Große Klappe, viel dahinter

Von Adrian Franke
Tin Jedvaj wechselte vor der Saison aus Rom zu Bayer
© getty

Tin Jedvaj ist der Shootingstar der noch jungen Bayer-Saison. Der Kroate überzeugte in drei Einsätzen bislang voll und dürfte seinen Platz vorerst gesichert haben. Jedvaj bringt nicht nur großes Selbstvertrauen und Selbstverständnis mit, er lässt seinen Worten auch Taten folgen. Mit dem Wechsel nach Leverkusen haben beide Seiten offenbar alles richtig gemacht, auch weil er schon wertvolle Erfahrungen sammeln konnte.

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Es war eine sinnbildliche Szene im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation gegen den FC Kopenhagen. Jedvaj eroberte gegen die Dänen den Ball in der eigenen Hälfte und leitete gedankenschnell sofort den Gegenangriff ein.

Auch wenn Karim Bellarabi die Situation nicht ausnutzen konnte: Genau das will Bayer-Coach Roger Schmidt in seinem von riskantem Offensivspiel geprägten System von seinen Defensivkräften sehen: "Früh attackieren, schnell nach vorne spielen und ein schneller Abschluss."

Jedvaj vereinbart diese Qualitäten für einen 18-Jährigen erstaunlich gut, der Kroate verkörpert in Grundzügen schon jetzt das Idealbild des modernen Abwehrspielers: Mit gutem Stellungsspiel verteidigt Jedvaj absolut kompromisslos, gleichzeitig kann er das Spiel mit Ball am Fuß kreativ, schnell und taktisch clever aufbauen. Schmidt schwärmte angesichts der Leistungen seines Youngsters weiter: "Er hat großes Potential"

Selbstbewusstsein ohne Arroganz

Doch nicht nur auf dem Platz wirkt Jedvaj weiter als man es von Spielern seines Alters kennt. Für Modemagazine setzt er sich gerne in Szene, seine Meinung hält er nicht zurück und er wirkt extrovertiert, ohne dabei abzuheben. "Bei Dinamo Zagreb habe ich auf drei Positionen gespielt: Zentraler Verteidiger, rechts und im Mittelfeld. Kein Problem für mich", gibt sich der Youngster auch gegenüber den Medien schlicht selbstbewusst.

Allerdings prahlt er nicht, vielmehr ist es ist eine Selbsteinschätzung, mit der er nicht alleine da steht. "Tin hat viele Qualitäten, er kann in der Mitte und auf der rechten Seite spielen", bestätigte sein Roma-Coach Rudi Garcia.

Trotzdem reichte es für den Youngster, der alle kroatischen Junioren-Nationalmannschaften durchlief und bereits im Alter von 17 für die U-21-Auswahl debütierte, nur für zwei Ligaeinsätze in der vergangenen Saison. "Das ist für mich kein Problem. Ich habe viel trainiert. Weltklasse-Spieler wie Totti, De Rossi und Pjanic haben mich unterstützt, das war sehr hilfreich", bleibt er trotzdem seiner betont selbstbewussten Linie treu.

Der große Sprung nach Italien

Womöglich war es aber dennoch ein zu großer Sprung. Jedvaj stand mit 17 erstmals für Zagreb auf dem Platz, nach nur 13 Spielen für die Profis ging er bereits für fünf Millionen Euro nach Rom. Dabei hatte er gerade noch zuhause den Spagat zwischen Profi und Schüler bewältigen müssen, wie er nach seinem ersten Derby gegen Hajduk Split gestand: "Am nächsten Morgen musste ich wieder in die Schule. Meine Klassenkameraden haben aber alle applaudiert, als ich rein kam."

In Kroatien war er bereits ein Star und wurde als "kroatischer Maldini" gefeiert, was dann aber sogar Jedvaj zu weit ging: "Das ist eine Ehre für mich. Aber ich würde gerne beweisen, dass ich Jedvaj bin, und nicht der Erbe von irgendwem. Mein absolutes Vorbild ist Thiago Silva und obwohl die italienische Abwehr-Schule sehr gut ist, bevorzuge ich die brasilianischen und die spanischen Verteidiger."

Doch in Italien war er plötzlich der Neuling, bei einem der größten Klubs des Landes. Trotz seines Selbstverständnisses reagierte er allerdings nicht trotzig auf die geringe Spielpraxis - und zeigte auch hier vielmehr stets Charakter. "Ich bin ein ruhiger Spieler und mit beiden Füßen auf dem Boden. Ich kann auf die richtige Zeit warten, um meine Chance dann zu nutzen", gab er während der Vorsaison zu Protokoll.

"Für junge Spieler ist der Verein ideal"

Diese Gelegenheit bietet sich jetzt bei Bayer. "Tin Jedvaj ist ein großes Talent, das wir schon länger beobachtet haben. Wir hoffen, dass er bei uns den nächsten Schritt machen wird. Er wird für unsere Defensive eine nützliche Unterstützung sein. Wir haben einen weiteren talentierten Youngster verpflichtet", betonte Sportdirektor Rudi Völler, der den Transfer mit seinem Ex-Klub eingefädelt hatte.

Jedvaj selbst weiß zudem: "Für junge Spieler ist der Verein ideal." Der Abwehrmann braucht vor allem Einsätze, um seine Talente weiter zu entwickeln, und die scheint er in Leverkusen zu bekommen. Gegen Borussia Dortmund und beim Hinspiel in Kopenhagen setzte Schmidt ihn als Rechtsverteidiger ein, der neue Bayer-Coach baut auf den Kroaten.

Darüber hinaus tritt Jedavj in berühmte Fußstapfen. Mit den Kovac-Brüdern Niko und Robert, Jurica Vranjes, Marco Babic, Boris Zivkovic und Zoran Mamic hatte Leverkusen schon einige Kroaten in seinen Reihen. Aktuell steht zudem Dario Kresic sowie die des Kroatisch mächtigen Josip Drmic und Emir Spahic in Leverkusen unter Vertrag - die Integration sollte dem Teenager somit leicht fallen.

Legitimer Carvajal-Nachfolger?

Doch damit nicht genug der bekannten Vorgänger: Bereits Leverkusens letzter Youngster rechts in der Viererkette war ein Volltreffer, Daniel Carvajal entwickelte sich bei Bayer zur Stammkraft und zu einem der Shootingstars der Bundesliga, musste nach Ende seiner Leihe aber zurück zu Real Madrid. Das Schicksal droht Bayer bei Jedvaj nicht: Der Kroate wurde mit Kaufoption ausgeliehen.

Bis 2016 ist er in jedem Fall vorerst an Leverkusen gebunden, doch Jedvaj denkt bereits weiter: "Ich hoffe, dass es einige Jahre mehr werden." Geht die Entwicklung des Youngsters wie erhofft weiter, wird Schmidt bis dahin ohnehin nicht mehr an ihm vorbei kommen.

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