"Financial Fair Play ist wie Kindererziehung"

Von Interview: Jochen Tittmar / Stefan Rommel
Stuttgarts Cacau hat aus seiner schweren Verletzung viel Positives für die Zukunft gezogen
© imago

Cacau vom VfB Stuttgart musste aufgrund eines Kreuzbandrisses mehrere Monate pausieren. Im Interview vor dem Auswärtsspiel der Schwaben bei Hertha BSC (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) erklärt der Angreifer, warum ihm die Verletzung einen Kick gegeben hat, weshalb er eine Rückkehr in die deutsche Nationalmannschaft für unwahrscheinlich hält und was er vom Transfer von Gareth Bale hält.

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SPOX: Cacau, Sie waren sieben Monate verletzt und hatten viel Zeit, sich Gedanken über alles Mögliche zu machen. Worüber haben Sie am meisten gegrübelt?

Cacau: Direkt am Anfang habe ich mir komischerweise fast gar keine Gedanken gemacht. Man lernt mit der Zeit ja auch, dass man die Dinge so annehmen sollte, wie sie sind. Alles andere bringt auch nichts. Die Verletzung war natürlich bitter, so schwer hat es mich noch nie erwischt. Während der Verletzungszeit wurde mein Sohn geboren und da war ich natürlich auch sehr beschäftigt. Mein Glaube und die Zuversicht, dass Gott immer nur das Beste für mich möchte, waren auch wichtige Komponenten in dieser Phase.

SPOX: Hat Sie Ihre Gedankenwelt währenddessen - wie sehr auch immer sie ausgeprägt war - selbst überrascht?

Cacau: Das ist ja das Schöne am Leben: Man kann nie genau planen und vorhersehen, was in der Zukunft passiert. Selbstverständlich gab es schon einen Tag, an dem ich mich gefragt habe, warum und weshalb mir das jetzt passiert ist. Ich habe es aber relativ schnell geschafft, nach vorne zu schauen und zu überlegen, wofür die Verletzungspause gut sein könnte und was währenddessen nun wichtig für mich ist.

SPOX: Wofür war die Pause denn gut?

Cacau: So richtig weiß ich das auch nicht (lacht). Ich habe aber über meine Karriere nachgedacht, über das, was bisher gut und schlecht war. Ich bin zu dem Schluss gekommen, künftig noch entspannter und lockerer sein zu müssen, um mit dieser Herangehensweise sozusagen den Endspurt meiner Laufbahn einzuläuten.

SPOX: Welche Dinge Ihrer Karriere waren denn aus Ihrer Sicht nicht optimal?

Cacau: Wenn man mitten im Trainings- und Spielbetrieb steckt, vergisst man deutlich schneller, wie gut es eigentlich bislang gelaufen ist. Daher war es grundsätzlich einfach mal ganz gut, die bisherige Zeit in Ruhe reflektieren zu können. Ich habe mir die Frage gestellt, wie ich die restliche Zeit besser genießen kann. Ich bin sehr ehrgeizig und will manche Dinge auch vielleicht zu sehr erzwingen. Ich hoffe, dass ich jetzt in Zukunft geduldiger bin, wenn ich mal nicht spiele oder meine Leistung nicht so bringe, wie ich mir das wünsche.

SPOX: Haben Sie auch daran gedacht, ganz mit dem Fußball aufzuhören?

Cacau: Nein. Ich wusste, dass ich früher oder später wieder zurückkomme. Es gab mal eine Woche, in der ich auch noch krank geworden bin und dann keine Lust auf die Reha hatte. Das hat mir der Therapeut auch angesehen und mich dann in Ruhe gelassen. Aber es ging primär um die Frage, ob ich es nach der Verletzung wieder auf das alte Niveau schaffe oder nicht. Dieses Ziel zu erreichen, war und ist die größte Herausforderung gewesen.

SPOX: Vor einem Jahr - vor Ihrer Verletzung - gab es bei Ihnen auch Gedankenspiele, den VfB Stuttgart vielleicht zu verlassen. Wie kam's?

Cacau: Ich will ja immer spielen. Das war aber im Nachhinein gesehen eine dieser Phasen, die nicht besonders clever von mir waren und weshalb ich jetzt auch sage, dass ich da künftig besonnener reagieren sollte. Nach dem Motto: Das wird sich schon regeln, ich setze mich durch und mache mir weniger einen Kopf.

SPOX: Auf irgendeine Weise können Sie ja auch froh sein, dass Sie diese schlimme Verletzung erst zu diesem "späten" Zeitpunkt Ihrer Karriere erlitten haben. Ist man daher jetzt vielleicht noch etwas dankbarer für das, was man bislang erleben durften?

Cacau: Natürlich, wobei ich schon zuvor sehr glücklich über das bisher Erlebte war. Und ja, zum Glück ist mir das erst jetzt passiert, ganz klar. Es hört sich vielleicht komisch an, aber die Verletzung hat mir einen Kick gegeben.

SPOX: Wie bitte?

Cacau: Jetzt kann ich mit Freude und Elan weitermachen. Wäre ich verletzungsfrei geblieben, wäre ich vielleicht in eine Phase hineingerutscht, in der die Lust nicht mehr die größte gewesen wäre. Es war daher wohl auch ganz gut, mal etwas herunterzukommen und Abstand zu gewinnen. Der Neustart hat jetzt begonnen.

Seite 2: Cacau über die Systemfrage, National-Elf und 100-Millionen-Mann Bale