"Das Iron-Manni hat mich genervt"

Sven Bender bestritt mit seinem Bruder Lars ein Länderspiel in Wembley - und gewann
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SPOX: Weshalb machen Sie das?

Bender: Wenn ich das Gefühl habe, dass ich kann, dann mache ich das und spiele. Wenn ich spüre, dass es funktioniert, dann versuche ich es auch. Es war eben so, dass das Gefühl relativ oft gut war (lacht). Ich möchte mir letztlich keinen Vorwurf machen, wenn es doch hätte gehen können. Ich will jedes Fußballspiel genießen und mitnehmen. Dafür lebe ich.

SPOX: Besteht für Sie die Gefahr, zu sehr auf den körperbetonten Aspekt reduziert zu werden?

Bender: Nein, denn nur mit Einsatz, Kampf und Draufhauen funktioniert es ja auch nicht. Es ist ein breites Spektrum an Fähigkeiten, das jeder Bundesliga-Spieler mitbringen muss. Ich habe mich beim BVB auf jeden Fall fußballerisch weiterentwickelt, aber ich komme eben schon immer über den Einsatz und das Gewinnen von Zweikämpfen. Trotzdem darf das Fußballerische natürlich nicht darunter leiden, ich muss mich ja auch ins Offensivspiel einschalten. Meine Weiterentwicklung in diesem Bereich ist jedoch noch lange nicht abgeschlossen.

SPOX: Nachdem Nuri Sahin die Borussia verließ, agierten Sie als Sechser deutlich offensiver und drangen in Bereiche des Spielfelds vor, die früher noch tabu für Sie waren. Wie sieht Ihre Rolle jetzt aus?

Bender: Meine grundsätzliche Aufgabe ist es, Nuri und die gesamte Offensive abzusichern. Die Jungs vor mir müssen sich sicher sein können, dass dies immer der Fall ist. Damit halte ich das Team auf eine gewisse Weise zusammen. Ich muss clever agieren und stehen, um die Räume zustellen.

SPOX: Und im Verbund mit Sahin?

Bender: Die Abläufe sind dank der hinzugewonnenen Erfahrung mittlerweile noch klarer, das Verständnis noch blinder und automatisierter geworden. Nuri hat durch die Auslandserfahrung einen großen Schritt gemacht. Dass wir älter und erfahrener geworden sind, kommt uns jetzt bei unserem Zusammenspiel zugute. Die Rollenverteilung zwischen uns ist vollkommen verinnerlicht.

SPOX: Bei Thomas Müller vom FC Bayern wird häufig vom Raumdeuter gesprochen, der sich immer wieder vorausschauend in Zonen schleicht, in denen er auch schwer zu stellen ist. Inwiefern gilt das auch für einen Sechser?

Bender: Ich muss in meinem Bereich auch intuitiv wissen, wie sich eine Spielsituation weiterentwickeln könnte und entscheidende Bereiche des Feldes besetzen, um Gegenstöße des Gegners so früh wie möglich zu unterbinden. Das kriegt man über das Training sowie die Spiele rein. Je erfahrener man ist, desto leichter fällt es einem, diese Situationen innerhalb unseres Spielsystems zu deuten. Das ist eine Mischung aus Intuition und natürlichem Spielverständnis.

SPOX: Wieso konnte der BVB dieses kollektive Jagen nach Bällen in der Hinrunde häufig nicht effizient genug umsetzen?

Bender: Schwer zu sagen. Wir haben einen sehr guten Start hingelegt. Danach hatten wir einige Spiele, die verloren wurden, obwohl gar nicht so viel verkehrt lief.

SPOX: Das beste Beispiel war die Niederlage bei Borussia Mönchengladbach.

Bender: Genau. Das war 80 Minuten lang überragend von uns. Die Gladbacher wussten an dem Tag nicht, wo oben und unten ist, weil wir sie überrannt haben. Und dennoch haben wir verloren. Dann suchst Du natürlich nach Erklärungen.

SPOX: Was kam bei der Suche heraus?

Bender: Es war unsere eigene Schuld, weil wir in den entscheidenden Augenblicken einfach nicht gallig genug waren. Der Sieg war für uns gemacht, nicht für Gladbach. Die haben ihn geschenkt bekommen, weil wir fahrlässig und leichtsinnig agiert haben. Wir müssen nun wieder den letzten Punch auf den Platz bringen, um solche Partien zu gewinnen. Dann werden wir auch nicht mehr darüber reden müssen, was verkehrt lief. Den perfekten Fußball gibt es nicht. Man kann aber versuchen, sich der Perfektion anzunähern.

SPOX: Es fehlen also nur ein paar Prozent?

Bender: Es gab auch Spiele, die wir unglücklich verloren haben, weil wir in Rückstand geraten sind und sich deshalb die Situation stark veränderte. Gegen die Bayern haben wir beispielsweise ein sehr gutes Spiel gemacht. Da können wir in Führung gehen, bekommen dann allerdings das Gegentor, mit dem sich das komplette Spiel gedreht hat. Wir haben damals lange Zeit eine Menge richtig gemacht. Das ist dann mehr eine Sache des Spielverlaufs als etwa der falschen Einstellung.

SPOX: In manchen Partien war allerdings auch die Gier der Vorjahre nicht zu spüren.

Bender: Ja, wir haben sicherlich auch manches Mal den Hunger auf Erfolg vermissen lassen. In diesen Spielen wurden wir dann auch immer gleich bitter bestraft. Davon dürfen wir uns jetzt aber nicht runterziehen lassen, sondern müssen auf die vielen guten Momente aufbauen, die wir in der Hinrunde zweifelsohne auch hatten. Wir müssen das, was uns in den Jahren zuvor ausgezeichnet hat, wieder auf den Platz bringen. Die Gier steckt weiterhin in uns. Wenn man dann einmal einen schwächeren Tag erwischt, aber trotzdem bis zum Ende Gas gibt, fährt man eben auch mal einen dreckigen Sieg ein. Davon hatten wir in der Hinrunde keinen einzigen.

SPOX: Wie sehr hat das auf die Stimmung in der Mannschaft gedrückt?

Bender: Wir sind ein eingeschworener Haufen und sehr gefestigt. Die Sinne sind nun geschärft. Unser Anspruch ist es, einfach weiter oben zu stehen, weil wir geile Kicker in unseren Reihen haben. Wir sind Vierter, aber haben noch alle Möglichkeiten. Es liegt an uns.

SPOX: Viele sprachen vor dem Start der Vorbereitung auf die Rückrunde von einem Paradigmenwechsel in Dortmund. Sehen Sie dafür eine Notwendigkeit?

Bender: Nein, das ist übertrieben. Es gibt keinen Neustart. Das würde ja bedeuten, dass bislang so gut wie gar nichts geklappt hat. Wir wissen, wie es funktioniert und haben das auch bewiesen - nur eben nicht in allen Spielen. Wenn wieder alle verstehen, dass wir unseren Plan mit der vollen Überzeugung durchziehen müssen, dann ist mir nicht bange.

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