Der absolute Experte

Von Marco Nehmer
Peter Knäbel kehrt als technischer Direktor zurück nach Hamburg
© imago

Peter Knäbel soll als Direktor Profi-Fußball den Hamburger SV künftig mitgestalten. Der 47-Jährige, der vom Schweizer Verband an die Elbe kommt, verfügt über ein gutes Netzwerk, fundiertes Know-How im Scouting - und hat die Hansestadt aus seiner Zeit beim Lokalrivalen FC St. Pauli in bester Erinnerung.

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15. Mai 2010. 7.000 Fans versammeln sich am Millerntor, um, aus Anlass des 100-jährigen Vereinsjubiläums des FC St. Pauli, ihrer Traditionsmannschaft gegen den FC United of Manchester zuzusehen.

Alle sind sie dabei, die Ikonen der Kiezkicker: Klaus Thomforde, Martin Driller, Holger Stanislawski. Ivan Klasnic erzielt beim 3:3 alle drei Tore für St. Pauli. Mittendrin in Braun-Weiß: Peter Knäbel.

Der gebürtige Wittener, ausgebildet bei Borussia Dortmund und dem VfL Bochum, schloss sich 1988 den Hamburgern an, absolvierte als Abwehr- und Mittelfeldspieler bis 1993 insgesamt 139 Spiele für St. Pauli und erarbeitete sich einen guten Ruf in der Hansestadt, auch wenn er sich selbst bescheiden als "steriles Förderprodukt aus Westfalen" bezeichnet.

Nach 21 Jahren zurück in Hamburg

Knäbel nannte die Jahre in Hamburg einmal seine "mit Abstand geilste Zeit als Profi". 21 Jahre später führt ihn der Weg nun wieder zurück an die Elbe - zum HSV, der sich unter dem neuen starken Mann Dietmar Beiersdorfer derzeit neu aufstellt und Kompetenz ins Boot holt, um den Bundesliga-Dino wieder wettbewerbsfähig zu machen. Und Knäbel passt genau in dieses Profil.

"Wir freuen uns sehr, dass wir Peter Knäbel für unsere Neuausrichtung gewinnen konnten", sagte Beiersdorfer vergangenen Freitag, als der HSV offziell bekannt gab, Knäbel werde sein Amt am 1. Oktober antreten. "Er genießt im internationalen Fußball große Anerkennung und ist ein ausgewiesener Fachmann auf seinem Gebiet."

Steile Karriere in der Schweiz

Zurück in die Zeit bei St. Pauli. Der heute 47-jährige Knäbel lernt auf einer Saisonabschlussreise mit den Kiezkickern auf Kreta seine heutige Frau Petra kennen, eine Schweizerin. Nach den Stationen Saarbrücken, 1860 München und Nürnberg zieht es Knäbel in die Heimat seiner Partnerin. 1998 schließt er sich dem FC Winterthur an.

Zunächst Spielertrainer, wechselt Knäbel zur Jahrtausendwende ins Management des Klubs aus dem Kanton Zürich - bis 2003 der große FC Basel anfragt. Knäbel wird technischer Direktor, leitet später den Nachwuchs. Die gute Arbeit - der FCB erringt in dieser Zeit drei Meistertitel und zwei Pokalsiege - bleibt auch dem Schweizer Verband nicht verborgen.

Am 1. September 2009 wird Knäbel als Technischer Direktor der Nationalmannschaft vorgestellt, sagt bei seinem Dienstantritt: "Ich möchte helfen, aus der Schweiz eine richtige Fußballnation zu machen."

Das Vorhaben gelingt, in seiner Zeit beim Verband klettert die Schweiz in die Top-10 der Weltrangliste, bringt stetig neue Talente hervor - auch ein Verdienst des Analytikers Knäbel.

Knäbel legt Wert auf Charakter

Der frühere Profi verfolgt bei der Talentförderung einen ganzheitlichen Ansatz. Neben den Leistungsdaten - Schnelligkeit, Technik - zählt für Knäbel vor allem die Persönlichkeit. "Kann ich mir den Spieler in der Kabine einer Profimannschaft vorstellen, oder nicht? Das hat nichts mit Körpergröße zu tun, sondern mit Ausstrahlung", so Knäbel wenige Monate nach Amtsantritt.

"Es braucht die absolute Überzeugung, ich würde sogar sagen Arroganz, um mit den Besten mithalten zu können. Daneben braucht der Spieler eine stabile Familiensituation. Ohne intaktes soziales Umfeld wird Talent zur Makulatur", so Knäbel, unter dem viele Talente den Durchbruch schafften. Mit Ricardo Rodriguez, Granit Xhaka und Haris Seferovic schafften drei U-17-Weltmeister von 2009 den dauerhaften Sprung ins A-Team.

Fall Rakitic: "Ein riesiger Verlust"

Der Vater zweier Kinder aber verlor in seiner Zeit auch einige der sogenannten Secondos, in der Schweiz geborene Nachkommen von Einwanderern, an deren Heimatländer. Izet Hajrovic war so ein Fall, vor ihm Ivan Rakitic. "Ein Talent, das uns verloren geht, ist ein riesiger Verlust", so Knäbel damals.

Solche Erfahrungen haben den Sinn für Talente bei Knäbel nachhaltig geschärft. Erfahrungen, von denen sich auch der HSV einen Mehrwert erhofft. Ottmar Hitzfeld, Ex-Nati-Coach, gratulierte via "Hamburger Abendblatt" bereits zur Verpflichtung eines profilierten Sportchefs: "Peter ist ein absoluter Experte, was das Scouting und die Entwicklung von Spielern angeht."

Fast 27 Millionen Euro gab der HSV im Sommer aus. Dagegen sind die kolportierten 150.000 Euro, die der SFV als Abfindung für Knäbel erhalten soll, fast nicht der Rede wert.

Knäbel könnte beim Bundesliga-Dino zum Königstransfer werden, künftig verlorengegangene Talente wie Sidney Sam oder Levin Öztunali effektiver ans Team heranführen und ihnen womöglich eine geile Zeit ermöglichen - wie er sie selbst einst beim Stadtrivalen hatte.

Der Hamburger SV im Überblick

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