"Ich bin der Gute, oder?"

Bernhard Peters ist seit 1. August 2014 Direktor Sport beim Hamburger SV
© imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: Sie sind dabei, dem HSV eine neue, eigene Identität zu verpassen. Gibt es trotzdem Vereine, die Sie als Vorbild sehen? Wo schaut man genauer hin?

Peters: Borussia Mönchengladbach ist sicherlich ein Vorbild, wenn es darum geht, viele richtige Entscheidungen über einen konstanten Zeitraum zu treffen. Die Region und der Klub in seiner Struktur sind nicht mit denen des HSV zu vergleichen, dafür sind die Vereine zu verschieden. Dennoch ist es wichtig, dass wir eine ähnliche Kontinuität in unser Handeln und unsere Entscheidungen bekommen. Darum ringen wir jeden Tag.

SPOX: Ihren Ex-Klub 1899 Hoffenheim bezeichneten Sie in diesem Zusammenhang mal als Schnellboot. Was für ein Schiff ist der HSV?

Peters: Mehr ein Kreuzfahrtschiff mit Volksmusik, denke ich. (lacht) Im Ernst: Tatsache ist, dass der HSV ein Klub ist, der auf eine Tradition zählt. Ich bin da kritischer, im Leistungssport zählt nur das heute. Wir bekommen keine Punkte mehr dafür, dass Felix Magath das Ding oben reingehauen hat und der HSV den Europapokal gewonnen hat. Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der Vergangenheit, aber es hat nichts mit den Mechanismen und der Schnelligkeit des Rades, wie du es heute drehen musst, zu tun.

SPOX: Hat man sich beim HSV zu lange auf einstigen Erfolgen ausgeruht?

Peters: Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass es in sehr kurzer Zeit stetig und relativ steil bergab ging. Viele der erwähnten Rädchen haben nicht mehr ineinandergepasst, der Verein war vor allem im personellen Bereich geprägt von Diskontinuität - und das verunsichert ein ganzes System.

SPOX: Von langjährigen Spielern wie Heiko Westermann, Marcell Jansen und Rafael van der Vaart haben Sie sich getrennt hat. Ist das das neue Gesicht des HSV?

Peters: Ja und nein: Wir wollen von der Jugend bis zu den Profis in allen Bereichen professionell arbeiten. Teil dessen ist auch, finanzielle Belastungen zu minimieren. Das heißt aber nicht, dass wir von heute auf morgen alles auf links drehen wollen, dafür fehlt uns auch die wirtschaftliche Potenz. Wir müssen eine gewisse Stabilität behalten, aus der heraus wir die Änderungen Stück für Stück angehen. Die Maßnahmen, die Peter Knäbel zur Restrukturierung des Profi-Kaders eingeleitet hat, sind sehr richtig und bringen uns immens weiter.

SPOX: Dazu gehört auch der Übergang vom Jugend- in den Profi-Bereich, den Sie als elementar wichtig bezeichnen. Kommt dem Trainer der U 23 ein ähnlicher Stellenwert zu wie dem Cheftrainer?

Peters: Da brauchst du starke Persönlichkeiten als Trainer, unabhängig davon sollte es eine genaue Struktur geben, in der alle regelmäßig miteinander kommunizieren. Darüber hinaus müssen die richtigen Elitespieler definiert werden, bei denen wir glauben, dass sie die nächsten Schritte schaffen können.

SPOX: Mit welchen Mitteln erreicht man diese Struktur?

Peters: Neben den Fußballplanungen in den U-Mannschaften muss es auch einen individuellen Laufbahnplan für die Talente geben. Anhand diesem zeigen wir dem Spieler, was unser Vorhaben mit ihm ist, wie wir ihn weiterentwickeln wollen, wo seine Stärken und Schwachstellen liegen. Unser Ziel ist es, möglichst Spieler auszubilden, die es in die erste Mannschaft oder in den Profibereich schaffen.

SPOX: In Josef Zinnbauer haben Sie einen U23-Trainer, der schon als Cheftrainer der Profis gezeigt hat, dass er an seine Jungs glaubt. Ein großer Vorteil?

Peters: Absolut, Josef Zinnbauer ist ein Glücksfall für den HSV. Er steht immer ehrlich zu seinen Spielern und will sie verlässlich weiterbringen. Seine Zeit als Cheftrainer, als er sehr vielen Jungs eine Chance gegeben hat, ist ein starker Fingerzeig und ein Motivationszeichen für alle Nachwuchsspieler. Bei uns ist der Weg zu den Profis offen.

SPOX: Sie gelten als "Der Trainer der Trainer", geben offen als Ziel aus, auch die Trainer verbessern zu wollen. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Peters: Dabei geht es im Grunde um drei Grundpfeiler: Fachkompetenz, Vermittlungskompetenz und Persönlichkeitskompetenz. Egal in welchem Metier sie eine Führungsrolle übernehmen, sei es in der Wirtschaft, in der Politik oder im Sport, ist das Wichtigste, seine Persönlichkeit, seine Stärken und seine Schwächen zu reflektieren. Was kann ich, was kann ich nicht? Wie kommt meine Botschaft überhaupt rüber? Wie ist mein Profil? Diesen Fragen muss man sich stellen, egal ob man Trainer ist oder Vorstandsvorsitzender in einer Bank. Ein Führender muss offen sein für diese Reflektion. Wenn ich nicht in der Lage bin, mich zu spiegeln und so auch mich selber zu führen, kann ich niemals gut andere leiten. Die Sport-Psychologen Hans-Dieter Hermann, Lothar Linz oder Jan Mayer waren da in meiner Laufbahn enorm wichtige Coaches in meiner Reflexion.

SPOX: Waren diese Kompetenzen ausschlaggebend bei der Entscheidung, Bruno Labbadia wenige Spieltage vor Saisonende als Cheftrainer zu installieren?

Peters: Es war in jedem Fall zu 100 Prozent die richtige Entscheidung. Bruno Labbadia ist ein unheimlich starker Trainer mit viel Ausstrahlung und gleichzeitig klaren Botschaften. Alle Kompetenzen, die ein guter Trainer haben muss, strahlt er aus. Durch seine authentische Art und Weise hat er es geschafft, den Spielern seinen Weg mit sehr einprägsamen Mitteln darzustellen. Wir haben ihm viel zu verdanken.

SPOX: In der Relegation gegen den KSC hielt Sie ein direkt verwandelter Freistoß im Spiel. Standards sind ein Thema, das Sie schon seit Jahren beschäftigt. Wird hier zu viel Potenzial verschenkt?

Peters: Der Umgang mit Standards wird immer noch viel zu stiefmütterlich gehandhabt, obwohl es gerade hier riesige Steigerungsmöglichkeiten gibt. Dazu muss man aber absolute Standard-Spezialisten über fünf bis sechs Jahre systematisch mit unheimlichen Fleiß und Kontinuität ausbilden. Nicht mal ein paar Standards im letzten Training vor dem Spiel, sondern mit mehreren Spielern in einer Gruppe, damit so auch eine Mentalität entsteht, in der die Jungs sich zusammen verbessern und einen Wettbewerb daraus machen wollen.

SPOX: Wie früh sollte man beginnen, Standards so intensiv zu trainieren?

Peters: Wir sollten ab der U 14 damit anfangen, regelmäßige Wiederholungen umfangreich zu trainieren. Die, die in einigen Jahren überbleiben, sind dann echte Spezialisten, die über die mentale Stärke verfügen, zu sagen: Das Ei knalle ich jetzt im entscheidenden Moment rein.

SPOX: Was halten Sie von ausgetüftelten Freistoßtricks?

Peters: Vorausgesetzt man hat einen wirklichen Standard-Profi im Team, kann man anfangen, sich über solche Varianten Gedanken zu machen. Zunächst muss aber der Respekt des Gegners da sein. Dann kann man sich hinstellen und auch mal etwas ausprobieren, zum Beispiel das Antäuschen eines Schusses. Dazu braucht man wiederum die Spieler, die in der Lage sind, die Situation sofort zu analysieren. Wie hat sich die Mauer verschoben? Ist einer meiner Mitspieler plötzlich frei? Bei unheimlich vielen Trainern fehlt mir das langfristige Denken, hier nachhaltig Verbesserungen vorzunehmen.

SPOX: Und Thomas Müllers "Stolperer" bei der WM?

Peters: Der Trick hat seinen Zweck ja nicht verfehlt. Viel interessanter ist aber der generelle Erfolg bei Standards, was in den vergangenen Turnieren immer eine Schwachstelle im deutschen Team war. Grund dafür sind die Leader der Mannschaft wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Thomas Müller, die in den Prozess der Entwicklung der Standards eingebunden wurden. Sie waren mittendrin und haben sich mitverantwortlich für den Erfolg gefühlt Es war ihnen persönlich wichtig, dass es klappt.

Seite 1: Peters über das neue Jugendkonzept, sein erstes HSV-Jahr und sein Image

Seite 2: Peters über Glücksfall Zinnbauer, Vorbild BMG und Erfolg durch Standards

Artikel und Videos zum Thema