"Bereite mich nicht auf Angebote vor"

Markus Weinzierl übernahm 2012 den FC Augsburg als Trainer
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SPOX: Der Jahn hat mit Ihnen einen großen Aufschwung erlebt und sogar den Aufstieg in die 2. Liga geschafft. Es gab aber auch schwierige Zeiten, als dem Klub die Insolvenz drohte. Sie haben einmal gesagt, Sie seien abends ins Bett gegangen und wussten morgens nicht, ob Sie noch einen Job hätten.

Weinzierl: Das war wirklich eine heikle Geschichte in Regensburg. Es gab Extremsituationen, als beispielsweise der Strom abgeschaltet wurde. Da bangt man natürlich. Aber im Endeffekt hat uns diese Phase stärker gemacht, weil der Zusammenhalt immer größer geworden ist. Und dieser Zusammenhalt war dann auch die Basis für den Aufstieg in die 2. Liga.

SPOX: Wie sehr genießen Sie jetzt die Sicherheit als etablierter Bundesligatrainer?

Weinzierl: Ich denke nicht an Sicherheiten. Mein Beruf macht mir Spaß und in diesem Geschäft kann man sonst sowieso nichts planen. Ich bin froh, wie alles gelaufen ist und dass ich in Augsburg ein so gutes Umfeld und einen so guten Verein als Arbeitgeber habe.

SPOX: Sind Sie in Regensburg auch so locker damit umgegangen? Immerhin haben Sie zu der Zeit gerade in Straubing ein Haus gebaut und als Viert- und Drittligatrainer ist man finanziell nicht so schnell aus dem Gröbsten raus.

Weinzierl: Ich war damals sehr optimistisch, weil Regensburg meine Heimat war und wir immer gemeinsam an der Problemlösung gearbeitet haben. Das ist uns dann auch ganz gut gelungen. Der Verein hat einen guten Weg gemacht, ist finanziell solide und hat ein neues Stadion gebaut. Diese Entwicklung haben wir mit unseren Erfolgen angeschoben. Schade ist natürlich die sportliche Entwicklung mit dem Abstieg in die Regionalliga.

SPOX: Hatten Sie in dieser heiklen Phase schon die klare Entscheidung gefasst, egal, was passiert, ich bleibe Trainer?

Weinzierl: Nein. Ich war nie nur auf einen Weg versteift und habe nebenbei mein Lehramtsstudium vorangetrieben. Als Trainer ist es relativ gut gelaufen und durch den Aufstieg in die 2. Liga ist dann eins zum anderen gekommen. Mit dem Wechsel zu Augsburg hat sich dann ein Weg herauskristallisiert.

SPOX: Es hätte also auch den Lehrer Markus Weinzierl geben können.

Weinzierl: Definitiv, der Lehrerberuf war ein sehr ernsthafter Gedanke. Ich habe sehr viel in mein Studium investiert und stand kurz vorm Abschluss. Der war dann zeitlich nicht mehr möglich.

SPOX: Wie sehr sind Sie jetzt als Lehrer beziehungsweise Pädagoge und Psychologe gefragt, wenn Sie vor die Mannschaft treten und das ganze Lob der vergangenen Wochen und Monate relativieren müssen?

Weinzierl: Ich muss den Spielern natürlich vermitteln, dass es wieder bei null losgeht. Lob und die vergangenen Erfolge dürfen als positive Erfahrungen mitgenommen werden, aber nicht dazu führen, dass die aktuellen Herausforderungen verkannt werden. Die Bundesliga ist unheimlich eng und es kann schnell wieder in eine andere Richtung gehen. Für kleine Vereine sind Überraschungen keine Selbstverständlichkeit. Das wissen unsere Spieler, das weiß das Umfeld und das weiß der ganze Verein. Wir gehen alle sehr bodenständig und realistisch damit um. Der Klassenerhalt ist für uns eine Riesen-Herausforderung. Und dementsprechend arbeiten wir täglich.

SPOX: Wie gehen Sie selbst damit um, neben Jürgen Klopp plötzlich zu den am heißesten gehandelten deutschen Trainern zu gehören?

Weinzierl: Es freut mich, wenn meine Leistungen so positiv bei den Leuten ankommen. Aber wichtig ist, das nicht als gegeben und dauerhaft anzunehmen. Fußball ist ein Tagesgeschäft und mit ein paar Niederlagen kann alles schnell wieder vergessen sein. Eine nüchterne und bodenständige Herangehensweise ist sicher der beste Weg. Deshalb mache ich mir wenig Gedanken über Lob, sondern eher darüber, was die Mannschaft vorwärts bringt und wie wir erfolgreich sind. Das sind genug Gedanken täglich.

SPOX: In der Sommerpause mussten Sie sich aber Gedanken machen, ob Sie den FC Augsburg verlassen und dafür zu Schalke 04 gehen. Wie haben Sie die Tage erlebt, als über Ihre Zukunft spekuliert wurde? Fühlten Sie sich unter Druck gesetzt, weil das Interesse relativ schnell öffentlich wurde?

Weinzierl: Nein, das war kein Druck. Mir war bewusst, dass auf Schalke auch mal etwas nach außen dringen kann. Das war kein Problem.

SPOX: Sie haben sich am Ende für einen Verbleib in Augsburg entschieden. Es ist aber davon auszugehen, dass die Angebote nicht abreißen werden. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Weinzierl: Ich weiß nicht, was passiert und ob nochmal eine Anfrage kommt. Deshalb bereite ich mich auf Angebote gar nicht vor, sondern bereite die Mannschaft für jeden Bundesligaspieltag vor und mache mir keine Gedanken über meine persönliche Zukunft. Ich weiß, dass ich hier einen Vertrag und gute Jungs habe. Wir wollen in der Liga bleiben und international bestehen. Diese Aufgabe macht mir Spaß.

SPOX: Mit Roman Grill haben Sie sich aber einen Berater an die Seite geholt, der Sie in diesen Dingen unterstützt.

Weinzierl: Wir haben schon bei den Amateuren des FC Bayern zusammengespielt und deswegen schon sehr lange immer wieder Kontakt. Er hat mich auch beim Wechsel von Regensburg nach Augsburg beraten.

SPOX: Ihr Vertrag beim FCA läuft noch bis 2019. Bei der Position, die sie aktuell auf dem Trainermarkt haben: Wie realistisch ist es, dass Sie diesen erfüllen?

Weinzierl: Ich weiß ja nicht, wie erfolgreich wir in Zukunft sind. Es ist ja häufig so, dass ein Trainer entlassen wird, weil der Erfolg nicht da ist. Aber ich hoffe, dass wir in Augsburg erfolgreich sind und unsere Zusammenarbeit gut weiterführen können.

SPOX: Sie haben nach dem Schalke-Angebot gesagt, dass Sie in Augsburg noch Entwicklungspotenzial für sich und die Mannschaft sehen. Wie genau sieht das aus?

Weinzierl: Die internationalen Schritte werden für mich und für den ganzen Verein sehr lehrreich. Es geht langfristig darum, Strukturen zu schaffen und ein Team zu entwickeln, das nicht nur in der Bundesliga besteht, sondern auch parallel in Pokal und Europa League mitspielen kann. Wir haben uns die Möglichkeit erspielt, dafür in dieser Saison die ersten Erfahrungen zu sammeln.

SPOX: Sie haben als Spieler das Bundesland Bayern nur kurzzeitig nach Stuttgart zu den Kickers verlassen, Ihre Familie wohnt noch in Straubing. Welche Bedeutung hat Heimat für Sie?

Weinzierl: Eine große. Es ist ein gutes Gefühl, zuhause zu sein, sein Umfeld zu haben. Aber es ist normal, als Fußballer und Trainer nicht immer in seiner Heimat zu sein. Deshalb lebt meine Familie in Straubing, während ich in Augsburg arbeite und hier eine Wohnung habe. Das funktioniert gut.

SPOX: Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Sie als Trainer den Süden mal verlassen?

Weinzierl: Der Süden ist schon sehr schön, aber ausgeschlossen ist das nicht.

SPOX: Falls Sie irgendwann einmal zu dem Schluss kommen, in Augsburg wären die Möglichkeiten ausgeschöpft, die Mannschaft ist am Limit und Sie können sich hier auch nicht mehr weiterentwickeln. Könnten Sie sich dann vorstellen, ähnlich wie Thomas Tuchel ein Sabbatjahr einzulegen?

Weinzierl: Ja, das kann ich mir vorstellen.

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