Super-Super-Revolutionär

100 Tage im Amt. 100 Tage Bayern München. Guardiola hat schon eine klare Handschrift hinterlassen
© getty

Am 24. Juni hatte Josep Guardiola seinen ersten Arbeitstag beim FC Bayern München. Es war der Start einer neuen Epoche und einer 100-tägigen Zeitreise mit erstaunlich vielen Wendungen und Ereignissen. Die erste Zwischenbilanz des Spaniers kann sich allerdings sehen lassen.

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Es war die größte und medienwirksamste Presseveranstaltung in der Geschichte des FC Bayern München. Und dabei hatte der Klub erst vor wenigen Wochen die Champions League gewonnen und im Anschluss einen der besten Trainer der Welt ebenfalls medienwirksam verabschiedet. Der erste Auftritt des Josep Guardiola beim FC Bayern lockte 250 internationale Journalisten in die Münchener Allianz Arena, Kamerateams sendeten Live-Bilder überall hin.

"Guten Tag, grüß Gott, meine Damen und Herren", sagte Pep Guardiola auf Deutsch. Dass er die Sprache seiner neuen Wahlheimat schon so gut beherrscht, sollte verblüffender Weise Gegenstand etlicher Diskussionen werden. Weit interessanter war dabei die große Intensität des neuen Coaches, die er an seinem ersten Trainingstag an den Tag legte.

"Wir wussten nicht, was er wollte"

Nach einer Ansprache, die keine Minute dauerte, ließ er sofort neue Spielformen trainieren und griff lautstark ein, weil seine Spieler nicht auf Anhieb kapierten, was der neue Mann wollte. Jerome Boateng, Franck Ribery, Toni Kroos - sie alle mussten sich recht deftige Worte des Trainers anhören, den sie gerade mal vor einer halben Stunde kennengelernt hatten.

"Es war so, dass wir den Trainer am Anfang nicht verstanden haben. Wir wussten nicht, was er wollte", sagte Mario Mandzukic erst vor wenigen Tagen. Ein Zustand, der sich auch auf die ersten Testspiele auswirken sollte. Selbst gegen Fan-Auswahlmannschaften taten sich die Bayern taktisch schwer.

Außenverteidiger sehr hoch, der Sechser sehr tief - davor zwei Zehner mit Gewaltenteilung. Guardiola versuchte erst gar nicht, einen sanften Übergang zu finden, sondern sofort seine Art des Spiels beim FC Bayern zu injizieren. Die Message war klar: Ich bin hier, um Pep-Fußball und nicht Heynckes-Fußball spielen zu lassen!

Thiago und sonst nix!

Das Thema Robert Lewandowski verlor seine Stahlkraft nicht, obwohl Borussia Dortmund klar zum Ausdruck brachte, dass der Pole nicht verkauft wird. Da aber Lewandowski immer wieder durchblicken ließ, lieber heute als morgen nach München wechseln zu wollen, blieb das Thema akut. Beim FC Bayern hielt sich die Verschwiegenheit, Matthias Sammer blockte bei der Vorstellung von Mario Götze ab, wiegelte einen Lewandowski-Transfers genauso ab wie alle anderen Vorhaben, auf dem Transfermarkt tätig zu werden. Ähnlich äußerte sich auch Karl-Heinz Rummenigge. Wenige Tage später gab der FC Bayern den Transfer von Thiago Alcantara bekannt.

Bayern im Trainingslager: So trainiert Pep

Ein Paukenschlag - aber einer mit Ankündigung. Nur einen Tag, nachdem das Thiago-Gerücht erstmals aus Spanien nach München wanderte, bestätigte Pep Guardiola auf der Pressekonferenz, seinen ehemaligen Schützling aus Barcelona holen zu wollen: "Wir brauchen Thiago. Thiago oder nix", sagte Pep, ohne die übliche Zurückhaltung bei Transferfragen zu üben.

"Ich kenne ihn, er ist sehr gut. Diesen einzigen Spieler habe ich nachgefragt, weil ich glaube, dass wir Thiago brauchen." Der FC Bayern schloss sich der Meinung seines Trainers an und einigte sich mit dem FC Barcelona auf einen Transfer von 25 Millionen Euro Gegenwert, obwohl in der Ausstiegsklausel weit weniger festgehalten waren.

Der Thiago-Transfer war die erste Machtinanspruchnahme des neuen Trainers. Ob der FC Bayern von selbst auf die Idee gekommen wäre, Thiago zu verpflichten, obwohl man mit Bastian Schweinsteiger, Javi Martinez, Toni Kroos, Luiz Gustavo, Mario Götze und auch Youngstern wie Pierre-Emil Hojbjerg und Emre Can bestens besetzt war, darf diskutiert werden. Und der Thiago-Kauf blieb daher auch nicht folgenlos: Luiz Gustavo schloss sich dem VfL Wolfsburg an, Emre Can ging für vier Jahre zu Bayer Leverkusen.

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Den großen Kader, den auch Guardiola irgendwann bemängelte, verdünnte zudem der Weggang von Mario Gomez, der einige wenige Einheiten unter Guardiola absolvierte und dann zum AC Florenz wechselte. Für Aufmerksamkeit sorgte Gomez, als er in einer Pressekonferenz des DFB seine große Bewunderung für Guardiola offenbarte: "Ich halte ihn für einen hervorragenden Typ und einen großen Trainer. Ich bin dankbar für die zwei Wochen unter ihm. Seine Ansprache ist beeindruckend." Gomez' ehemaliger Konkurrent Mandzukic ließ dagegen atmosphärische Störungen mit Guardiola vermuten, als er beim Audi Cup seine Tore wütend bejubelte. Ein Zustand, der nicht lange anhalten sollte.

Der erste Rückschlag und die erste Kritik

Der FC Bayern spielte eine recht erfolgreiche Vorbereitung - mit Spielen, die teils hoch gewonnen wurden. Als der FC Bayern beim Telekom-Cup in Mönchengladbach zwei Kantersiege gegen den Hamburger SV und gegen Borussia Mönchengladbach einfuhr, schien der Triple-Sieger wieder unschlagbar. Mit dem ersten Pflichtspiel der Saison veränderte sich die Wahrnehmung allerdings schlagartig: Der FC Bayern verlor im Supercup bei Borussia Dortmund mit 2:4. Das Mittelfeld, bestehend aus Thiago, Müller, Kroos, Robben, Shaqiri schien ein stückweit zu offensiv, das Umschalten klappte nur bedingt, sodass Dortmund auch weit mehr Tore hätte schießen können.

"Unschlagbare Bayern? Von wegen!", schrieb die "Süddeutsche". Guardiola habe jetzt Zeit, "seine ultraoffensive Elf" zu überdenken. Der "Spiegel" schickte den FC Bayern "zurück in die Werkstatt". "Peppiger" fand die "taz" Borussia Dortmund. Auch aus den eigenen Reihen war erst einmal wenig Zuversicht zu vernehmen: "Wir sind eben noch nicht perfekt", sagte Philipp Lahm. Und Guardiola? Dieser blieb ruhig, war mit dem Auftritt seiner Mannschaft gar zufrieden. Dennoch lernte er die Wucht und vor allem die Erwartungshaltung, die an seine Person gerichtet ist, kennen.

Seite 2: "Ich bin kein Super-Super-Trainer"

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