"Auch ein Führungsspieler lernt jeden Tag"

Von Interview: Stefan Rommel
Naldo wechselte von Werder Bremen zum VfL Wolfsburg
© getty

Naldo ist beim VfL Wolfsburg unter Trainer Dieter Hecking zu einer tragenden Säule im Team gereift. Der 31-Jährige spricht im Interview über seine neuen Aufgaben, seine Chancen auf die WM im eigenen Land und die Tücken des deutschen Einbürgerungstests.

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SPOX: Naldo, zunächst ein Kompliment: Ihr Deutsch ist mittlerweile sehr gut. Nehmen Sie immer noch Unterricht?

Naldo: Vielen Dank. Aber Unterricht nehme ich nicht mehr. Das habe ich mir jetzt alles im täglichen Leben abgeschaut, in den Gesprächen mit den Mitspielern. Und mit meiner Frau unterhalte ich mich auch viel auf deutsch. Und ich lerne nebenzu auch noch Vokabeln. Ich will den deutschen Pass und für die Prüfungen muss ich fit sein.

SPOX: Wie sieht der klassische Einbürgerungstest aus?

Naldo: Man muss mindestens acht Jahre in Deutschland leben, um sich anmelden zu können. Dann brauche ich das Zertifikat B1, das ist ein Sprachtest. Und dann kann ich mich für die Prüfungen anmelden. Da warten 300 Fragen im Multiple-Choice-Verfahren aus allen möglichen Themengebieten, Politik, Wirtschaft, Geschichte und so weiter. Das ist alles gar nicht so einfach.

SPOX: In Ihrem eigentlichen Beruf läuft es ganz gut. Oder wie würden Sie den Saisonstart mit dem VfL Wolfsburg einordnen?

Naldo: Ich finde, dass wir gut gestartet sind. Die Punktausbeute belegt das vielleicht nicht so, sechs Punkte nach vier Spielen sind nicht so viel. Aber in Hannover waren wir nach zwei Platzverweisen in Unterzahl und in Mainz haben wir auch gut gespielt - besonders in der ersten Halbzeit - und dann eher unglücklich verloren. Da müssen wir cleverer sein, aus unseren zwei oder drei Chancen auch mal ein Tor machen. Das müssen wir uns vorwerfen. Aber alles in allem ist die Mannschaft auf einem sehr guten Weg nach den Turbulenzen zuletzt. Wir haben daraus sehr viel gelernt.

SPOX: Welchen Leistungsstand hat Wolfsburg zu dem Zeitpunkt der Saison denn schon erreicht?

Naldo: Ich denke, wir stehen bei 70, vielleicht 80 Prozent. Da ist schon noch einiges an Luft nach oben. Besonders in der Defensive müssen wir uns geschickter anstellen. Mal ein kleines Foul hier oder das Spiel verzögern, um sich besser stellen zu können. Kleinigkeiten, die am Ende aber den Ausschlag geben. Wie in Mainz, da darf das zweite Gegentor nach einem Konter nie im Leben so fallen.

SPOX: Welche Rolle nehmen Sie mittlerweile in der Hierarchie der Mannschaft ein?

Naldo: Der Trainer hat mir immer gesagt, dass ich ein Führungsspieler bin. Ich soll auf und neben dem Platz immer viel reden. Gerade mit den jungen Spielern, denen tut das richtig gut, wenn sich ein Älterer um sie kümmert. Dafür benötige ich aber die Sprache. Auch deshalb habe ich hart daran gearbeitet, mein Deutsch zu verbessern. Ich will die Jungen anleiten und ihnen Ratschläge geben, so gut ich das kann. Ich fühle mich in dieser Rolle auch sehr wohl.

SPOX: Kommt Ihnen dann die Gegenseite auch wieder bekannt vor? Schließlich waren Sie vor acht Jahren auch ein junger Spieler in einer fremden Liga, der Zuspruch gebraucht hat.

Naldo: Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ohne Kontakt auch außerhalb des Platzes wird man schnell einsam. Da müssen die älteren Spieler reagieren, wenn sie so etwas bemerken. Das sehe ich jetzt auch als meine Aufgabe an. Ein Gespür dafür zu haben, ob ein anderer Spieler eine schwierige Phase durchmacht und dann auf ihn zuzugehen.

SPOX: Ist diese Interaktion für Sie trotz Ihres fortgeschrittenen Alters auch noch ein wenig Neuland?

Naldo: Ich habe schnell bemerkt, dass auch ein Führungsspieler jeden Tag lernt. Wer als erfahrener Spieler denkt, er wisse alles, liegt völlig falsch. Ich kann auch von den Jungen jede Menge lernen.

SPOX: Stimmt die Chemie innerhalb der Gruppe jetzt besser als letzte Saison?

Naldo: Auf jeden Fall. Wir passen super zusammen und verstehen uns untereinander sehr gut. Der Mix aus jungen und erfahrenen Spielern ist jetzt besser, Klaus Allofs und Dieter Hecking haben da einen tollen Job gemacht in der Zusammenstellung.

SPOX: Was ist mit dem VfL Wolfsburg in dieser Saison möglich?

Naldo: Ich antworte diplomatisch: Wir wollen das Schritt für Schritt angehen. Unser Ziel ist immer das nächste Wochenende. Jetzt spielen wir zum Beispiel gegen Leverkusen. Ein wichtiges Spiel: Gewinnen wir, dann springen wir ein bisschen nach oben und sind dann da mit dabei. Verlieren wir, stecken wir erstmal unten ein wenig fest und der Start mit dann sechs Punkten aus fünf Spielen wäre gleich wieder schlecht. Wir denken nicht an die Europa League oder an die Champions League. Das ist schon oft schief gegangen. Wir fahren mit einer defensiveren Denkweise besser.

SPOX: Brasilien hat Australien am Samstag 6:0 vom Platz gefegt. Sie waren zeitgleich in Bremen bei Thorsten Frings' Abschiedsspiel. Haben Sie noch Chancen auf die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr?

Naldo: Ich war jetzt zwar länger nicht mehr bei der Selecao dabei. Und trotzdem denke ich, dass ich auf einem sehr guten Weg bin. Ich will nächstes Jahr unbedingt dabei sein und dafür greife ich an. Wenn es in Wolfsburg gut läuft, bekomme ich noch eine Chance. Da bin ich mir sicher.

SPOX: Sie wirken sehr optimistisch.

Naldo: Warum auch nicht? Ich habe gehört, dass drei Innenverteidiger bei Luiz Felipe Scoalri gesetzt sind: Dante, Thiago Silva und David Luiz. Also ist doch noch ein Platz frei. Und den will ich mir greifen.

SPOX: Haben Sie denn aktuell Kontakt zum Nationaltrainer?

Naldo: Nein. Wenn er das nächste Mal die Mannschaft nominiert und mich brauchen sollte, wird er sich im Vorfeld bei mir melden.

SPOX: Bekommen Sie in Deutschland mit, wie sich die Stimmung in Brasilien gedreht hat, gerade auch nach dem Gewinn des Confed Cups?

Naldo: Der Trainerwechsel von Mano Menezes zu Scolari war elementar wichtig. Plötzlich ist die Stimmung wieder ins Positive gekippt. Dabei gab es viel Ärger und Zweifel. Der Glaube ist wieder da. Der Triumph im Confed Cup gegen Spanien hat das noch unterstrichen. Und ich bin mir sicher, dass Brasilien rechtzeitig zur WM noch besser sein wird.

SPOX: Mit Ihnen.

Naldo: Klar, mit mir.

SPOX: Und wenn Sie doch nicht dabei sein sollten?

Naldo: Dann fliege ich in mein Haus nach Brasilien, lege mich aufs Sofa und schaue die Spiele im TV an.

Naldo im Steckbrief