"Ich möchte immer noch Stürmer sein"

Mitch Langerak kam nach dem Abgang von Routinier Marc Ziegler im Juli 2010 zum BVB
© getty

Mitch Langerak spielt seine vierte Saison bei Borussia Dortmund, ist beim BVB aber weiterhin Ersatztorhüter hinter Roman Weidenfeller. Der 25-Jährige über seine Jugend am australischen Strand, das Schicksal eines Torhüters und einen Anruf mitten in der Nacht.

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SPOX: Herr Langerak, der Fußball in Australien ist in der Vergangenheit immer populärer geworden. Es gibt aber weiterhin eine Vielzahl an Sportarten wie beispielsweise Cricket, die mit dem Fußball konkurrieren. Wie sind Sie denn überhaupt zum Soccer gekommen?

Mitch Langerak: In der Gegend, in der ich aufwuchs, hat jeder Rugby gespielt - einschließlich mir. Fußball war nicht besonders beliebt. Ich weiß auch nicht wieso, aber ich habe Fußball schon immer gemocht. Ich war der einzige Fußballer meines Dorfes und habe ständig für mich alleine gespielt. Es gab zunächst einfach kein Team, dem ich mich hätte anschließen können.

SPOX: Haben Sie neben Rugby und Fußball noch andere Sportarten ausprobiert?

Langerak: Natürlich, ich habe alles versucht. Fußball war zunächst gar nicht meine Nummer eins. Am häufigsten habe ich Cricket gespielt. Ich bin auch gesurft und auch zum Schwimm-Training gegangen.

SPOX: Und irgendwann wurde dann endlich ein Fußball-Team gegründet?

Langerak: Genau, da war ich dann acht Jahre alt. Das war aber alles andere als intensiv. Wir hatten mittwochs Training und nur alle vier Wochen ein Spiel. Das waren die besten Samstage, die es für mich gab. Ab dann ging es so richtig mit Fußball los.

SPOX: Sie sind letztlich in einem verschlafenen Nest an der Küste namens Bundaberg aufgewachsen. Was ging dort ab?

Langerak: Ich hing ständig am Strand herum, manchmal sogar noch vor der Schule. Nach der Schule wurde dann meistens gekickt. Sobald die Möglichkeit bestand, am Strand zu sein, haben das meine Kumpels und ich wahrgenommen. Wir haben dort ganze Wochenenden verbracht und Sport getrieben. Einfach nur am Strand zu chillen war nicht unser Ding. Ich traf in Bundaberg übrigens zum ersten Mal Deutsche, da es viele Backpacker dorthin verschlug.

SPOX: Ihre ersten Gehversuche als Fußballer absolvierten Sie noch als Stürmer, erst als 12-Jähriger sind Sie ins Tor gerückt. Wieso eigentlich, die meisten Kinder wollen doch lieber im Angriff oder zumindest im Feld spielen?

Langerak: Ich möchte immer noch Stürmer sein, daran hat sich seit meiner Kindheit nichts geändert (lacht). Anfangs wollte ich eben wie alle anderen derjenige sein, der die meisten Buden macht. Als Stürmer merkte ich mit der Zeit, dass ich häufig in die Bälle hineingesprungen bin und daran eine große Freude hatte. Mir tat es auch nicht weh, wenn ich dann auf dem Boden landete. Wenig später stand ich im Tor. Daraufhin entdeckte man mich und ich spielte in einer Auswahlmannschaft.

SPOX: Wie haben Sie damals zu Ihrer Jugendzeit eigentlich professionellen Fußball verfolgt?

Langerak: Es ist nicht schwer, die Partien der europäischen Spitzenteams in Australien anzuschauen. Ich habe das getan, seit ich zehn war. Vier oder fünf meiner Kumpels waren zusammen mit mir wirklich fußballverrückt. Wir haben uns ständig bei einem der Jungs zuhause getroffen und sind um vier Uhr morgens aufgestanden, um die Champions-League-Spiele zu schauen. Danach ging es direkt in die Schule. So machen es meine Eltern und Freunde übrigens immer noch, wenn der BVB spielt.

SPOX: Mit 17 sind Sie im Zuge Ihres Wechsel zu Melbourne Victory dann erstmals in eine Großstadt gezogen. Wie groß war der Schock?

Langerak: Ich war im Vorfeld schon unsicher, ob ich als relaxter Kerl aus der Kleinstadt die Umstellung bewältigen würde. Ich hatte ja keine Ahnung, wie es dort zugehen wird. Die Befürchtungen waren aber schnell für die Tonne. Nach etwas mehr als einer Woche habe ich mich in Melbourne richtig wohl gefühlt. Ich verstand mich mit meinen Teamkollegen sofort wunderbar und hatte dort drei richtig tolle Jahre. Melbourne ist mittlerweile mein zweites Zuhause geworden.

SPOX: Nach diesen drei Jahren wechselten Sie zum BVB. Wie lief es damals ab, als Sie vom Interesse der Dortmunder hörten?

Langerak: Mein Berater hat gute Verbindungen zu einem Berater in Deutschland. So kam überhaupt erst der Kontakt zustande. Ich habe dann aus dem Nichts mitten in der Nacht, es war 2 oder 3 Uhr morgens, einen Anruf meines Beraters bekommen. Ich war schon halb eingeschlafen, aber er rief aus Deutschland an und ihm war die Zeitumstellung wohl egal. Er meinte, dass Dortmund viele Videos von mir gesehen und Interesse habe.

SPOX: Wie haben Sie reagiert?

Langerak: Ich war ja im Halbschlaf und das Telefonat dauerte nicht lange. Ich habe im Grunde nur ein paar Mal "Ja, alles klar, cool" gesagt und aufgelegt. Als ich dann morgens aufgewacht bin, erinnerte ich mich unscharf daran und dachte nur: Ist das jetzt wirklich passiert? Ich habe dann tatsächlich auf mein Handy schauen müssen und konnte sehen, dass ich wirklich mitten in der Nacht einen Anruf angenommen habe. Ich rief trotzdem sofort zurück und ließ mir das noch einmal bestätigen.

SPOX: Gab es für Sie zuvor bereits Möglichkeiten, nach Europa zu wechseln?

Langerak: Das schon, aber es war einfach noch zu früh und für mich nicht der richtige Zeitpunkt, um die Zelte schon abzubrechen. Erst als ich vom Dortmunder Interesse hörte, war für mich klar, dass ich alles unternehmen werde, um zum BVB zu wechseln. Ich bin ja beinahe ausgeflippt (lacht).

SPOX: Es war nicht so einfach für die Borussia, Sie aus Melbourne loszueisen.

Langerak: Ja, es hat letztlich zwischen vier und acht Wochen gedauert, bis der Deal in trockenen Tüchern war. Es bedurfte einiger intensiver Gespräche zwischen den Klubs sowie zwischen meinem Berater, mir und Melbourne. Ich habe mich auch selbst darum bemüht, bin auf Präsident, Sportdirektor und Trainer zugegangen und habe ihnen meine Beweggründe geschildert. Ich liebte es in Melbourne, aber bei einem der größten europäischen Klubs zu unterschreiben, war eine einzigartige Gelegenheit für mich. Die konnte ich unmöglich verstreichen lassen.

SPOX: Melbourne liegt über 16.000 Kilometer Luftlinie von Dortmund entfernt. Sie sind zunächst ganz allein nach Deutschland gekommen. Fühlten Sie sich anfangs sehr einsam?

Langerak: Es war natürlich eine vollkommen andere Welt für mich, in vielerlei Hinsicht. Mein Glück war, dass es kurz nach meiner Ankunft sofort ins Trainingslager ging. Dort wurde ich von der täglichen Arbeit einerseits abgelenkt, andererseits konnte ich mich so Schritt für Schritt an die neue Umgebung gewöhnen.

SPOX: Es gab ja aber auch eine Zeit nach dem Training.

Langerak: Klar, das war etwas anderes und blieb erst einmal richtig ungewöhnlich. Es dauerte sicherlich länger, bis es sich anders anfühlte, nach dem Training nach Hause zu kommen und dort nur Stille vorzufinden. Ich lebte damals auch noch in einem ziemlich ruhigen Teil von Dortmund. Das war durchaus nicht einfach für mich, ich war das aus Australien natürlich überhaupt nicht gewohnt. Mittlerweile wohnt meine Freundin bei mir und es könnte uns kaum besser gehen.

SPOX: Wie lief es mit den täglichen Erledigungen?

Langerak: Das war anfangs auch nicht leicht. Ich konnte den Großteil meiner Post nicht lesen und war zunächst auch im Supermarkt überfordert, weil ich ja nicht wusste, wie die Lebensmittel heißen, wo sie zu finden sind und so weiter. Bananen habe ich aber problemlos finden können (lacht).

SPOX: Ihre erste Begegnung mit Schnee?

Langerak: Das erste Mal war eine völlig verrückte Erfahrung, das kann man einem Europäer kaum beschreiben. Einmal hat es vor dem Training geschneit, so dass die Oberfläche des Rasens ganz leicht mit Schnee bedeckt war. Ich war damals felsenfest davon überzeugt, dass das Training auf jeden Fall abgesagt wird. Es lag ja Schnee auf dem Feld (lacht). Das ist echt abgefahren, wenn ich jetzt daran zurückdenke.

Seite 1: Langerak über Wochenenden am Strand, Stille in Dortmund und DEN Anruf

Seite 2: Langerak über "Australier" Reus, Torhüter-Schicksal und die Liebe zum BVB

Mitch Langerak im Steckbrief

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