Ungekrönt, aber nicht gescheitert

SID
Verlässt die Münchner im Sommer: Pep Guardiola
© getty

1055 Tage sind am Samstag vergangen seit: "Guten Tag und Grüß Gott meine Damen und Herren, verzeihen Sie mir mein Deutsch". Gegen Hannover 96 (Sa., 15.30 Uhr im LIVETICKER) wird Pep Guardiola das letzte Mal als Trainer des FC Bayern München ein Bundesligaspiel miterleben. Und abseits der leidigen Debatte um den verpassten Titel in der Champions League muss festgehalten werden: Guardiola hat die beste Bundesligamannschaft aller Zeiten geformt.

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Viele Sätze von Pep Guardiola haben es in die Schlagzeilen geschafft. Gerade in den letzten Wochen, den wichtigen Wochen, den letzten von Pep in München. Den Wochen, die für so viele über die Bewertung von Guardiolas Mission entschieden haben - zu Ungunsten des Katalanen.

Dass er noch eine Bullet habe und man ihn danach gerne killen dürfte, sagte er vor dem Rückspiel gegen Atletico Madrid. Dass er sein Leben für diese Mannschaft gegeben habe danach. Vorgänger Jupp Heynckes widmete er die historische vierte Meisterschaft, auch in der neuerlichen Maulwurfsaffäre gab es eine klare Ansage: "Die Leute wollen mich treffen."

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Inmitten all der großen und pathetischen Worte, mitten im größten Tohuwabohu, dem Champions-League-Aus gegen Atletico, fiel ein weiterer Satz. Viel banaler als der Rest, nicht ungewöhnlich oder besonders. Und dennoch fasst dieser Satz Guardiolas Schaffen und Vermächtnis nach knapp drei Jahren an der Isar am besten zusammen: "Bayern München hat eine große Zukunft mit dieser Mannschaft."

Kein Weiser, kein Heiland

Guardiola wurde Zeit seines Schaffens in München zu dem gemacht, gegen das er sich lange stemmte: Zum Fußballweisen, zum Heiland. Irgendwann gab er es auf, sich gegen das Triple als Maßstab für seine Amtszeit zu wehren. Irgendwann hörte er auf, zu betonen, sein Ziel sei es, Team, Klub und jeden einzelnen Spieler etwas besser zu machen.

Doch genau das steht als größte Errungenschaft des Katalanen unter dem Strich. Und wer will schon beurteilen, ob das für die Zukunft nicht viel mehr Wert ist, als einmal den Henkelpott zu gewinnen?

Jerome Boateng wurde unter Guardiola zum vielleicht besten Innenverteidiger der Welt, David Alaba erreichte neue Sphären. Philipp Lahm wurde zum Mittelfeldspieler, Joshua Kimmich zum königsklassentauglichen Innenverteidiger. Pep erfand Spieler neu und erfand Positionen neu, gab den Spielern - egal, ob Youngster oder Weltmeister - ein gänzlich neues Spielverständnis mit auf den Weg.

Die taktische Variabilität der Mannschaft sucht nicht nur national ihresgleichen. Das Team funktioniert als solches, ist anpassungsfähig. Die unzähligen Systeme, die Guardiola spielen ließ, auf Papier konnte man sie schon länger nicht mehr festhalten.

Eine solche Mannschaft hat es in der Geschichte des FC Bayern und auch der Bundesliga noch nie gegeben. Eine solche Dominanz hat es im deutschen Fußball noch nie gegeben.

Besser als die Triple-Sieger

Auch ohne Triple, ohne Henkelpott, steht deshalb fest: Die Mannschaft, die Carlo Ancelotti im Sommer übernehmen wird, sie ist noch besser als die Triplesieger, die Guardiola einst von Jupp Heynckes erbte. Uns sie wird dank der Transfers von Mats Hummels und Renato Sanches sicher nicht schlechter.

2,51 Punkte holte Guardiola mit seinen Bayern im Schnitt in der Liga. Das ist mehr als in Heynckes' letzter Amstzeit beim FCB, sogar mehr als er mit Barcelona schaffte. In drei Jahren als Bayern-Coach war die Meisterschale nicht einmal in Gefahr: Insgesamt stand der Rekordmeister nur an 15 von 102 Spieltagen nicht an der Tabellenspitze, neun Niederlagen gab es national - die meisten, als das Titelrennen bereits entschieden war. Die Pleite gegen Gladbach im vergangenen Jahr ist die einzige Hinrunden-Pleite in drei Spielzeiten, davor hatte Guardiola seine Startelf wettbewerbsübergreifend 99-mal verändert.

Die Abstände auf Platz zwei in den Winterpausen: zehn Punkte, elf Punkte, acht Punkte. Die Zeiten, in denen man sich als Gegner Hoffnungen auf einen Dreier gegen die Bayern machen konnte, sie sind vorbei. Das Beispiel von Werder Bremen oder Darmstadt zeigt eher: Lieber werden die Spiele abgeschenkt. Zu holen, da sind sich viele sicher, gibt es ohnehin nichts.

Das muss dem Rest der Liga nicht gefallen, nicht einmal den Münchner Anhängern selbst. Wie herausragend diese Mannschaft national agiert, wird jedoch gerne ignoriert. Gar als langweilig abgetan.

"Was wir wieder geleistet haben, ist überragend"

Natürlich ist Guardiola weit, weit davon entfernt, unfehlbar zu sein. Kritik, vor allem an den Entscheidungen in der Königsklasse, ist begründet. Als er vor drei Jahren gegen Real auf Drängen der Spieler beispielsweise das System umstellte, 0:4 hieß es am Ende. Guardiola nannte es die "größte Scheiße" seiner Trainerlaufbahn. Oder dieses Jahr, als er, wie es die Süddeutsche Zeitung so schön ausdrückte, Landesverrat beging und den Müllerthomas gegen Atletico nicht spielen ließ.

Guardiolas Zeit mag ungekrönt geblieben sein, dass er gescheitert sei, ist dagegen ganz großer Blödsinn.

"Was wir dieses Jahr wieder geleistet haben", sagte Müller nach dem Titelgewinn in Ingolstadt, "ist überragend". Das ist die Wahrheit.

Das Problem, dass dass man die Münchner lediglich an der Königsklasse misst, begleitet Guardiola seit seiner Ankunft. Und natürlich muss das Ziel der Bayern der Henkelpott sein, so konstant wie man seit Jahren im Triumvirat der drei größten Klubs mit Real Madrid und dem FC Barcelona genannt wird.

Vergessen werden dürfen die anderen Bühnen aber genauso wenig. Pep holte, Stand jetzt, dreimal die Meisterschaft, die Klub-Weltmeisterschaft, den UEFA-Supercup und den DFB-Pokal. Es bleiben also sechs Titel in drei Jahren sowie unzählige gebrochene Rekorde in Guardiolas erster Amtszeit im Ausland und seiner zweiten Trainerstation.

Und es bleibt eine Erkenntnis: Bayern München hat eine große Zukunft mit dieser Mannschaft.

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