Bayerisches Ballyhoo und ganz viel Gier

Von Fatih Demireli
Der FC Bayern ist seit sieben Spielen gegen Bremen ungeschlagen
© Getty

Ohne Arjen Robben, aber mit dem besten Saisonstart und einem Ex-Bremer im Gepäck reist der FC Bayern zum Nord-Süd-Gipfel bei Werder Bremen (Sa. 15.15 Uhr im LIVE-TICKER). Jupp Heynckes nervt die Erwartungshaltung. Der Trainer fordert mehr Konzentration - ganz nach dem Geschmack Matthias Sammers. Bremen geht ohne Druck ins Spiel - und feiert vorher Claudio Pizarro.

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Über zu wenig Aufmerksamkeit hat sich Jupp Heynckes noch nie beschwert. Zum einen hat der Trainer des FC Bayern München kein ausgeprägtes Ego, sodass er mitnichten immer im Mittelpunkt stehen will.

Und außerdem ist beim FC Bayern eh immer etwas los, dass er eigentlich nichts tun muss, um das öffentliche Interesse zu wecken. Wobei: In dieser Woche lief der Tabellenführer der Bundesliga erstmals Gefahr nicht das Thema Nummer eins zu sein.

Während Heynckes im Mediencenter an der Säbener Straße über das nächste Bundesliga-Spiel gegen Werder Bremen berichtete, sprachen ein paar Kilometer weiter die Verantwortlichen der Basketball-Abteilung, Vizepräsident Bernd Rauch und Sportdirektor Marko Pesic, über die überraschende Entlassung Dirk Bauermanns. Vor einer großen Anzahl Journalisten - inklusive überregionaler Berichterstatter.

Bester Saisonstart

Münchens Thema Nummer eins: Bauermanns Abgang, gefolgt vom Oktoberfest, das ins Wochenende der Italiener geht. Und erst dann folgt die Fußball-Abteilung des FC Bayern, die aufgrund ihrer erfolgreichen Art und Weise zu spielen und Punkte zu sammeln momentan geradezu langweilig erscheint.

Jupp Heynckes macht das Spiel aber nicht mit, dass seine Mannschaft schon vorauseilend zum Titelsieger erkoren wird: "Wir dürfen uns nicht einlullen lassen. Wir gehen unseren Weg, ohne uns vom äußeren Ballyhoo beeinflussen zu lassen."

Das Ballyhoo erklärt sich von selbst: Der FC Bayern legte den besten Saisonstart der Geschichte hin, schoss zu diesem Zeitpunkt noch nie so viele Tore - und ganz nebenbei hält Heynckes jeden Profi bei Laune, so dass kein Unmut aufkommt. Die Rotation funktioniert - auch, weil jeder Neue seine Chance nutzt.

Was soll da also noch gegen Bremen, das sehr ansprechend Fußball spielt, aber nur zwei Mal gewann, anbrennen? Fragen, die Heynckes nerven. Man könne "nie sicher sein, zu gewinnen", sagt er auf der Pressekonferenz. Heynckes will die Konzentration hochhalten.

"Gier san mia"

Matthias Sammer gefällt's: "Der Trainer hat in der Sitzung vor dem Spiel (in Wolfsburg, Anm. d. Red.) von 'unbeirrbar' gesprochen - dass wir unseren Weg gehen müssen. Wir müssen das bayerische Motto mit einer absoluten Gier leben." "Gier san mia" statt "mia san mia", wie der Boulevard zuletzt so schön formulierte.

In Bremen gibt's wieder Gier, aber keinen Arjen Robben: Der zuletzt überzeugend aufspielende Niederländer hat muskuläre Probleme und trat die Reise nach Bremen gar nicht erst an. Javi Martinez, der an einem Pferdekuss litt, und der zuletzt erkältete Thomas Müller stehen zwar im Aufgebot, aber ob sie fit für 90 Minuten sind, bleibt abzuwarten.

Freiwillig wird Heynckes wohl auf Mario Mandzukic verzichten, der gegen den VfL Wolfsburg doppelt traf und seine Bundesliga-Torausbeute auf fünf erhöhte. Aber der Bayern-Trainer plant in Bremen offenbar mit Claudio Pizarro. "Er bietet sich an", sagt Heynckes über den Peruaner, der am Dienstag mit seinem 337. Einsatz zum Rekordausländer der Bundesliga aufstieg.

Party für Pizarro

Auch wenn nicht zu diesem Anlass, wird Pizarro am Samstag im Weser-Stadion gefeiert: Werder bereitet eine offizielle Verabschiedung für den Peruaner vor, nachdem diese zum Saisonende ausfiel. Damals war die Situation des Angreifers noch unklar.

"Klaus Allofs hat mich angerufen und mir davon erzählt", sagt Pizarro. "Darauf freue ich mich natürlich. Das gibt mir die Gelegenheit, mich nochmal von den Fans zu verabschieden und allen 'Danke' für eine super Zeit in Bremen zu sagen. Da werden mir sicher einige Situationen meiner Werder-Zeit durch den Kopf gehen."

Eine gute Zeit könnte Werder bevorstehen, wenn man den FC Bayern besiegt. Die Truppe von Thomas Schaaf zeigte fast in allen Saisonspielen hochwertiges, spielerisches Potenzial. Die verjüngte Mannschaft versprüht einen Offensivdrang, der Erfolg in Aussicht stellt.

"Bis jetzt hat die Mannschaft trotz einiger schwächerer Spiele insgesamt einen guten Eindruck hinterlassen. Die Mannschaft ist auf einem guten Weg", sagt auch Pizarro, der das Treiben seiner Ex-Kollegen aus der Ferne beobachtet. Auch Heynckes zeigt sich "beeindruckt" von Bremen, das einen "erfrischenden Fußball" spiele.

Bremen ohne Druck

Vielleicht mit Ausnahme des Freiburg-Spiels, das Bremen eher mit Ach und Krach als mit Glanz und Gloria gewann. "Ich denke, Freiburg war ein sehr dreckiges Scheißspiel, aber solche Siege musst du eben auch holen, die sind Gold wert. Das schweißt dich auch als Team zusammen. Wir haben nicht gut gespielt, trotzdem gewonnen und deswegen wieder mehr Selbstvertrauen", sagt Werders Zlatko Junuzovic.

Selbstvertrauen, das man gegen eine Bayern-Mannschaft, die bisher jede Pflichtaufgabe aber auch jeden Härtetest mehr als erfolgreich bestritt, durchaus brauchbar ist. Auch, wenn man den Druck geschickt nach München schiebt: "Bayern ist haushoher Favorit, wir können da relativ locker rangehen - und werden das auch tun", sagt Klaus Allofs.

Seit sieben Spielen ist Bremen gegen Bayern sieglos. Endet diese Serie, gewinnt Jupp Heynckes in München ganz sicher wieder an Aufmerksamkeit.

Bayern vs. Bremen - die Bilanz

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