Mit Köpfchen durchs Nadelöhr

Der FC Bayern feierte auf Schalke einen beeindruckenden 4:0-Sieg
© getty

Die Spiele gegen Moskau und Schalke haben endgültig gezeigt, wie sich Pep Guardiola das Spiel des FC Bayern vorstellt. Es ist die Abkehr von prägenden Stärken der Vergangenheit. (DFB-Pokal FC Bayern - Hannover 96, Mi., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER).

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Als Pep Guardiola auf seiner ersten Pressekonferenz als Trainer des FC Bayern vorgestellt wurde, erklärte er seine Vorstellung von Fußball entwaffnend einfach. "Ich liebe es anzugreifen." Ein paar Tage später im Trainingslager am Gardasee fügte er hinzu: "Ich mag es nicht, wenn der Gegner den Ball hat."

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Rund drei Monate später haben die ersten Spiele der neuen Saison gezeigt, was sich hinter den Aussagen von Guardiola versteckt. Vor allem in den Partien gegen ZSKA Moskau (3:0) und Schalke 04 (4:0) kam der FC Bayern den Vorstellungen seines Trainers nahe.

Guardiolas erste Lehren

Die Bayern dominierten die Spiele gegen zwei Champions-League-Teilnehmer nach Belieben. "Sie waren unglaublich laufstark, auch das Positionsspiel hat geklappt", analysierte Ottmar Hitzfeld bei "Sky" den Sieg über Schalke. "Das Pressing war fantastisch. Wenn sie den Ball verloren hatten, haben sie ihn direkt wieder erobert."

Guardiola hat aus den ersten Spielen in Deutschland seine Lehren gezogen. Das Spiel ist anders als in Spanien, die Gegner verteidigen kompakter und aggressiver. "Ich habe gemerkt, dass man hier in Deutschland die Konter kontrollieren muss. Das ist das Wichtigste. Wir müssen mit Kontrolle und Ballbesitz spielen", sagt Guardiola.

Der Ball muss durch die Mitte

Kontrolle und Ballbesitz sind Schlagwörter, die die Bayern noch aus ihrer Zeit unter Louis van Gaal bestens kennen. Unter Jupp Heynckes wurde die Dominanz durch Ballbesitz etwas zurückgefahren, Balleroberung und schnelles Umschalten rückten in den Mittelpunkt.

Guardiola ist gerade dabei, seine eigene Idee auf die Mannschaft zu übertragen und damit eine Symbiose beider Spielstile zu vollziehen. Der entscheidende Bereich ist dabei das Zentrum des Spielfelds. Hier sieht Guardiola den optimalen Bereich, um die Gegner zu packen und zu dominieren.

"Um gut anzugreifen, ist es wichtig: Bevor der Ball in den Sechzehner kommt, muss er in die Mitte", sagt Guardiola und beschreibt damit die Abkehr von der bisher gewöhnlichen Erfolgsformel, die Gegner über die Außen zu knacken. Die Bayern wollen jetzt durchs Nadelöhr.

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Beste Flügelzange Europas? Abgeschafft!

Es sind nicht mehr die starken Außenbahnen, die den Erfolg der Münchner sichern sollen. Die als beste Flügelzange Europas beschriebene Besetzung mit Franck Ribery und Arjen Robben wird in Teilen aufgelöst. Beide sollen im Zentrum mehr am Spiel teilnehmen und nicht ständig an der Außenlinie kleben und dann ins Eins-gegen-eins gehen.

Auch die Pärchen auf den Außenbahnen Alaba/Ribery und Lahm/Robben hat Guardiola abgeschafft. Das klassische Hinterlaufen findet nicht mehr statt. Auch das ist eine Anlehnung an van Gaals Ideen, die er erst bei Ajax Amsterdam und später beim FC Barcelona umsetzte.

Der Weg nach Außen soll nicht an der Linie gesucht werden, sondern übers Zentrum. Am besten zu sehen bei Alabas Lauf vor dem 2:0 auf Schalke.

Keine Pärchen auf Außen

Bei den Bayern gibt es keine Paarbildung mehr auf der Außenbahn, nur noch ein Spieler postiert sich an der Linie und gibt dem Spiel Breite. Das kann entweder der Außenstürmer oder der Außenverteidiger sein.

Der andere zieht in die Mitte und unterstützt dort das Kombinationsspiel der Mittelfeldspieler. Falls der Gegner die beiden Innenverteidiger mit zwei Stürmern anläuft, lässt sich der zentrale Mittelfeldspieler zwischen die breit stehenden Innenverteidiger fallen, um das Spiel von dort zu eröffnen.

Am liebsten elf Mittelfeldspieler

Je nach Lesart kann man die Aufstellung der Bayern in diesem Moment als 3-4-3, als 3-6-1 oder als 3-7-0 beschreiben, weil sich auch der zentrale Angreifer (Mario Mandzukic) sehr beweglich zeigt. Egal, welche Zahlenkombination herangezogen wird, am Ende steht die Auflösung verschiedener Positionen zugunsten des Mittelfelds.

"Ich mag Mittelfeldspieler", hat Guardiola auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Hannover 96 gesagt. Es klingt, als würde er am liebsten mit elf Mittelfeldspielern auflaufen. Die Bayern kommen diesem Idealbild mit ihrem spielstarken Torwart Manuel Neuer, den im Mittelfeld sozialisierten Außenverteidigern Alaba und Lahm sowie dem ebenfalls mittelfelderprobten Jerome Boateng schon auch nahe.

Dazu kommt, dass mit Javi Martinez, Thiago Alcantara und Mario Götze noch drei weitere Mittelfeldspieler zuletzt verletzt fehlten.

Sechserdiskussion beendet

Mit den Erfolgen über Moskau und Schalke ist auch die Diskussion über die Besetzung der Sechserposition verschwunden. Es ist auch gar nicht mehr so klar, wer diese Rolle eigentlich ausfüllt. Lahm? Schweinsteiger? Kroos?

Das Spiel der Bayern im Zentrum ist enorm variabel. "Für uns als Mannschaft ist es wichtig, dass jeder mehrere Positionen spielen kann", sagt Schweinsteiger. Die Positionen werden ständig gewechselt, der Ball wird in hohem Tempo gepasst, rein- und rausgespielt, die gegnerische Defensive zu viel Laufarbeit und hoher taktischer Disziplin gezwungen. So entsteht die Spielkontrolle.

Um gegen die von Guardiola gefürchteten Konter gewappnet zu sein, ist es wichtig, dass die Spieler bei Ballverlust schnell ins Gegenpressing übergehen. Durch die hohe Anzahl von Spielern im Zentrum ist dies gewährleistet. Die Innenverteidiger sollen ebenfalls offensiv verteidigen und den Gegner auch weit hinter der Mittellinie attackieren.

Als Prototyp dient Guardiola weiterhin Lahm. "Wir brauchen diese intelligenten Spieler im Mittelfeld, die zu 100 Prozent wissen, was sie mit dem Ball machen müssen." Am Kapitän lässt sich die Verwandlung des FC Bayern am besten beobachten. Weniger Kraft, mehr Köpfchen.

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