"Schuster würde der Liga gut tun"

Roberto Hilbert wechselte vor der Saison von Besiktas zu Bayer Leverkusen
© getty

Vor der Saison kehrte Roberto Hilbert aus der Türkei in die Bundesliga zu Bayer Leverkusen zurück und erlebte in der Werkself Höhen und Tiefen. Im Interview zieht er Bilanz, spricht über die Trainer Roger Schmidt und Bernd Schuster sowie über sein filmisches Engagement gegen Diskriminierung im Sport.

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SPOX: Roberto Hilbert, sind Sie schon in Urlaubsstimmung oder können Sie noch weiterspielen?

Roberto Hilbert: Auf den Urlaub freue ich mich schon, aber wir müssen noch ein bisschen Gas geben, um uns für die Champions League zu qualifizieren. Ab Samstag, 18 Uhr, können wir es dann etwas ruhiger angehen.

SPOX: Bayer Leverkusen erlebte einen teils heftigen Absturz nach Rückrundenstart, rutschte bis auf Platz 5 ab. Jetzt ist am Samstag sogar Platz 3 drin.

Hilbert: Überrascht bin ich nicht. Überrascht waren wir über den Negativlauf in der Rückrunde. Wir hatten überhaupt keine gute Phase, wussten aber immer, dass wir es besser können. Es ist eine große Erleichterung, dass wir die Kurve gekriegt haben in den letzten vier Spielen.

SPOX: Kann man diese Trendwende ausschließlich mit dem Trainerwechsel begründen?

Hilbert: Da kommen ja immer verschiedene Faktoren zusammen. Aber wenn die Ergebnisse nicht stimmen, versucht man, etwas zu ändern, um die Situation zu verbessern. Letztlich war dieser Effekt da, wie die letzten Ergebnisse zeigen.

SPOX: Der Klub, so war zu lesen, will Sami Hyypiä zum Saisonabschluss einladen. Wäre das im Sinne der Mannschaft, ihm noch einmal zu danken?

Hilbert: Das ist der absolut richtige Schritt des Vereins. Sami, aber auch sein Co-Trainer Jan Moritz Lichte, haben hier einen großen Beitrag geleistet. Im positiven Sinne. Wir haben in der Hinrunde sehr gut gespielt, haben unsere Spiele gewonnen und standen auf Platz 2. Irgendwann stimmten dann leider die nackten Ergebnisse nicht mehr.

SPOX: Sein Nachfolger Sascha Lewandowski hat wiederholt bewiesen, dass er das Zeug hat, in der Bundesliga zu arbeiten, geht aber zum zweiten Mal freiwillig den Schritt wieder zurück in die Jugend. Können Sie das nachvollziehen?

Hilbert: Ich habe großen Respekt davor, dass er seiner Linie treu bleibt und sagt: "Mein Hauptaugenmerk gilt der Jugendarbeit!" Jeder, der mit ihm zusammenarbeitet merkt, dass Sascha fachlich ein Top-Mann ist. Schade, dass ein Trainer, der so viel Ahnung hat und auch menschlich hervorragend ist, erst einmal nicht mehr in der Bundesliga zu sehen sein wird. Er könnte auf dieser Ebene dem deutschen Fußball sehr viel geben.

SPOX: Glauben Sie, dass er irgendwann die Lust beziehungsweise die Ambition entwickelt, dauerhaft in der Bundesliga zu arbeiten?

Hilbert: Ich kann das nicht wirklich beurteilen. Aber der Klub hätte vielleicht nicht nein gesagt, wenn er sich bereit erklärt hätte, den Job langfristig zu machen. Vielleicht sagt er sich beim nächsten Mal: Jetzt mache ich es. Klar ist, dass er eine Mannschaft zu großen Erfolgen führen könnte. Da habe ich keine Zweifel.

SPOX: Statt Lewandowski kommt Roger Schmidt, der als großer Newcomer gilt, zu Bayer. Wie ist es für einen Profi, wenn er weiß, wer neuer Trainer wird? Bereitet man sich vor, macht man ein Scouting, wie der neue Mann spielen lässt?

Hilbert: Natürlich diskutiert man in der Mannschaft über den neuen Trainer. Aber momentan ist es nicht wichtig, wer in der neuen Saison hier ist. Wir hatten in den letzten Wochen wichtige Aufgaben zu erledigen und da macht es keinen Sinn, über die Zukunft nachzudenken. Wenn die Saison vorbei ist, werden wir uns mit Roger Schmidt befassen.

SPOX: An Schmidt war auch Eintracht Frankfurt interessiert. Jetzt ist dort Bernd Schuster im Gespräch, den Sie noch aus gemeinsamen Zeiten bei Besiktas kennen. Können Sie ihn der Bundesliga und Eintracht Frankfurt empfehlen?

Hilbert: Absolut! Ich würde mich sogar sehr freuen, wenn ich Bernd Schuster in Deutschland wieder sehen könnte. Alleine schon, weil es Bernd Schuster ist (lacht).

SPOX: Was zeichnet ihn aus?

Hilbert: Er genießt bei mir ein sehr hohes Ansehen. Seine Leistungen als Profi und als Trainer sind unbestritten. Er war bei Real Madrid erfolgreich, er hat bei uns in Istanbul viel dazu beitragen, dass wir den Pokal geholt haben, obwohl er vor dem Finale damals gegangen ist. Fachlich ist er herausragend und menschlich hatte ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Er würde der Bundesliga gut tun.

SPOX: Es heißt, er sei ein sehr schwieriger Typ. Genau dies hat ihn wohl auch bisher ein Engagement in der Bundesliga gekostet. Sie haben dies hiermit widerlegt.

Hilbert: Natürlich ist er eine besondere Persönlichkeit. Bernd Schuster habe ich als Typen kennengelernt, der sich nicht verbiegen lässt. Von niemandem. Er hat in der Türkei gearbeitet und wer die Situation dort kennt, wer die Liga kennt, weiß, dass man sehr viel abbekommt, aber er hat sich nie davon beeinflussen lassen. Ich kann nichts Negatives zu ihm sagen.

SPOX: Schuster wartet noch, Sie haben den Sprung zurück in die Bundesliga geschafft. Wie fällt das Fazit für die Rückkehr aus?

Hilbert: Ich bin nicht gerade zu 100 Prozent zufrieden mit meiner eigenen Saison. Die Hinrunde war für mich enttäuschend, ich habe lange gebraucht, um reinzukommen und um fit zu werden. Zum Ende der Hinrunde bin ich dann mit der Knieverletzung ausgefallen. In der Rückrunde habe ich dann zu Beginn ein paar gute Spiele gemacht, aber viele Dinge liefen dann auch nicht glücklich von meiner Seite. Vielleicht hatte ich in der einen oder anderen Situation kein gutes Handling. Ich weiß, dass ich es besser kann.

SPOX: Beim Thema Unglück kommen wir auch zum Thema Elfmeter. Haben die fünf verschuldeten Elfmeter Ihre Saisonleistung überschattet?

Hilbert: Das ist ein Negativrekord, den kein Mensch braucht. Irgendwann musste ihn einer brechen, ich wäre aber nicht unzufrieden, wenn ich es nicht geschafft hätte. Ich bin da nicht wirklich stolz darauf. Es gab den einen oder anderen Elfmeter, der keiner war. Die Situation gegen Dortmund beispielsweise sieht dann auch zugegeben sehr doof aus. Das war ungeschickt von mir. Wenn wir am Samstag die Champions League erreichen, bleibt das aber hoffentlich nur eine kleine Randnotiz.

SPOX: Ein größeres Thema ist ihr Engagement gegen Diskriminierung im Sport. Mit vielen anderen Profis wirken Sie in der Dokumentation "Wie im falschen Film - Geschichten aus dem Fußball" mit. Worum geht es genau?

Hilbert: Das ist ein 45-minütiger Film, der in Schulen und bei Projekttagen gezeigt werden soll. Wir wollen damit erreichen, dass die Kinder und Jugendliche frühzeitig für das Thema sensibilisiert werden. Darin kommen viele aktive und ehemalige Fußballer zu Wort und schildern ihre ganz persönlichen Erlebnisse. Das ist teilweise schon erschütternd und stimmt sehr nachdenklich. Umso wichtiger ist es, immer wieder auf die Problematik aufmerksam zu machen.

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