Ein Papa für Bernd

Von Fabian Herbers
Mentor für Bernd Leno? Der 39-Jährige Andres Palop schließt sich der Werkself an
© getty

Mit 39 Jahren will er es noch einmal im Ausland wissen: Der spanische Torhüter Andres Palop hat beim Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen das Training aufgenommen. Dabei sind die Rollen im Bayer-Tor klar verteilt: Bernd Leno ist die Nummer eins, Palop die Nummer zwei. In Sevilla war er eine Legende - warum tut sich der Europameister von 2008 die Ersatzbank an?

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Michael Rensing hatte es satt, nur die Nummer zwei hinter U-21-Nationaltorwart Bernd Leno in Leverkusen zu sein. Wettbewerbsübergreifend kam Rensing in der vergangenen Saison nur auf vier Einsätze. Zu wenig für den Ex-Bayern, er flüchtete nach Düsseldorf. Dabei ist er nicht der Erste, der an Leno scheiterte.

Auch Rene Adler war nach seiner langen Verletzungspause in Leverkusen nur noch Ersatztorwart. Nach seinem Wechsel zu Hamburg ist er nun wieder die unangefochtene Nummer eins und erlangte den Status als Nationaltorwart zurück. Auch Fabian Giefer verließ den Verein.

Ersatztorhüter ist in der Leno-Ära bei der Werkself ein sehr unbeliebter Arbeitsplatz geworden. Für die Saison 2013/14 hat Bayer diese Stelle mit dem 39-jährigen Andres Palop besetzt.

In Spanien ein Held

Dabei ist Palop kein unbeschriebenes Blatt. Beim FC Sevilla, für den er seit 2005 spielte, ist er eine lebende Legende. Unvergessen ist vor allem sein Tor im UEFA-Cup 2007: Im Achtelfinale lag Sevilla mit 1:2 gegen Schatchjor Donezk zurück, alles sah nach einem Ausscheiden der Spanier aus. Doch irgendwie erstolperten sich die Spanier noch einen Eckball. Palop kam mit nach vorne und köpfte seine Mannschaft tatsächlich zum Ausgleich.

Der Rest ist Geschichte: Sevilla traf in der Verlängerung zum 3:2, setzte sich gegen Donezk durch und gewann dank Palop, der im Finale gegen Espanyol Barcelona drei Elfmeter hielt und in dieser Nacht zu "Grande Palop" wurde, den UEFA-Pokal.

Die Karriere des gebürtigen Valencianer begann 1997. Damals gab er sein Profi-Debüt für den FC Villarreal in der Segunda Division. Zwei Jahre später folgte der Wechsel zurück zu seinem Heimatverein FC Valencia. Schon hier feierte Palop große Erfolge: Zwei Mal spanischer Meister, UEFA-Cup-Sieger. Sein Problem: Santiago Canizares war unter Trainer Hector Cuper gesetzt.

Beim Champions-League-Finale 2001 gegen die Bayern saß der damals 27-Jährige 120 Minuten auf der Bank und musste mit ansehen, wie die Münchner ihm und dem FC Valencia den CL-Titel im Elfmeterschießen wegschnappten. Canizares hielt einen Elfmeter, Oliver Kahn drei. Schon zu dieser Zeit hatte Palop den Ruf als Elfmeterkiller. Nicht wenige waren der Meinung, dass Valencia mit ihm im Tor das Elfmeterschießen gewonnen hätte.

Alter Hase der modernen Torwartschule

387 Spiele absolvierte Palop für Villarreal, Valencia und Sevilla. Drei Mal gewann er den UEFA-Cup, zwei Mal den europäischen Supercup, zwei spanische Meisterschaften, einen spanischen Supercup. Zum Nationalspieler hat es dennoch nie gereicht. Er darf sich zwar offiziell Europameister 2008 nennen, doch Palop war der einzige Spieler im Kader der Spanier, der in Österreich und in der Schweiz nicht zum Einsatz kam.

Auch wenn Palop das Torwartspiel noch in den frühen 90er Jahren lernte, ist er dennoch "Mitbegründer" des modernen Torwartspiels. Er klebt nicht auf der Linie, sondern ist ein mitspielender Torhüter. Ein dynamischer Torhüter eben. Palop lenkt das Spiel seiner Mannschaft mit, gibt das Tempo durch schnelle Abwürfe vor oder verlangsamt das Spiel auch mal.

Der Reiz des Auslands

Auch wenn Andres Palop vieles erreicht hat, zur Ruhe setzen will er sich trotz seines Alters nicht. "Auch mit 39 will ich mich noch weiterentwickeln", gibt er bei der Vertragsunterzeichnung in Leverkusen zu Protokoll. Geht das? In Sevilla der gefeierte Kapitän, bei Bayer nur Bankdrücker?

Dabei geht es Palop nicht um seine fußballerischen Qualitäten, sondern eher darum, sich menschlich weiterentwickeln zu können. In Leverkusen lernt er eine neue Kultur, eine neue Sprache, ein neues Land und neue Menschen kennen. Vor allem hat er aber die Chance, sich als Lehrer von Bernd Leno beweisen zu können. Bezogen auf das Alter könnte Palop sogar Lenos Vater sein.

"Es gab Angebote, vor allem von spanischen Teams. Meine Zeit in Sevilla war einfach vorüber und der Wunsch ins Ausland zu wechseln wurde immer größer. Als das Angebot aus Leverkusen kam, ging alles sehr schnell - innerhalb von zwei Tagen waren wir uns einig", sagte Palop dem "Kölner Stadtanzeiger".

Internationale Reife für die Werkself

Obwohl Palops Qualitäten reichen würden, die Nummer eins bei einem Champions-League-Teilnehmer zu sein, wird er kein neuer Adler, der Leno unter Druck setzen soll. Der 39-Jährige kann, wie einst Trainer Sami Hyypiä, internationale Erfahrung in die junge Mannschaft bringen. Er nimmt in Leverkusen die Rolle des alten Meisters ein, der Lenos Metamorphose zum ausgereiften Torhüter unterstützen soll.

"Bernd Leno ist ein außergewöhnlicher Torhüter. Aber auch er hat noch Möglichkeiten, sich zu verbessern. Vielleicht kann ich dazu beitragen, dass das gelingt", sagt Palop.

Vor allem auf internationaler Ebene fehlt es Leno an Erfahrung, die 1:7-Lehrstunde in Barcelona tut dem jungen Torhüter noch heute weh. Leno kann von den Erfahrungen, die Palop in der Champions League und im UEFA-Pokal sammeln konnte, enorm profitieren.

Der Spanier hat auch Tipps, wie man als mitspielender Torwart eine Mannschaft führt oder zur internationalen Klasse reift. Dinge, die David Thiel, Torwarttrainer von Bayer Leverkusen und schlappe 11 Jahre jünger als Palop, Leno nur bedingt erklären kann.

Ein intelligenter Schachzug

Mit Palops ablösefreier Verpflichtung hat Leverkusen vieles richtig gemacht und gezeigt: Bayer schwenkt um und fährt einen neuen Kurs. Es sollte keiner kommen, der Leno die Position als Nummer eins streitig macht, sondern jemand, der mit Leno an dessen Schwachstellen arbeitet.

"Ich bin voller Vorfreude", verrät der Neu-Leverkusener: "Das Alter ist doch nur eine Zahl. Ich bin eigentlich noch ein junger Torhüter. Und meine Aufgabe hier ist es, mit meiner Erfahrung vielleicht dabei zu helfen, dass die Dinge gut und besser laufen."

Andres Palop im Steckbrief