten Gehversuche in Dänemarks Beletage und dem Europapokal sollten schnell folgen. Auch die ersten Titel schmückten bald sein Regal.

Vier Meisterschaften und drei Pokalsiege feierte er in siebeneinhalb Spielzeiten beim dänischen FCK. Seinen Kindheitstraum, einmal die erste Mannschaft von Dänemarks Rekordmeister als Kapitän aufs Feld zu führen, konnte er sich längst erfüllen.

Im August 2017 sickerte durch, dass Delaney nach über 200 Einsätzen im weiß-blauen Trikot im Winter das Weite suchen werde, genauer gesagt nur ein paar hundert Kilometer weiter südlich den "perfekten Schritt" gehe, wie er Anfang Januar bei seiner Vorstellung beim SVW erklärte.

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Nouris verrückte Fantasie

Es sei jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Tapetenwechsel gekommen, offenbarte er in feinstem Fußballer-Slang. "In Dänemark habe ich alles erreicht, habe Champions League gespielt, viele Trophäen gewonnen. Jetzt habe ich eine neue Herausforderung gefunden, an der ich wachsen kann. Werder ist der richtige Klub, um mich zu beweisen."

Von seinem Ex-Trainer Stale Solbakken, einst nicht allzu lange beim 1. FC Köln an der Seitenlinie, bekam der scheidende Kapitän warme Worte mit auf den Weg. "Er ist ein Spieler, der Werder Bremen prägen wird", prophezeite er. An der Weser hatte Nouri da schon "die Fantasie, dass er uns weiterhilft".

Gleich in den ersten Trainingseinheiten hinterließ Delaney einen so guten Eindruck, dass er sich wenig später in einem Bild-Interview genötigt sah, die Erwartungen an seine Person drastisch herunterzufahren: "Ich bin nicht der Messias, der kommt und alle rettet. Es gibt hier sicher Spieler mit größerem Talent als mich. Es wird schwierig am Anfang."

Orlando Bloom oder John Snow?

Der Anfang indes war nicht speziell für Delaney schwierig, es war vielmehr ein Horrorstart für den gesamten Verein. Obwohl die Darbietungen in den ersten beiden Heimspielen gegen Dortmund (1:2) und die Bayern (1:2) Gefallen fanden, stimmten die Ergebnisse nicht. Das setzte sich auch in Augsburg (2:3) und gegen Gladbach fort (0:1). Delaney stand jeweils in der Anfangsformation.

Durch seine robuste Zweikampfführung, gepaart mit einem feinen Fuß und viel Übersicht im Umschaltspiel fand Werders neue Nummer sechs trotz der ausbleibenden Resultate schnell Anklang. Auch auf anderem Weg schaufelte er sich schnell seinen Weg ins Herz der Grün-Weißen Anhänger frei.

Sei es seine lockere Art neben dem Platz oder seine Auftritte auf dem vereinseigenen Videokanal, wo er einem optischen Vergleich zu Schauspieler Orlando Bloom eher zustimmen würde, als zu Game-of-Thrones-Hauptfigur John Snow. Oder etwa lieber eine gut getimte Blutgrätsche als ein Traumtor auspacken würde, nicht ahnend, was dann passierte.

Es folgte das Schicksalsspiel in Mainz - für Werder, Nouri und auch für Delaney. Nach der frühen Führung durch Serge Gnabry legte der Däne nur wenige Minuten später mit einem traumhaften Freistoßtreffer nach. Dass er auch solche Kaliber drauf hat, hatte er schon in Kopenhagen bewiesen. Beispielsweise in der laufenden Champions-League-Saison im Gruppenspiel gegen Brügge.

Abzüge in der B-Note

Bremen erarbeitete sich den ersten Sieg im neuen Jahr und Nouris Job war vorerst gerettet. Doch Delaney bezahlte es teuer. Bei einem Zusammenprall im Mainzer Strafraum mit einem 05er blieb der Torschütze benommen liegen und musste wenig später mit der Trage vom Platz, und auf direktem Weg ins Krankenhaus befördert werden.

Die kommenden Spiele in Wolfsburg und gegen Darmstadt verfolgte er aus dem Krankenbett beziehungsweise von der Tribüne aus. Er hatte sich eine Gesichtsfraktur zugezogen. Beim jüngsten Remis in Leverkusen wurde er schon wieder eingewechselt.

Nach einem Vierteljahr fällt Delaneys Zwischenzeugnis trotz der kurzen Zwangspause positiv aus. Auch wenn er in den letzten Spielen nicht schmerzlichst vermisst wurde. Der irisch-amerikanische Däne ist auf dem besten Weg, in erster Generation auch deutsche Wurzeln zu schlagen.

Thomas Delaney im Steckbrief

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