Thomas Eichin: Auf dem zweiten Bildungsweg

Von Stefan Rommel
Er tritt das Allofs-Erbe an: Thomas Eichin ist der neue Geschäftsführer Sport bei Werder Bremen
© Imago

Mit der Wahl von Thomas Eichin als Nachfolger von Klaus Allofs endet eine wechselhafte Suche. Werder Bremen geht mit der Personalie einen mutigen und bislang einzigartigen Weg in der Bundesliga.

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Angefangen hat alles auf elektronischem Weg. Zahlreiche Anrufe, SMS oder Mails hätten die Verantwortlichen von Werder Bremen seit jenem 14. November erreicht. Dem Tag, als Klaus Allofs sich verabschiedete und die ebenso aufregende wie wechselhafte Suche nach einem Nachfolger los trat.

Unter diesem Wust an mehr oder weniger geheimen Tipps "von extern", wie Aufsichtsratschef Willi Lemke sagt, sei dann auch ein paar Mal der Name Thomas Eichin aufgetaucht. Das war Anfang Dezember und damals schaffte es die Kombination "nahezu unbekannter Name plus anderes Betätigungsfeld" nicht auf Wiedervorlage.

Bewegung auf der Shortlist

Werder hatte andere Namen im Visier, von denen sich aber weder Dietmar Beiersdorfer, noch Marco Bode, noch Frank Baumann, noch Marc Kosicke für das gewünschte Engagement überzeugen ließen. Als dann der heftig umworbene Kosicke Mitte Dezember doch seine Absage erteilte, rückte Eichin in den Fokus.

Lemkes geheime Shortlist hatte ihre Bezeichnung zu diesem Zeitpunkt im wahrsten Sinne des Wortes verdient; insofern war es ganz praktisch für Werder, dass die Verantwortlichen bei Eichin sofort auf reges Interesse stießen.

"Ich musste nicht lange überlegen, als Werder angefragt hat", sagte der 46-Jährige bei seiner Vorstellung am Donnerstag. "Mir war immer klar, dass ich in den Fußball zurückkehren wollte. Das Anforderungsprofil passt und ich habe Werder Bremen auf Grund seiner Philosophie schon immer bewundert."

Nicht der übliche Reflex

In Bremen haben sie die Rückschläge der letzten Wochen im Stillen verdaut und nun eine Lösung präsentiert, die unkonventionell ist und mutig zugleich. Werders Verantwortliche begreifen ihren Klub schon lange nicht mehr als einen von der Stange, weshalb eine Lösung der herkömmlichen Art - wie wenige Stunden später in Augsburg geschehen - für Bremen offenbar nicht in Frage kam.

Als der FC Augsburg in Stefan Reuter einen im Profi-Fußball erfahrenen Sportdirektor verpflichtete und damit einem natürlichen Reflex in misslicher Lage folgte wie fast alle anderen Klubs dies tun, stellte Werder Bremen gerade seinen neuen Geschäftsführer Sport vor.

Eichin bringt als aktiver Spieler zwar auch reichlich Erfahrung mit, in 14 Jahren absolvierte er 180 Spiele für Borussia Mönchengladbach und den 1.FC Nürnberg. Aber das ist lange her, im schnelllebigen Geschäft fast schon eine längst vergessene Epoche.

14 Jahre Kölner Haie

Seit 1999 war der Blick auf den Fußball dann für Eichin nurmehr eine Freizeitbeschäftigung. Zwar durfte er sich unter dem mittlerweile verstorbenen Rolf Rüssmann in Mönchengladbach als Marketingassistent erste winzige Sporen verdienen (Eichin: "Ich habe Autogrammkartensets zusammengestellt, Tickets verkauft und Cola-Kisten in VIP-Bereiche geschleppt. Ich hatte die Aufgaben eines normalen Praktikanten."), so richtig in Fahrt kam die Karriere außerhalb des Spielfelds dann aber erst mit dem Einstieg bei den Kölner Haien.

14 Jahre durchschritt der gebürtige Freiburger mit dem KEC nahezu alle Höhen und Tiefen, verpasste dem Klub professionelle Strukturen, umschiffte den Beinahe-Crash 2008 und eiste immerhin Bundestrainer Uwe Krupp vom Deutschen Eishockey Bund los. Eichin hat also durchaus schon bewiesen, mit schwierigen Aufgaben klarzukommen.

Die smarte Lösung

Und trotzdem haftet der Entscheidung eine Spur Wagemut an. "Wir wollten nicht die Pfade weitergehen, sondern eine smarte Lösung finden, auf die andere Vereine nicht gekommen wären", verkündete Lemke also mit einigem Stolz und zeichnete eine kurze Abfolge der letzten Wochen und Tage.

Mitte Dezember habe man sich erstmals mit dem Kandidaten getroffen. In Lemkes Privathaus, zusammen mit Aufsichtsratsmitglied Marco Bode. "Vor den Weihnachtstagen hat sich dann alles zugespitzt", so Lemke. "Wir wollten eine 9:0-Lösung - und die ist uns auch gelungen."

Letzten Samstag hatte der Aufsichtsrat ohne Gegenstimme abgenickt, am zweiten Weihnachtstag reiste Eichin dann zum Gespräch mit Trainer Thomas Schaaf nach Salzburg und holte sich in diesem letzten Schritt das endgültige Go ein.

"Magisches Dreieck"

Dass Werder nach dem Duo Schaaf/Allofs, das im Prinzip über ein Jahrzehnt lang alleinig für alle sportlichen Entscheidungen verantwortlich war, nun auf eine größere Lösung setzt, kann Eichin zumindest für seinen Start nur Recht sein.

"Ein magisches Dreieck" hat Dr. Hubertus Hess-Grunewald ausgemacht, in dem Eichin neben Schaaf und Baumann das dritte Glied sein soll. Der Vater zweier erwachsener Kinder soll sich dabei besonders um Verträge und deren Inhalte kümmern. Beim KEC erwarb sich Eichin mit den Jahren den Ruf des knallharten Verhandlers. Vielleicht auch deshalb sagte nun Lemke, dass "Thomas Eichin mit seinem bisherigen Erfahrungen genau in unser Anforderungsprofil passt."

Widersprüchliche Chronologie

Dabei hatte es sehr lange den Anschein, als würde die Werder-Familie am liebsten eines ihrer Kinder zu sich nehmen. Aber mit Beiersdorfer, Baumann und Bode (alle drei lange Jahre als Spieler bei Werder aktiv) und dem gebürtigen Bremer Kosicke sagten alle Kandidaten mit Lokalkolorit ab.

"Es wäre falsch gewesen zu sagen, wir suchen nur jemanden mit Bremen-Affinität", so Lemke. "Wir wollten uns stattdessen Zeit lassen und eine smarte Lösung finden." Um Zeit zu gewinnen, streute Lemke vor einigen Tagen noch das Gerücht, der Klub habe auch über eine Frau als Kandidaten ernsthaft nachgedacht. Rückblickend darf man eher von einer Nebelkerze ausgehen denn von einer ernsthaften Erwägung.

Eichin jedenfalls hat in Bremen einen Vertrag bis 2016 erhalten und wird keinen Cent Ablöse kosten, wie Lemke nach zweimaliger Nachfrage versicherte. Allerdings wird Eichin seinen Job in Bremen erst antreten, wenn die Eishockey-Saison für die Haie beendet ist, irgendwann im Frühjahr.

Vorreiter für andere?

Dann darf er sich als eine Art Prototyp sehen, einen echten Quereinstieg aus einer anderen Sportart in den Profi-Fußball hat bislang noch niemand gewagt.

Bernhard Peters klopfte vor sechs Jahren als Hockey-Bundestrainer vehement an die Tür des DFB und wollte Sportdirektor werden. Die große Revolution misslang, immerhin kam Peters bei 1899 Hoffenheim als Direktor für Sport und Nachwuchsförderung unter. Der ganz große Posten blieb Peters aber auch dort verwehrt.

Dass seine Unerfahrenheit in der Branche zu einem Problem werden könnte, glaubt Eichin nicht. "Das mit dem Netzwerk im Fußball geht ganz schnell. Und genügend Kontakte sind in Bremen ja ohnehin schon vorhanden."

Thomas Eichin im Steckbrief