Gute Arbeit - aber wofür?

Hany Mukhtar wurde im Sommer 2014 U-19-Europameister
© getty

Hertha BSC legt seit jeher großen Wert auf die Nachwuchsarbeit und bildete viele Talente aus. Den großen Durchbruch aber schafften die meisten bei anderen Vereinen. Die Boateng-Brüder sind eines der Beispiele. Mit Hany Mukhtar verlässt ein amtierender U-19-Europameister die Hauptstadt. Es stellt sich mal wieder die Frage nach dem Warum.

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Der Juli 2014 war ein guter Monat für Deutschland. Nicht unbedingt wegen des Wetters, aber rein sportlich gesehen, war es das. Die Nationalmannschaft holte in Brasilien den WM-Titel, wenige Wochen später gewann auch die U 19 des DFB die Europameisterschaft in Ungarn. Siegtorschütze in der 39. Minute im Finale in Budapest war Hany Mukhtar.

Mukhtar war damals Spieler bei Hertha BSC. Neben ihm spielten im Finale gegen Portugal Leute wie Levin Öztunali, Julian Brandt, Marc Stendera, Marc-Oliver Kempf, Davie Selke oder Joshua Kimmich. Von allen sollte in der anstehenden Bundesliga-Hinrunde zu hören sein.

Stendrea bekam bei der Eintracht seine Minuten, erkämpfte sich mehr oder minder einen Stammplatz unter Thomas Schaaf, Brandt und Öztunali wurden in der Champions League eingesetzt. Selke setzte sich zum Ende der Hinrunde bei Werder durch und Joshua Kimmich wechselt zur neuen Saison zum FC Bayern. Auch Marc-Oliver Kempf ergatterte sich einen festen Platz in Freiburgs Elf.

Mukhtar schaffte den Sprung nicht

Und Mukhtar? Der 19-Jährige verließ im Winter die Hauptstadt und wechselte für 500.000 Euro zu Benfica Lissabon. Aber warum? Ist Mukhtar der nächste Fall der Berliner, bei dem man die Lage falsch eingeschätzt hat?

Während viele aus der Final-Elf von Budapest inzwischen eine wichtige Rolle in ihren Klubs spielen, schaffte es Mukhtar nur lediglich einmal in den Bundesliga-Kader der Hertha. Das war am 2. Spieltag gegen Bayer Leverkusen. Ansonsten war der Offensivspieler hauptsächlich in der U 23 aktiv. In sechs Spielen in der Regionalliga Nordost lieferte er acht Assists und traf zwei Mal selbst. Im Oberhaus aber bekam er keine einzige Minute.

Hany Mukhtars Saison 14/15

Dass Mukhtar Talent hatte, war in Berlin schon länger aufgefallen, klar. Aber die Hertha muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass man ihm keine Chance gab. Nun sucht er sein Glück in Portugal, anstatt vielleicht irgendwann ein wichtiger Faktor im Hertha-Spiel zu werden. Scheinbar spürte er nicht das Vertrauen des Vereins, denn seinen im Sommer auslaufenden Vertrag wollte er nicht verlängern. Somit musste die Hertha im Winter handeln. Eine typische Geschichte in Berlin, wenn es um Talente geht.

"Jos Luhukay setzt in der Regel auf junge, talentierte Spieler. Vielleicht hat sich Hany einfach nicht gut genug angeboten", sagt Axel Kruse im Gespräch mit SPOX: "Bloß weil man ein Talent ist, hat man nicht automatisch ein Anrecht auf einen Platz in einem Bundesliga-Team. Jeder Spieler hat sein Glück selbst in der Hand."

Kein Vergleich mit den Boatengs

Einen Vergleich mit den Boateng-Brüder oder anderen Talente, die sich in Berlin nicht genug wertgeschätzt gefühlt hatten, verbietet Kruse: "Jeder dieser Transfers hat seine eigene Geschichte. Bei Kevin-Prince brauchte die Hertha damals das Geld. Bei Jerome schlief man und verpasste es, frühzeitig den Vertrag zu verlängern."

Dabei hätte die Alte Dame die Fähigkeiten Mukhtars in der Hinrunde eigentlich durchaus gebrauchen können. Alexander Baumjohann und Tolga Cigerci fielen in der Mittelfeld-Zentrale aus und Ronny war abermals zu schwankend in seinen Leistungen. Kreativität war in der Hauptstadt auf dem Platz nur ganz selten zu sehen. Warum also setzt man nicht auf einen talentierten, jungen Spieler aus der Jugend?

Kruse sieht den Fehler beim Spieler. "Auch als U-19-Europameister muss ich mich bei den Profis anbieten. Das ist etwas anderes als im Jugendfußball. Wenn man Bundesliga spielen will, muss man sich in jedem Training zeigen", sagt der ehemalige Stürmer der Hertha.

Mit Änis Ben-Hatira und Roy Beerens fallen zum Rückrundenauftakt wohl weitere Offensivspieler aus. Mukhtar aber flüchtete nach Portugal. Die Hertha kassierte so noch ein bisschen Geld. Immerhin.

"Ob es ein Fehler war, wird man sehen"

Ob es Mukhtar jetzt in Lissabon schafft, bleibt abzuwarten. Dass dieser Transfer nicht nur in Berlin für Aufsehen sorgt, ist klar. Dafür ist die Geschichte mit der Hertha und talentierten Jugendspieler zu vorbelastet.

"Seien wir doch mal ehrlich, die Hertha wäre doch dumm, wenn sie einen Spieler, in dem sie viel Potenzial sieht, einfach so abgeben würde", sagt Kruse: "Michael Preetz wollte ja mit ihm verlängern, aber Mukhtar wollte nicht. Demnach hat man aus wirtschaftlicher Sicht das Beste draus gemacht. Ob das jetzt ein Fehler war, wird man erst in vier oder fünf Jahren sehen."

In der Rückrunde geht es für Hertha BSC um den Klassenerhalt. Natürlich stellt sich die Frage, ob ein 19-Jähriger im Abstiegskampf geholfen hätte. Eine wirklich Chance, aus welchen Gründen auch immer, bekam Mukhtar nicht. Kruse sieht das ganze Theater dann doch relativ nüchtern, denn "Klasse setzt sich immer durch. Und Hany wählt nun einen anderen Weg. So ist das im Profifußball."

Trotzdem bleibt festzuhalten, dass es die Berliner abermals nicht geschafft haben, einen talentierten jungen Spieler langfristig zu binden und ihm im Verein eine Zukunft aufzuzeigen.

Trotz der vielen Talente, die jedes Jahr in Herthas Jugend heranwachsen, gibt es im erweiterten Kreis der Stammspieler mit Nico Schulz und John Anthony Brooks nur zwei Spieler, die aus der eigenen Jugend den Sprung zu den Profis geschafft haben.

Der Kader von Hertha BSC