Der Vor-Vorlagengeber

Toni Kroos (r.) ist bei Pep Guardiola in der Startelf des FC Bayern gesetzt
© getty

Toni Kroos gehörte auch in der Vorsaison schon zu den Leistungsträgern beim FC Bayern. Trotzdem wurde seine Zukunft unter Pep Guardiola in Frage gestellt. Im neuen System ist Kroos noch prägender als in der Zeit unter Jupp Heynckes.

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Arjen Robben nahm den Ball mit der Brust gegen die Laufrichtung seines Gegenspielers mit, legt sich den Ball noch einmal vor und hämmerte ihn dann hoch ins kurze Eck. Das 2:0 gegen Eintracht Braunschweig war vielleicht ein klassischer Robben, aber es war zu großem Teil auch ein klassischer Toni Kroos.

Der Mittelfeldspieler hatte den punktgenauen Diagonalball über 40 Meter auf Robben gespielt und damit den Treffer ebenso herrlich vorbereitet wie Mario Götze mit seinem Heber über die Abwehr vor dem 1:0. Die Statistiker notierten den erst zweiten Assist für Kroos in der laufenden Bundesligasaison.

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Wichtige Pässe, kaum Assists

Kein herausragender Wert für einen offensiven Mittelfeldspieler in 14 Bundesligaspielen (vier in allen Wettbewerben), noch dazu in einer Mannschaft, die zu den torgefährlichsten der Liga gehört. Die Statistik auf erster Ebene kann die Wichtigkeit von Kroos für das Offensivspiel der Münchner aber schlicht und ergreifend nicht belegen.

Kroos ist beim FC Bayern nicht der Spieler für den letzten Pass, er ist der Spieler für den vorletzten Pass. Der Vor-Vorlagengeber sozusagen. Es sind Pässe wie der Ball in die Tiefe in Moskau vor dem Führungstreffer von Arjen Robben auf Thomas Müller, die Kroos so wertvoll machen und ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Nur tauchen diese Zuspiele in keiner Statistik auf.

Präsenz und Passgenauigkeit

Ein weiterer Vorwurf, dem sich Kroos immer wieder stellen muss: er macht zu wenig Tore. Auch in dieser Saison steht er bei einem Treffer (beim 1:1 in Leverkusen) in wettbewerbsübergreifend 23 Partien.

Um mehr Treffer zu erzielen, "müsste ich mein Spiel vielleicht einen Tick egoistischer gestalten", sagte Kroos neulich dem "Kicker". "Aber ich definiere mein Spiel nicht über die Torgefährlichkeit, sondern mehr über meine Präsenz und Passgenauigkeit."

Kroos ist kein Sprinter und Dribbler wie Franck Ribery oder seine Nationalmannschaftskollegen Marco Reus und Andre Schürrle. Er ist ein Passspieler. Ein Typ, der ein Spiel gestalten, verlagern und kontrollieren kann.

Wie gemacht für Guardiola

Alles Eigenschaften, die perfekt zum Anforderungsprofil von Trainer Pep Guardiola und dessen Vorstellung von Fußball passen. Umso erstaunlicher waren die Diskussionen, die vor der Saison rund um den 23-Jährigen kreisten.

Kroos' Position im Team wurde von diversen Experten immer wieder in Frage gestellt, auch weil mit Mario Götze und Thiago Alcantara zwei weitere Mittelfeldspieler verpflichtet wurden und Kroos in den titelbringenden Spielen der Vorsaison wegen seiner Muskelverletzung nicht auf dem Platz stand.

Rückschlag durch Verletzung

Im Viertelfinal-Hinspiel gegen Juventus Turin riss ein Muskelbündel im Oberschenkel. Der bis dahin im System von Jupp Heynckes auf der Zehn gesetzte Kroos kam daraufhin nicht mehr zum Einsatz. Robben übernahm seinen Platz und wurde zum Matchwinner in Wembley.

Doch Kroos wusste durch viele Gespräche mit der sportlichen Führung über seine wirkliche Rolle Bescheid, die Diskussion in der Öffentlichkeit ging von Beginn an am Kern der Sache vorbei.

"Da hatte ich das Gefühl, dass ich und meine Leistungen, die ich bis zu meiner Verletzung Anfang April gebracht hatte, vergessen waren", sagte Kroos. "Es wurde der Eindruck vermittelt: Das wird nichts mehr mit Kroos. Aber auch von Jupp Heynckes wurde mir nichts geschenkt."

Beeindruckende Statistiken

Kroos' Rolle hat sich im Vergleich zur Zeit unter Heynckes etwas verändert, auch er selbst hat in seiner Entwicklung nochmal einen Schritt nach vorne gemacht. Durch die Abkehr von der Doppelsechs mit Javi Martinez und Bastian Schweinsteiger kommt Kroos noch öfter in Ballbesitz.

Auf 98 Ballkontakte bringt er es laut Opta im Schnitt in dieser Spielzeit pro 90 Minuten, 77 waren es in der Vorsaison. Insgesamt hat er in der Bundesliga schon 904 Pässe gespielt, das sind 83,5 im Schnitt. Im Jahr zuvor passte er in 24 Spielen 1266 Mal, ein Schnitt von 59,2 Pässen pro Partie.

Seine schon in der letzten Saison herausragenden Passquoten (insgesamt: 89,7 Prozent, eigene Hälfte 95,8 Prozent, gegnerische Hälfte 87 Prozent) hat er noch einmal nach oben geschraubt (insgesamt: 91,7 Prozent, eigene Hälfte 97,4 Prozent, gegnerische Hälfte 88,9 Prozent). Dabei spielen nur vier Mittelfeldspieler mehr lange Pässe als Kroos (Xhaka, Hosogai, Gentner, Geis).

Noch eindrucksvoller: Seine Passquote im letzten Drittel (84,9 Prozent) wird von keinem Spieler mit vergleichbaren Einsatzzeiten und Positionen auch nur annähernd erreicht.

Neuer Vertrag in Kürze?

Auch in der Nationalmannschaft sind Kroos' Qualitäten in letzter Zeit immer öfter gefragt, wobei ihm natürlich auch verletzungsbedingte Ausfälle in die Karten spielten. Er war der einzige Spieler, der beide Testspiele gegen Italien und England über 90 Minuten bestritt.

Bei der EM 2012 vertraute Bundestrainer Joachim Löw aber auf der zentralen Mittelfeldpositionen anderen Spielern, Kroos kam meistens von der Bank, durfte erst im Halbfinale gegen Italien von Beginn an ran, wurde da aber Opfer von Löws missglückter Taktik.

Unter Guardiola ist Kroos weiterhin gesetzt und ein wichtiger Bestandteil für die weitere Entwicklung in den nächsten Jahren. Deshalb wollen die Bayern seinen am 30. Juni 2015 auslaufenden Vertrag auch verlängern, auch Kroos ist an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert. Die Unterschrift ist nur noch eine Frage der Zeit. Wie schnell sich diese allerdings lösen lässt, haben die Bayern kürzlich bei David Alaba gezeigt.

Toni Kroos im Steckbrief