"Lucio hat mich oft abgegrätscht"

Von Interview: Micha Schneider
Die Spezialität von Vahid Hashemian waren seine Kopfbälle
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SPOX: Mit 22 Jahren wurden Sie vergleichsweise spät entdeckt. Wie kam denn der Kontakt zum HSV damals überhaupt zu Stande?

Hashemian: Im Iran galt ich schon länger als Talent und hatte einen gewissen Status. Frank Pagelsdorf hat mich dann zum Probetraining eingeladen, ich war eine Woche in Hamburg und konnte die Verantwortlichen schließlich von mir überzeugen.

SPOX: Am 14. August 1999 feierten Sie gegen den FC Bayern ihr Bundesligadebüt, als Sie für Anthony Yeboah ins Spiel kamen. Was war das für ein Gefühl, plötzlich gegen Lothar Matthäus und Co. in der Bundesliga aufzulaufen?

Hashemian: Das war natürlich ein großartiges Gefühl, aber meine Anfangszeit war auch sehr schwer für mich. Ich war noch jung, weit weg von der Familie in einem neuen Land mit fremder Sprache und einer anderen Fußballkultur. Es war zunächst schwierig Anschluss oder Freunde zu finden. Die Konkurrenz im Sturm war enorm. Wir hatten erst Anthony Yeboah, dann Sergej Barbarez oder Erik Meijer im Team und man durfte auch nur drei Nicht-EU-Ausländer einsetzen. Ich hatte dann leider auch gleich noch mit Verletzungen zu kämpfen, war fünf Monate außer Gefecht. Dennoch war das auch eine gute Lehre für mich.

SPOX: Sie haben sich in Ihrem ersten Interview auch gleich Freunde gemacht, als Sie sagten: "Mein Traumverein ist der FC Bayern München"...

Hashemian: (lacht). Ja, ich erinnere mich daran. Da kommt man gerade zum HSV und sagt so etwas, aber der FC Bayern war schon immer meine Lieblingsmannschaft. Ich habe das damals ohne nachzudenken gesagt, es war eben die Wahrheit.

SPOX: Ihre erfolgreichste Zeit erlebten Sie anschließend beim VfL Bochum, schafften dort sogar den Sprung in den UEFA-Cup. Welchen Anteil hatte der damalige Trainer?

Hashemian: Peter Neururer hatte einen sehr großen Anteil. Bochum war ein familiärer Klub, wir hatten keine Stars, aber wir hatten einfach einen guten Zusammenhalt. Neururer hat mir immer sein Vertrauen geschenkt. Das gab mir die nötige Sicherheit.

SPOX: Sie sind auch heute noch in Kontakt. Er soll sich sogar bei Ihnen gemeldet haben, kurz nachdem er aus dem Koma erwacht ist, um Ihnen zum Geburtstag zu gratulieren.

Hashemian: Ja, das hat mich wirklich sehr gefreut. Er ruft mich jedes Jahr an meinem Geburtstag an, wir schreiben auch öfters SMS. Wir verstehen uns wirklich sehr gut. Peter ist ein super Typ.

SPOX: Sie zahlten ihm in Bochum das Vertrauen mit Toren zurück, weckten sogar das Interesse des FC Bayern. Was ging in Ihrem Kopf vor, als sich plötzlich ihr "Traumverein" meldete?

Hashemian: Es ist einfach der Traum eines jeden Spielers, dort zu spielen. Bayern hatte damals eine tolle Mannschaft. Ich hatte auch andere Angebote, unter anderem auch aus dem Ausland. Aber als Bayern mich haben wollten, habe ich sofort zugesagt.

SPOX: Gegen Roy Makaay, Claudio Pizarro und Roque Santa Cruz konnten Sie sich allerdings nicht durchsetzen, erzielten in zwölf Pflichtspielen nur ein Tor. Konnten Sie aus dieser Zeit dennoch etwas Positives mitnehmen?

Hashemian: Man weiß vorher natürlich nie, wie es letztlich läuft. Man hat einfach Ups and Downs in seiner Karriere. Ich bin aber trotzdem sehr stolz darauf, dass ich als Ausländer bei Bayern München spielen durfte, auch wenn ich mir noch ein wenig mehr versprochen hatte.

SPOX: Sie sagte einmal, Ihr bester Mitspieler sei Lucio gewesen. Der ist Abwehrspieler. Haben Sie gegen ihn im Training etwa kein Land gesehen?

Hashemian: (lacht). Nein, das nicht, aber Lucio war einfach ein Vorbild in Sachen Einstellung für mich. Er hat in wirklich jeder Trainingseinheit alles rausgeholt und mich oft abgegrätscht.

SPOX: Nach Ihrer Zeit beim FC Bayern und vier Jahren in Hannover kehrten Sie nochmal zum VfL Bochum zurück und beendeten schließlich Ihre Karriere im Iran beim Traditionsclub Persepoli Teheran. Wie hat sich der Fußball dort in den zehn Jahren geändert, als Sie den Iran verließen?

Hashemian: Ich war damals schon 34 Jahre alt und hatte kein Angebot mehr aus der Bundesliga vorliegen. Deshalb habe ich nochmal den Weg in den Iran genommen, auch wenn ich nach so einer langen Zeit eigentlich nicht unbedingt nochmal dort anheuern wollte. Auch wenn sich die Strukturen im Iran deutlich verbessert haben, sind wir nach wie vor sehr weit von Deutschland und anderen Fußballländern entfernt.

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Vahid Hashemian im Steckbrief