"Bayerns Perspektiven sind gigantisch"

Oliver Kahn (r.) und Bastian Schweinsteiger spielten beim FC Bayern noch zusammen
© getty

Oliver Kahn sieht den FC Bayern als Instanz in Europa und vor einer glorreichen Zukunft. Allerdings muss mit Trainer Pep Guardiola eine Grundsatzfrage geklärt werden. Lob gibt es für Matthias Sammer. Außerdem sprach er am Rande einer Werbeveranstaltung des Wettanbieters "tipico" über die WM-Kader-Nominierung und die Reihenfolge der Torhüter.

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Oliver Kahn über...

...die Probleme des FC Bayern seit dem Gewinn der Meisterschaft:

"Die mentale Facette spielt natürlich eine Rolle. Vielleicht haben die Spieler nach der Meisterschaft geglaubt, alles läuft von selbst. Wir müssen weniger arbeiten. Wenn dann Matthias Sammer kommt und auch im Erfolg darauf hinweist, wird er belächelt. Aber er hat Recht. Trotzdem: Seit Thiago nicht mehr da ist, gibt es einen Bruch in der Mannschaft. Es geht ja neben den psychologischen Dingen auch um taktische. Ich habe schon vor der Saison die Frage gestellt: Wie viel Kompromissbereitschaft zeigt Guardiola? Wie viel von seiner Kultur will Guardiola beim FC Bayern einführen, 100 Prozent? Inwieweit ist der Klub bereit, sich darauf einzulassen? Wie weit sind die Spieler bereit, diesen Weg zu gehen? Es wird sicher auch innerhalb der Mannschaft Diskussionen darüber geben. Warum der Bruch stattgefunden hat, müssen die Verantwortlichen nach der Saison analysieren."

...die Kritik an Guardiolas Spielphilosophie:

"Der Ballbesitz darf nicht zum Selbstzweck werden. Aber man darf auch nicht vergessen, der FC Bayern hat es bis zur Meisterschaft perfekt gemacht. Wir haben uns alle an ihrem Fußball erfreut und uns gefragt: Wer soll diese Bayern schlagen? Wenn der FC Bayern so spielt, wie vor der Meisterschaft, dann ist das auch zielführend."

...die Rückendeckung von Rummenigge und die klare Ansage an die Spieler:

"Der Trainer ist die Autoritätsperson. Da spricht überhaupt nichts dagegen, sich so zu positionieren und Guardiola zu hundert Prozent zu vertrauen. Die Spieler haben auch schon gezeigt, dass sie Guardiolas Ideen umsetzen können. Aber irgendwo muss irgendwann etwas passiert sein. Wenn ein Spieler den Weg des Vereins nicht mehr mitgehen will, ist das kein Problem, dann sollte man ihn nicht aufhalten.

...die Kritik an Bastian Schweinsteiger:

"Er ist ein erfahrener und wichtiger Spieler, der schon bei den Profis des FC Bayern spielt, seit er 17 ist. Er hat viele Finals gespielt. Das geht irgendwann an die Substanz, körperlich und auch geistig. Gegen Real hat er in beiden Spielen nicht überzeugt. Man erwartet von ihm, dass er das Tempo verändert, Bälle verteilt und selbst zum Abschluss kommt. Das ist auch sein eigener Anspruch. Wenn er den nicht erfüllen kann, ist er nicht zufrieden."

...die Ansprüche beim FC Bayern:

"Das sind die Geister, die ich rief. Früher waren die Ansprüche gigantisch, heute gibt es kein Wort mehr dafür. Nach einer Triple-Saison im Halbfinale gegen Real Madrid zu scheitern, kann schon mal vorkommen. Das ist kein Problem. Aber es gehört zu den eigenen Ansprüchen des FC Bayern, immer alle Titel gewinnen zu wollen. Wenn es dann nicht klappt, wird es unruhig. Das ist halt so bei diesem Verein und wird sich auch nicht mehr ändern."

...die Aufgeregtheit im Umfeld des FC Bayern:

"Vor einiger Zeit wären wir noch froh gewesen, wenn der FC Bayern über vier Jahre so dominant gewesen wäre in Europa. Sie waren in dieser Zeit drei Mal im Endspiel der Champions League. Die Perspektiven des Vereins sind gigantisch. Man könnte gelassen in die Zukunft blicken."

...den Vergleich mit den Heynckes-Bayern:

"Letzte Saison war eine völlig andere Situation, geprägt vom Schmerz des verlorenen Finale dahoam. Real hat in beiden Spielen entschlossener gewirkt, die Madrilenen wollten mehr. Von Sattheit würde ich bei Bayern nicht sprechen."

...das vorzeitige Abhaken der Bundesliga:

"Im Nachhinein ist immer alles leichter gesagt. Ich habe mich schon über die Aussage Guardiolas gewundert. Aber das ist vielleicht auch eine Kulturfrage, die Spanier gehen damit anders um. Ich bin von der deutschen Mentalität geprägt und mir hat es geholfen, immer unter Spannung zu stehen und den Rhythmus hochzuhalten. Es wäre vielleicht sinnvoll gewesen, weiter einen Wettkampf auszurufen. Wenn man den Motor einmal runtergefahren hat, ist es nicht leicht, ihn wieder anzuwerfen.

...mögliche Kaderumstellungen nach der Saison:

"Das ist doch ein Mega-Luxusproblem. Die Bayern haben auch in der Vergangenheit ihren Kader sukzessive verstärkt, das werden sie auch dieses Mal machen. Ich sehe keinen Handlungsbedarf. Außerdem sollten wir die WM abwarten, da tun sich auch immer wieder Spieler auf, die für den FC Bayern interessant sein könnten. Es ist wichtig, dass man den Spielern das Gefühl gibt: Gemütlich könnt ihr es euch bei uns nicht machen, die Konkurrenz wartet.

...die Bedeutung des Pokalfinals für die Bewertung der Saison:

"Bei den vorgegebenen Zielen ist eine Meisterschaft dann leider nicht mehr viel wert. Das Double wäre sehr wichtig. Das habe ich 1999 erlebt, als wir auch frühzeitig Meister waren und dann das Champions-League- und das Pokal-Finale verloren haben. Beim FC Bayern war es noch nie verkehrt, Druck auf die Mannschaft auszuüben. In der Folge hat man wichtige Spiele dann meistens gewonnen. Matthias Sammer hat ja das Wort von der Kuscheloase eingeworfen - jetzt ist es keine Kuscheloase mehr."

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