Eine Furcht erregende Meisterschaft

Von Thomas Gaber
Kapitän Philipp Lahm stemmte die Meisterschale in den Münchner Himmel
© getty

Dem Vorstandschef wird das ganze allmählich unheimlich, der Trainer wird im stolzen Alter ungewohnt emotional. Der 23. Meistertitel des FC Bayern ist ein besonderer, auch weil er so nicht zu erwarten war. Allerdings: Das Wichtigste fehlt noch.

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Markus Hörwick machte allmählich Druck. Ein, zwei Fragen seien noch gestattet an Jupp Heynckes, dann müsse man wirklich weiter. Schließlich stehe die große Meisterfeier mit obligatorischem Autokorso an und man wolle die Fans nicht allzu lange warten lassen.

Als sich niemand im Plenum mehr meldete, beendete Bayerns Mediendirektor die Pressekonferenz nach dem 3:0 des FC Bayern gegen den FC Augsburg abrupt. Er hatte allerdings nicht mit der ungewöhnlichen Aktion des Trainers gerechnet.

Die Meisterfeier der Bayern zum Nachlesen

"Vielleicht nur noch eine Sache: Ich möchte mich bei allen Freunden, Bekannten und Fans bedanken, die mir wahnsinnig viele Glückwünsche zum Geburtstag geschickt haben. Emails, SMS, Briefe, Postkarten. Das war überwältigend. Vielen Dank", sagte Heynckes mit zittriger Stimme und glasigen Augen.

Heynckes' Karriereende scheint klar

Im stolzen Alter von 68 Jahren ist Heynckes noch einmal deutscher Meister geworden, zum sechsten Mal insgesamt. Vielleicht ist die letzte seine emotionalste.

Aller Voraussicht nach wird Heynckes seine Trainerlaufbahn nach dem Tag des DFB-Pokalfinals am 1. Juni beenden.

"Man muss wissen, wann die Zeit abläuft", sagte Heynckes im Epizentrum der Meisterfeier auf dem Rathausbalkon am Münchner Marienplatz.

Heynckes ist der Architekt des deutschen Meisters, der in dieser Saison einen Rekord nach dem anderen aufgestellt hat.

Souveräner als der FC Bayern 2013 ist noch keine Mannschaft deutscher Meister geworden, nicht in 50 Jahren Bundesliga und auch nicht davor.

Dem Trainer ist es gelungen, einen hochwertig besetzten 20-Mann-Kader so bei Laune zu halten, dass niemand ausschert und sich alle in den Dienst der Mannschaft stellen.

"Er hat es geschafft, dass die Mannschaft hinter ihm steht, dass jeder einzelne sich fügt und einordnet. Es gab nie einen Vorfall, wo es Disziplinlosigkeit gegeben hätte, oder wo ein Spieler übernatürliche Ansprüche gestellt hätte. Das ist der Verdienst von Jupp Heynckes", sagte Ottmar Hitzfeld.

Lehmann: Nie war eine Mannschaft besser

Erfolgreich und dabei attraktiv spielen - an diesem Auftrag sind vor Heynckes einige Bayern-Trainer gescheitert. Er hat der Mannschaft binnen kurzer Zeit einen hochmodernen Fußball beigebracht.

"Ich kann mich nicht erinnern eine deutsche Mannschaft gesehen zu haben, die besser und schöner gespielt hat, als diese Bayern-Mannschaft", sagte Sky-Experte Jens Lehmann.

Bastian Schweinsteiger sprach angesichts der Bilanz von einer unglaublichen Saison. "Das gab es in 50 Jahren Bundesliga nicht. Es ist meine sechste Meisterschaft, ich freue mich darüber wie über meine erste."

Niemand im Dunstkreis des FC Bayern hat nach dem in negativer Hinsicht überaus dramatischen Ende der letzten Saison mit einer derartigen Dominanz gerechnet.

"Was wir erreicht haben, kann man schwer in Worte fassen. Nach dem Champions-League-Finale 2012 waren wir am Boden. Man kann die Leistung der Mannschaft und des Trainerteams nicht genug würdigen. Das wird mir allmählich sogar unheimlich", sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge.

Nur Bayern kann dauerhaft Nummer eins sein

Die Rückkehr an die Spitze in Deutschland war oberstes Ziel vor dieser Saison. Borussia Dortmund hatte den Bayern in zwei Jahren drei Titel weggeschnappt, 2012 mehrere Rekorde aufgestellt und die Münchner obendrein im Pokalfinale 2012 beim 5:2 gedemütigt.

Der scheidende Trainer von Manchester United Sir Alex Ferguson hatte einst gefordert, den FC Liverpool von diesem "scheiß Ast" herunterzuholen und nach Meistertiteln endlich an den Reds vorbeizuziehen. Ganz so drastisch hatten es die Bayern nicht formuliert, doch die Dominanz des BVB war nur schwer zu ertragen.

Schon nach dem 1:0 im Pokalviertelfinale gegen Dortmund waren für Präsident Uli Hoeneß die "Verhältnisse in Deutschland wieder geklärt". Eine eher hektische Folgerung aus einem zugegebenermaßen einseitigen Spiel. Mit ihrer Rekordsaison haben die Münchner aber bewiesen, dass nur sie dauerhaft die Nummer eins in Deutschland sein können.

Ab jetzt zählt nur noch London

Die Saison ist aber noch lange nicht zu Ende und sie ist trotz der konstant beeindruckenden Leistungen in der Bundesliga auch noch lange nicht perfekt. Von den beiden noch ausstehenden Finals ist das in der Champions League das deutlich wichtigere.

Eine Niederlage gegen Borussia Dortmund am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion würde die ganze Saison konterkarieren und hätte laut Oliver Kahn "verheerende Auswirkung" für den gesamten FC Bayern.

Nach einer Meisterparty, die laut Schweinsteiger und Thomas Müller "intensiv" und "unberechenbar" ausfallen dürfte, wird der Fokus ab Montag auf den 25. Mai gelegt. An diesem Tag soll ein weiteres Kapitel der Vereinsgeschichte geschrieben werden. Souveräner als in dieser Saison hat der FC Bayern auch im Europacup noch nie gespielt. Aber das Wichtigste fehlt eben noch...

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