Das Ende von Trial and Error

Von Thomas Jahn
Felix Magath steht nach seiner Entlassung in Wolfsburg vor eine ungewissen Zukunft
© Getty

Nach dem schlechtesten Saisonstart der Vereinsgeschichte hat der VfL Wolfsburg Alleinherrscher Felix Magath vom Hof gejagt. Das krude "System Magath" scheint in der Bundesliga endgültig ausgedient zu haben. Doch welche Zukunftsoptionen bleiben dem 59-Jährigen?

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"Ich kann dazu nichts sagen. Machen Sie es gut." So lautete Felix Magaths knappe und gleichzeitig einzige Aussage gegenüber den "Wolfgsburger Nachrichten." Mehr wollte und konnte der geschasste Coach kurz nach seiner Demission nicht vorbringen.

Zu tief saß wohl die Enttäuschung nach dem schlechtesten VfL-Saisonstart der Bundesligageschichte, dem letzten Tabellenplatz mit 2:15 Toren, dem Rauswurf nach 586 Tagen und der damit verbundenen Erkenntnis, dass das Magath'sche System Trial and Error vorerst am Ende ist.

Während seiner zweiten Amtszeit in Wolfsburg wurden unter Magath seit Juli 2011 insgesamt 83 Spieler gekauft, verkauft, geliehen oder verliehen. Eine höhere Personalrotation gab es bei keinem anderen Bundesligisten.

In der vergangenen Saison setzte Magath 36 verschiedene Spieler ein. Ein neuer Bundesliga-Rekord, den bis dato Eintracht Frankfurt aus der Saison 2000/01 inne hatte. Trainer damals: Felix Magath.

"Das System Magath funktioniert überall"

"Auch der VfL Wolfsburg kann nicht elf Spieler für jeweils 20 Millionen kaufen. Von denen wüsste ich ziemlich genau, dass sie funktionieren. [...] Grundsätzlich bedeutet die Fluktuation aber, dass wir nicht sofort die Spieler bekommen haben, die für die Ziele der Klubs optimal waren. Und dass man als Trainer nie wissen kann, wie sich ein Spieler entwickelt", rechtfertigte sich Magath in einem Interview mit der "Berliner Zeitung."

Kurz vor dem Wechsel zu Wolfsburg war er sich zudem sicher: "Das System Magath funktioniert überall." Ein System das auf der Austauschbarkeit jedes Einzelnen und einer strengen sowie empathielosen Menschenführung basiert. Zuletzt gesehen bei seiner fragwürdigen Trinkflaschen-Strafe und der öffentlichen Verbalattacke gegen Neuzugang Naldo.

Uli Hoeneß behält Recht

Am Ende sprach sich das Gros seiner Spieler in einer Unterredung mit der Führungsetage angeblich gegen ihn aus. Und Uli Hoeneß hatte einmal mehr Recht behalten: "Wenn die Spieler so wenig laufen, sind sie entweder vom Training kaputt oder spielen gegen den Trainer." Magath ist sein kruder Führungsstil nach Schalke nun auch in Wolfsburg zum Verhängnis geworden.

Neben den im heutigen Berufsleben essentiellen Soft Skills fehlte dem Coach am Ende schlichtweg das Argument, mit dem er seine eigenwillige Arbeitsweise lange Zeit rechtfertigen konnte: der Erfolg. Der Meisterkredit von 2009 ist inzwischen längst verspielt.

Magath: Nie wieder Bundesliga?

Doch wie geht es weiter für den Trainer Magath? Einen Trainer, der zweifelsohne großartige Erfolge vorzuweisen hat, aber gerade auf seinen letzten Stationen viel verbrannte Erde hinterlassen hat.

"In der Bundesliga werden wir ihn sobald nicht wiedersehen, zu speziell sind die Anforderungen, die er an seinen Arbeitgeber stellt. Und zu demoliert sein Ruf nach den Gastspielen auf Schalke und nun in Wolfsburg", kommentiert die "Welt". "Der erfolgreichste deutsche Trainer der vergangenen zehn Jahre geht in Rente", mutmaßt die "11 Freunde".

Klar ist: Ein Bundesliga-Klub, der ihm nach den vergangenen Episoden die von ihm geforderte Macht als Manager und Trainer verleiht, wird äußerst schwer zu finden sein. Die infrage kommenden Kandidaten hat Magath bereits trainiert.

Magath selbst weiß seine Perspektive in Deutschland einzuschätzen. Bereits vor seiner Entlassung wurde er daher nicht müde zu betonen, dass Wolfsburg seine "letzte Trainerstation in der Bundesliga sein wird."

Dazu verfolgt der gebürtige Aschaffenburger womöglich auch zu ehrgeizige Ziele: "Ich möchte irgendwann noch die Champions League gewinnen."

Wohin führt Magaths Weg?

Auch dass Magath einen Job als Nationaltrainer annimmt, scheint mehr als fraglich. Bereits 2006 lockte Puerto Rico, das Herkunftsland seines Vaters, den damals 53-Jährigen. Er sollte den Inselstaat als Teamdirektor zur WM 2010 führen, doch Magath lehnte dankend ab.

"Nationaltrainer zu sein, ist für mich nun wirklich keine Alternative. Dafür stehe ich viel zu gerne täglich auf dem Platz", sagte Magath auch Jahre später in einem Interview mit der "Westdeutschen Zeitung."

Bleiben also noch zwei Optionen: Ruhestand mit 59 oder ein Engagement als Klub-Trainer im Ausland. Erstere mutet eher unwahrscheinlich an. "Ich wäre nicht traurig gewesen, wenn ich ein paar Tage die Füße hätte hochlegen und die Entwicklung meiner Kinder näher betrachten können", sagte er nach seiner Entlassung auf Schalke.

Doch als der Anruf aus Wolfsburg kam, zögerte Magath keine Sekunde - zu groß war sein Hunger nach Erfolg. Und der dürfte auch nach den 586 Tagen in Wolfsburg längst nicht gestillt sein. Mit dem Waterloo von Wolfsburg will sich der ehrgeizige Trainer vermutlich nicht von der Fußballwelt verabschieden.

Magath liebäugelt mit England

Bleibt also ein Posten bei einem internationalen Klub, den er bereits vor seiner Rückkehr zum VfL anvisiert hatte. "Ich wollte schon immer ins Ausland gehen und in einer anderen großen Liga arbeiten. Ich habe nie das richtige Angebot zur richtigen Zeit bekomen, deshalb habe ich bisher meine Karriere als Manager in der Bundesliga vebracht."

Das könnte sich nun ändern. Besonders die Premier League hat es dem Schleifer angetan, zumal das von ihm präferierte Manager-Modell dort Standard ist.

"Englisch ist die einzige Fremdsprache, die ich gelernt habe und deshalb glaube ich, dass Klubs in Italien und Spanien es sich zweimal überlegen, bevor sie einen Manager wie mich verpflichten", sagt Magath, der England daher als "richtige Option" sieht.

Millionen-Angebot aus Moskau

Auch in anderen Nationen war Magath Thema. So erhielt er im vergangenen Jahr mehrere Anfragen von Dynamo Moskau, das den Coach für ein kolportiertes Nettogehalt von drei Millionen Euro aus der Autostadt lotsen wollte.

"Nachdem, was wir aus Moskau zugetragen wird, könnte ich immer noch sagen, die zweite Liga ist nicht mein Ding - und ich würde dort ein Plätzchen finden", sagte Magath, der den VfL damals mitten im Abstiegskampf übernommen hatte, gegenüber der "Süddeutschen Zeitung".

"Die waren wohl interessiert, mit mir zusammenarbeiten, falls ich mal frei wäre", so Magath weiter. Dies gilt auch für die Türkei, wo Magath immer wieder mal gehandelt wird. Nun ist Magath wieder frei. und womöglich bereit einen Neufanfang zu wagen und seine Autorität und sein süffisantes Lächeln im Ausland auszuprobieren.

Zumindest Magaths jüngste Facebook-Nachricht an die deutschen Fans klingt in den Zwischentönen stark nach Abschied: "Ihr wart hier stets eine anregende, lobende wie auch kritische Gemeinde. Für Eure Begleitung und Unterstützung bin ich sehr dankbar. [...] Passt auf Euch auf und habt gute Tage."

Felix Magath im Steckbrief