Schalkes italienische Identität

Brachte in den ersten Monaten Ruhe und Erfolg auf Schalke: Roberto Di Matteo
© getty

Seit dem Systemwechsel läuft es rund beim FC Schalke 04. Das Team spielt unter Roberto Di Matteo bei weitem keinen ansehnlichen Fußball, aber ist auf dem besten Wege, etwas zu erreichen, was man in den letzten Jahren vergeblich gesucht hatte.

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Pep Guardiola gilt als derzeit bester Trainer der Welt. Seine taktischen Innovationen und Kniffe werden von vielen Seiten gepriesen. Vor dieser Saison führte er beispielsweise beim FC Bayern die Dreierkette ein und hievte so das Offensivspiel des Rekordmeisters in der Hinrunde auf eine neue Ebene. Auch beim FC Barcelona setzte Guardiola zum Ende ab und an auf eine Dreierkette.

In Italien feierte sie in den letzten Jahren ebenfalls ihr Comeback. Dort steht vor allem die Defensive im Vordergrund. Siehe Juventus Turin, das seit Antonio Contes Amtszeit in einem 3-5-2-System agiert.

Auch Jos Luhukay beim FC Augsburg oder Thomas Tuchel in Mainz ließen ihre Teams in der Vergangenheit ab und an ebenfalls mit drei Innenverteidigern auflaufen. Spätestens aber bei der WM feierte diese Formation ein Revival.

Es war also keine taktische Revolution, die Roberto Di Matteo am 12. Spieltag durchführte, als er den FC Schalke 04 erstmals mit einer Dreierkette aufs Feld schickte. Am Ende aber schlug man den VfL Wolfsburg nach irrsinnigen ersten 25 Minuten mit 3:2. Seitdem schickte der Coach das Team regelmäßig mit drei Innenverteidigern und zwei etwas vorgezogenen Außenverteidigern aufs Feld. Einem Hybridsystem aus Dreier- und Fünferkette.

Ein "italienisches" 3-5-2

Allerdings ist das Schalker 3-5-2 keine FCB-Kopie. Ganz im Gegenteil. Das komplette Spiel ist nicht auf Offensive, Ballbesitz oder totaler Dominanz ausgelegt (wie es auch schon das DFB-Team gegen schwächere Gegner zeigte), sondern es wird deutlich defensiver agiert. Italienisch sozusagen. Bei Königsblau ist die Dreier- in der Regel eine klassische Fünferkette. Zudem agieren seit der Rückrunde noch zwei bis drei variable Sechser vor dem Abwehrriegel.

Doch Di Matteos Betonmischerei hat offensichtlich endlich das zur Folge, was sie sich in Gelsenkirchen unter Jens Keller und Co. in den letzten Jahren wünschten: Länger währende Konstanz. Bis auf die Klatsche gegen den FC Chelsea in der Champions League und der 1:2-Niederlage gegen den 1. FC Köln am 15. Spieltag hat Schalke nicht mehr verloren. Die Knappen liegen inzwischen auf Platz 3, der am Ende der Saison zur direkten CL-Qualifikation berechtigen würde.

In Sachen Taktik ist di Matteo tatsächlich sehr italienisch: Defensive Sicherheit hat oberste Priorität. Das sagte er schon bei seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres. Der Schnitt an Gegentoren wurde seitdem auf 0,71 Treffer gesenkt. Unter Keller kassierte Königsblau noch einen Treffer mehr pro Spiel (1,71). In den 13 Partien seit Di Matteos Amtsantritt setzte es in der Liga lediglich zehn Gegentreffer. Nur der FC Bayern kassierte in dieser Zeit weniger Tore (7).

Auf dem Weg zur neuen Identität

Dank Di Matteo haben die Schalker nun endlich wieder so etwas wie eine sportliche Identität. Setzte Vorgänger Keller bevorzugt auf die Jugend und hoffte auf imposanten Offensivfußball, so lautet das Motto nun: Nicht schön - aber erfolgreich.

"Der Trainer hat uns defensiv stabiler gemacht. Die Fans sehen, dass wir uns für den Erfolg zerreißen. Das ist das, wofür Schalke steht", sagte Benedikt Höwedes nach dem 1:0-Erfolg über Borussia Mönchengladbach am Freitag.

Zwar gibt es vereinzelte Kritik an der unästhetischen Spielweise, doch etwas anderes ist offensichtlich gar nicht der Anspruch. Intern scheint man mit der Spielweise mehr als zufrieden. Und den Vorwurf mangelnder Attraktivität musste sich Di Matteo schon bei Chelsea gefallen lassen

Man wusste, was man mit Di Matteo bekommt

Den CL-Titel holten Di Matteo und der FC Chelsea 2012 nicht nach einem immerwährenden Offensivfeuerwerk, sondern - milde ausgedrückt - mit hässlichem Defensivfußball. Da es im Fußball aber um Ergebnisse geht, ist nun auch der Schalker Weg absolut legitim. Schönspielerei war einmal auf Schalke.

36 Prozent Ballbesitz in den ersten drei Spielen des neuen Jahres sind für ein Bundesliga-Spitzenteam ein desaströser Wert. Schalke rangiert in dieser Statistik seit Jahresbeginn auf Platz 18 in der Liga und dennoch hat man bereits acht Punkte Vorsprung auf Platz 7.

Wie auch? Bedenkt man, dass wichtige Pfeiler der Offensivabteilung fast schon die ganze Saison ausfällt und es trotzdem kaum ins Gewicht fällt, ist die Leistung der Schalker umso bemerkenswerter. Derzeit fehlen dem Coach mit Julian Draxler, Jefferson Farfan und Jan-Klaas Huntelaar qualitativ die hochwertigsten Offensivspieler.

Dennoch hat S04 Erfolg - das war in den letzten Jahren nicht immer der Fall. Auch weil Di Matteo in dieser Zeit viele richtige Personalentscheidungen trifft und die richtigen Spieler zur richtigen Zeit ins Schalke Spiel integriert.

Personalentscheidungen greifen

Am Freitag brachte er anstelle von Max Meyer von Anfang an Tranquillo Barnetta, der prompt das Siegtor schoss. Dabei war der Schweizer, ähnlich wie Christian Fuchs, eigentlich schon längst ein Auslaufmodell auf Schalke. Doch der Coach baute diese Spieler wieder ins Team mit ein. Fuchs ist beispielsweise seit der Einführung der Dreier-/Fünferkette uneingeschränkter Stammspieler.

Als die Schalker im Winter noch Matija Nastasic von Manchester City mit einer Kaufoptionen ausgestattet auf Leihbasis verpflichteten, wunderten sich einige Experten. Hatte S04 doch mit Höwedes, Kaan Ayhan, Joel Matip, Jan Kirchhoff, Felipe Santana und Marvin Friedrich bereits sechs Innenverteidiger im Kader - allerdings war keiner von ihnen ein Linksfuß und hatte über einen längeren Zeitraum in einer Dreierkette agiert. Nastasic spielte dieser Formation schon zu seiner Zeit beim AC Florenz und kannte diese aus dem Effeff.

Seine drei Auftritte waren bisher allesamt absolut befriedigend. Auch er ist ein weiterer wichtiger Baustein für das blau-weiße Bollwerk, das im neuen Jahr erst ein Gegentor hinnehmen musste - beim 1:1 in der Allianz Arena.

Die Offensive wird belebt

Roberto Di Matteo hat dem FC Schalke endlich Stabilität gegeben, wie auch Horst Heldt zufrieden feststellt. "Wir haben die richtige Marschroute gewählt. Trotz aller Personalprobleme reden wir weiterhin um die Champions-League-Plätze mit", sagte der Sportvorstand nach dem Gladbach-Spiel.

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Darüber hinaus machen die Aussichten Mut: Huntelaar kehrt nach seiner Rotsperre Ende Februar wieder zurück. Farfan könnte bis dahin zumindest wieder ins Mannschaftstraining einsteigen und auch bei Julian Draxler ist eine Rückkehr absehbar. Dann hätte der Trainer auch in der Offensive wieder einige hochwertige Optionen. Und dann könnte das bisher unschöne neue Gesicht von Schalke 04 ein paar feinere Züge bekommen.

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