"Ich hing der Zeit hinterher"

Christoph Metzelder absolvierte in seiner Karriere 178 Bundesliga- und 47 Länderspiele
© imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: Wie sehr hing die Befürchtung, Fehler zu machen, auch damit zusammen, dass Sie nach Ihrer zweijährigen Verletzungspause dem Ideal hinterher rannten, so gut wie vor der Blessur sein zu müssen?

Metzelder: Ich hing sicherlich der Zeit hinterher, in der ich mit 21 Jahren Meister sowie Vize-Weltmeister geworden bin. Ich dachte auch, dass ich dieses Niveau sofort wieder spielen könne. Deshalb war ich erst einmal erschrocken, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist und alle auf mich gewartet haben. Der Fußball und die Konkurrenz haben sich in den zwei Jahren weiterentwickelt. Ich hatte wirklich Mühe, wieder auf das Leistungsniveau zu kommen. Für mich war es schmerzhaft zu merken, dass ich vielleicht nie mehr in diesen Zustand der Leichtigkeit kommen werde, in dem Dinge fast wie von alleine laufen.

SPOX: Erschrocken war man 2010 auch in Dortmund, als Sie von Real Madrid zum FC Schalke 04 gewechselt sind. Was haben Sie denn mit Ihrer BVB-Vergangenheit im ersten Moment gedacht, als Schalke auf Sie zukam?

Metzelder: Das Kuriose ist, dass sich die Wege von Schalke und mir schon vor diesem Wechsel sehr häufig gekreuzt haben. Ich war dort ein Jahr in der B-Jugend, in der A-Jugend wollten sie mich zurückholen und in meinem ersten Seniorenjahr bei Preußen Münster haben sie mich beobachtet. Ich weiß, dass sich Rudi Assauer bis heute darüber ärgert, dass fünf, sechs Leute damals zu keiner einhelligen Meinung kamen und ich dann nach Dortmund gegangen bin. Auch als 2005 mein Vertrag beim BVB auslief, rief Manager Andreas Müller wieder an.

SPOX: Erst Felix Magath schaffte es, Sie zurück zu holen.

Metzelder: Er kam noch zu Wolfsburger Zeiten zu mir nach Madrid und wir sprachen miteinander. Er ging dann zum S04 und meldete sich erneut. Ich wollte nach meiner Zeit in Spanien zu einem Klub wechseln, bei dem ich sportlich wieder eine wichtige Rolle einnehmen durfte. Und Felix Magath wollte mich unbedingt haben. Das war mir das Risiko wert, auf der einen Seite Gräben aufzureißen und auf der anderen nie zu hundert Prozent anzukommen.

SPOX: Haben Sie sich damals auch Ratschläge eingeholt, ob Sie diesen Schritt wirklich gehen sollen?

Metzelder: Nein, ich habe Entscheidungen dieser Dimension immer allein getroffen. Ich gebe zu, dass ich ein wenig die romantische Vorstellung hatte, es als Kind aus dem Ruhrgebiet doch zu schaffen, mir den Respekt sowohl der Dortmunder als auch der Schalker zu verschaffen.

SPOX: Wie fällt Ihr Fazit im Nachhinein aus, ist Ihnen das gelungen?

Metzelder: Zum Teil. Ich glaube, viele Dortmunder sagen mittlerweile: Schwamm drüber. Und der Großteil der Schalker hat respektiert, dass ich auch für Schalke alles gegeben habe. Außerdem habe ich Raul nach Gelsenkirchen geholt (lacht). Mehr war unter dem Strich auch nicht zu erreichen.

SPOX: Auf Schalke hatten Sie vom Start weg einige Teile der Fanszene gegen sich. Sie waren damals Feindbild sowohl bei den Dortmundern als auch bei den Schalkern.

Metzelder: Ich hatte zwei Dinge unterschätzt, weil ich sie zu diesem Zeitpunkt einfach nicht mehr auf dem Schirm hatte. Das war zum einen die T-Shirt-Aktion nach dem Derbysieg 2007, als wir mit dem BVB den Schalkern die Meisterschaft verdorben haben.

SPOX: Man konnte damals auf den Homepages von Roman Weidenfeller, Sebastian Kehl und Ihnen T-Shirts mit dem Aufdruck "Meister der Herzensbrecher" kaufen...

Metzelder: Keiner von uns hatte das initiiert. Die Web-Agentur, die unsere Homepages betreut hat, ließ diese T-Shirts damals drucken und vertreiben. Wir wussten davon nichts. Daraufhin hieß es: Wir verderben den Schalkern die Meisterschaft und machen uns dann auch noch lustig über sie. Wir haben dann die Verkäufe gestoppt. Das wurde mir nach meinem Wechsel zu Schalke aber zur Last gelegt.

SPOX: Was war die zweite Geschichte?

Metzelder: Es gab ein Shooting für den BVB-Fanartikelkatalog, bei dem Spieler und Anhänger die Rollen gewechselt haben. Dabei wurde ein Bild gemacht, wie ein paar Spieler aus unserem Team in Fanutensilien gehüllt auf der Südtribüne standen. Ich hatte wohl eine Jeans-Kutte der Dortmunder Ultra-Gruppierung "The Unity" an. Das war mein Outfit für das Shooting, ich zog es an, wir machten die Fotos und fertig. Die Schalker Anhänger sagten mir deshalb eine Nähe zu den BVB-Ultras nach.

SPOX: Wie bitter war diese Erfahrung für Sie?

Metzelder: Das hat mich natürlich getroffen, zumal ich in den ersten Spielen für Königsblau auch keine guten Leistungen gezeigt habe. Alles fokussierte sich extrem auf mich. Das war eine harte Zeit. Ich habe aber nie lamentiert, sondern versucht, bessere Leistungen zu bringen.

SPOX: Das erste Aufeinandertreffen für Sie als Schalker mit dem BVB fand gleich am 4. Spieltag statt. Sie fehlten aber wie schon ein paar Tage zuvor in der Champions League wegen muskulären Problemen. Gab es die wirklich?

Metzelder: Ja, die Kernspinaufnahmen zeigten einen Muskelfaserriss.

SPOX: Wie froh waren Sie darüber?

Metzelder: Ganz ehrlich?

SPOX: Klar!

Metzelder: Niemand verletzt sich gerne, aber ich war froh. Das Spiel ging 1:3 verloren und der Unmut hätte sich mit Sicherheit im großen Maße gegen meine Person gerichtet.

Seite 1: Metze über Amateurfußball-Romantik und das Thema "Karriere danach"

Seite 2: Metze über die Eigenheiten des Fußball-Kosmos und fremdbestimmte Spieler

Seite 3: Metze über die Brisanz des Schalke-Wechsels und eine dankbare Verletzung

Artikel und Videos zum Thema