Im Schatten des Trainers

Von Andreas Lehner
Christian Streich ist seit Anfang 2012 Trainer des SC Freiburg
© Getty

Der SC Freiburg könnte mit einem Sieg gegen Eintracht Frankfurt (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) auf Champions-League-Qualifikationsplatz vier springen. Warum ist das Team von Trainer Christian Streich so stark?

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Armin Veh hat sich in den letzten Jahren das Image eines Charakterkopfs erarbeitet. Weise, gelassen, distanziert zum Zirkus Profifußball. Vor dem Duell der Überraschungsmannschaften am Freitagabend verweist Veh aber gern auf ein traditionelles Rollenbild. "Wir sind die Aufsteiger, nicht Freiburg."

Klar, es geht dem Eintracht-Trainer darum, die Favoritenrolle von sich zu schieben. Denn ein Favorit muss immer das Spiel machen, die Initiative ergreifen und das will Veh in Freiburg auf keinen Fall. Erstens ist die Stärke der Eintracht das aggressive Spiel gegen den Ball und das schnelle Umschalten nach Ballgewinnen und zweitens spielt Freiburg gerne genauso.

Kollektiv und qualitativ stark

Der Sportclub hat sich unter Trainer Christian Streich zu einer der ungemütlichsten Mannschaften der Liga gemacht. Selbst der FC Bayern (sogar in Überzahl) und Borussia Dortmund hatten große Probleme mit der aggressiven, laufintensiven Spielweise der Freiburger - auch wenn die beiden Topteams jeweils 2:0 siegten.

Streich hat seit seiner Amtsübernahme zu Beginn des Jahres 2012 ein Team geformt, das in erster Linie von seiner Arbeit im Kollektiv lebt, aber auch qualitativ und individualtaktisch gehobenen Ansprüchen genügt.

Hilfe aus dem eigenen Nachwuchs

Den Nährboden für seine Arbeit hatte Streich selbst bestellt. Beim Schlusspfiff im Bremer Weserstadion, wo der SC am vergangenen Samstag 3:2 siegte, standen sechs Spieler auf dem Platz, die in der Freiburger Fußballschule ausgebildet wurden. Bevor Streich zu den Profis hochgezogen wurde, arbeitete der Fußballlehrer 16 Jahre im Jugendbereich.

Was seinem Vorgänger Marcus Sorg nicht gelang und am Ende auch den Job kostete, schaffte Streich auf Anhieb. Die Verzahnung von Nachwuchs- und Profibereich. Die Auswirkungen auf die Altersstruktur des Kaders sind unübersehbar. Mit Pavel Krmas steht nur ein Spieler über 30 Jahre im zweitjüngsten Kader der Liga (Durchschnittsalter 24,2 Jahre). Krmas Vertrag läuft Ende der Saison aus, lange schien eine Vertragsverlängerung unwahrscheinlich.

Seine Leistungen als Vertreter von Freiburgs Innenverteidigerjuwel Matthias Ginter haben ihn einem neuen Arbeitspapier aber sehr nahe gebracht. Mit Krmas kassierte Freiburg in zehn Spielen nur fünf Gegentore (keines per Kopfball) - ohne ihn waren es 17 Gegentreffer in zwölf Partien.

Schwimmende Neuneinhalb bringt Flexibilität

Die Defensivbewegung ist zweifelsohne die herausragende Qualität der Freiburger. Nur der FC Bayern (7) hat weniger Gegentore kassiert als Freiburg (22). Das liegt zum einem am starken Torhüter Oliver Baumann und zum anderen am mutigen Konzept der Vorwärtsverteidigung. Der SC attackiert seine Gegner früh in deren Hälfte und läuft viele Passwege zu. Auch deshalb hat Streich keinen klassischen Stürmer in seinem Konzept wie früher etwa Papiss Demba Cisse.

Streich setzt auf flexible Stürmertypen, die eigentlich eher in die Kategorie Mittelfeldspieler fallen. Was bei Spanien und Barcelona als falsche Neun durchgeht, heißt in Freiburg plötzlich schwimmende Neuneinhalb.

Das Spiel ist darauf angelgt, "dass wir die Möglichkeit haben, uns dabei abzuwechseln, in die Tiefe zu gehen oder sich auch mal in den Raum zurückfallen zu lassen. Das macht unser Spiel variabel und unberechenbarer", sagt Max Kruse.

Streich zieht Aufmerksamkeit auf sich

Die Gegner suchen oft noch nach dem richtigen Mittel gegen diese Variabilität. In der Jahrestabelle 2012 landete Freiburg auf Platz sechs, in der gesamten Ära Streich haben nur Bayern, Dortmund und Leverkusen mehr Punkte geholt.

Die Chance zum Sprung auf den Champions-League-Platz ist also das Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung. Streich ist der Ursprung dieser Entwicklung. Der 47-Jährige hat eine klare Idee von Fußball und kann die jungen Spieler dafür begeistern.

Dass seine Persönlichkeit für Interesse sorgt, ist ein schöner Nebeneffekt. Viel in der Berichterstattung konzentriert sich auf den Trainer, seine Interviews und Pressekonferenzen genießen Kultstatus. Die Spieler können sich im Schatten des Trainers entwickeln.

Dritte Qualifikation für Europa?

Wenn seine Spieler von Europa träumen, sollen sie das ruhig tun. "Ich find's toll, dass sie selbstbewusst sind. Es geht dann aber darum: Kannst du dieses Selbstbewusstsein auch in Taten umsetzen?", sagt Streich. "Ich bin nicht so ein maßloser Optimist. Aber vielleicht ist das dann auch meine Rolle, dass ich ein bissle anders bin als sie." Er selbst sprach nach dem Sieg in Bremen nur über das Saisonziel Klassenerhalt.

Die dritte Qualifikation für den Europapokal ist trotzdem nicht unrealistisch, auch wenn im Mittelfeld der Tabelle alles sehr eng zusammenliegt und es auch schnell nach unten gehen kann. Freiburg strebt weiter nach oben, Jan Rosenthal bringt es auf den Punkt. "Wir können schlecht sagen, wir verlieren dreimal, um Zehnter zu werden."

Der SC Freiburg im Steckbrief