"Woronin hat sich das angetan"

Von SPOX
Norbert Meier übernahm 2008 den Trainerposten bei Fortuna Düsseldorf
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Hinter Norbert Meier liegt eine Herkulesaufgabe. 18 Neuzugänge galt es in der Vorbereitung ins Team zu integrieren. Im Interview spricht der Düsseldorfer Coach über Teambuildingmaßnahmen, seinen neuen Superstar Andrej Woronin und neue Transferrerkorde.

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SPOX: Norbert Meier, Düsseldorf ist mit einem 1:0-Sieg gegen den Drittligisten Wacker Burghausen in die neue Pflichtspiel-Saison gestartet. Wie zufrieden sind sie mit diesem Auftakt?

Norbert Meier: Der Sieg war enorm wichtig. Jedes Erfolgserlebnis zu Beginn einer Saison hilft. Wir wissen alle, was im Pokal passieren kann, waren selbst vor zwei Jahren in Koblenz betroffen. Dieses Jahr haben wir es umgedreht und haben das Spiel für uns entschieden. Damit sind wir am Samstag bei der Auslosung im Topf und sind sehr froh darüber.

SPOX: Was hat Ihnen am Spiel ihres Teams gefallen, wo gibt es noch Nachholbedarf?

Meier: Ich finde, dass wir in der ersten Halbzeit eine gute Ordnung hatten. Allerdings haben wir unsere Möglichkeiten nicht konsequent verwertet. Außerdem bitte ich zu berücksichtigen, dass Burghausen im letzten Jahr bis zum Ende der Serie um den Aufstieg in die zweite Liga gekämpft hat und wir zuletzt auch Zweitligist waren. So groß sind die Unterschiede da nicht.

SPOX: Generell hat es den Anschein, dass die Unterschiede zwischen den Bundesligisten und den Drittligisten nicht mehr so groß sind.

Meier: Die 10:0-Ergebnisse, die es früher gab, gibt es heutzutage kaum noch. Da muss schon vieles zusammenkommen. Genau wie die Spieler in der Bundesliga sind das alles Vollprofis, die jeden Tag trainieren und topfit sind. Da kannst du als Trainer deinen Spielern erzählen, was du willst. Du bist immer abhängig von der individuellen Einstellung.

SPOX: Generell scheinen Sie intensiv mit dem Team gearbeitet zu haben. Schließlich galt es, 18 Neuzugänge in die Mannschaft zu integrieren. Wie schafft man das?

Meier: Du beobachtest natürlich viel. Ich sag nicht immer was, aber glauben Sie mir, in den Stunden, in denen ich bei der Mannschaft bin, sehe ich alles. Das bringt einfach die Erfahrung mit sich. Aber letztlich ist für die Teambildung immer der Erfolg auf dem Platz wichtig. So etwas schweißt am besten zusammen.

SPOX: Sind die Transfertätigungen endgültig abgeschlossen?

Meier: Grundsätzlich haben wir nicht vor, weitere Rekorde in der Spielerverpflichtung aufzustellen. Was wir machen mussten, haben wir getan. Ich denke, auch mit Andrej Woronin und Stelios Malezas haben wir noch zwei gute Jungs dazu bekommen. Schade ist, dass Bruno Soares, der in den Planungen eine wichtige Rolle gespielt hat, noch immer verletzt ist.

SPOX: War eine solche Transferflut gegen Ende der letzten Saison schon zu erwarten?

Meier: Ja, gewisse Dinge waren absehbar. Die Abgänge von Sascha Rösler und Maxi Beister waren früh klar. Bei Thomas Bröker haben wir natürlich bis zuletzt gehofft, dass er bei uns bleiben würde. Letztlich hat er sich aber für den 1. FC Köln entschieden. Assani Lukimya, der eine sehr, sehr gute Saison gespielt hat, war ebenfalls nicht zu halten. Das musst du dann erst mal wieder egalisieren. Das war nicht so einfach für uns.

SPOX: Es wurden viele Teamplayer geholt, die speziell auf den Erfolg der Mannschaft schauen. War das der Sinn der Sache?

Meier: Das weiß man vorher nicht. Man spekuliert natürlich auf gewisse Dinge. Ob es eintrifft, ist die andere Sache. Es ist für uns sowieso unabdingbar, dass sich jeder zurücknimmt und wir als Mannschaft unseren Erfolg suchen. Das haben wir auch in den letzten Jahren gemacht. Es nützt uns nichts, wenn wir in Burghausen 2:5 verlieren und Andrej Woronin zwei Mal trifft.

SPOX: Sie sprechen Andrej Woronin an. Sein Transfer war für viele überraschend. Was erhoffen Sie sich von der Verpflichtung?

Meier: Er ist ein Spieler, der national und international seine Klasse gezeigt hat. Dazu muss er allerdings topfit sein. Ich kenne ihn ja aus früheren Zeiten sehr gut. Allerdings sollte er wissen, dass er sich das hier angetan hat, auf gut Deutsch gesagt. Jetzt steht er in der Verantwortung und kommt da auch nicht mehr raus.

SPOX: Trotz des neuen Superstars bleibt Andreas Lambertz Kapitän. Nach den zahlreichen Aufstiegen ist fast schon üblich, dass alle sagen, dass er das nächsthöhere Level nicht mehr packt. Warum?

Meier: Gott sei Dank ist Lambertz in seiner Lebensphilosophie relativ schmerzfrei. Er reagiert nicht auf gewisse Einflüsse von außen. Der zieht sein Ding durch. Und das ist eigentlich das, was du auch im Fußball brauchst. Er ist für uns unverzichtbar. Das heißt nicht, dass er immer spielen wird. Aber er ist einer, der zur Fortuna wie die Faust aufs Auge passt. Wer weiß, was manche sich für Gedanken machen würden, wenn du Lumpi mal bei einem anderen Verein zum Probetraining schicken würdest, und er dann einer seiner ominösen hätte. Er repräsentiert genau das, was die Leute sehen wollen. Der kommt hier her, spielt dann teilweise in der Oberliga und jetzt ist Bundesliga angesagt. Außerdem ist es nicht so, dass er nur noch dabei sein darf, weil er diese Binde irgendwann mal getragen hat.

SPOX: Mit Axel Bellinghausen haben Sie eine zweite Identifikationsperson hinzubekommen. Was erwarten Sie sich von ihm?

Meier: Vor allem nicht, dass er hier Düsseldorf vorwärts und rückwärts dreht: Bälle aufpumpen, flanken und selbst verwerten. Klar ist, dass da eine gewisse Drucksituation da ist. Er ist zu dem Klub zurückgekehrt, in dem er groß geworden ist. Aber er ist ein Bestandteil dieser Mannschaft und muss für diese arbeiten. Er alleine wird es nicht richten können. Und im Moment setzt er sich noch zu sehr unter Druck.

SPOX: Fortuna hat in den letzten Jahren sehr viel Wert auf technischen Fußball gelegt. Denken Sie, dass das auch in der ersten Liga möglich ist.

Meier: Das Spiel wird sich schon etwas ändern. Vielleicht bekommen wir es wieder hin, dass wir 60 bis 70 Prozent Ballbesitz haben. Aber das wird nicht immer gehen. Dementsprechend musst du andere Dinge forcieren. Wir haben im letzten Jahr eine Halbserie ohne Niederlage gespielt. Die Mannschaft war erfolgsverwöhnt und hat gar nicht mehr gewusst, was es heißt zu verlieren. Jetzt heißt es auch mal Rückschläge und Niederlagen wegstecken. Das ist auch wieder ein Lernprozess. Wir müssen mit den Dingen vorlieb nehmen, die auch auf uns zukommen. Da brauchst du richtige Kerle, die sich den Mund abputzen und auch immer weitermachen. Das wird wichtig sein.

SPOX: Kann es also auch sein, dass die Mannschaft deutlich defensiver ausgerichtet sein wird?

Meier: Das muss nicht sein. Das hängt einfach davon ab, wie wir defensiv arbeiten. Es kann auch mal sein, dass wir taktisch auf gewisse Dinge des Gegners reagieren. Wir sind noch nicht so weit, dass wir beispielsweise Leverkusen unser Spiel aufdrücken können.

SPOX: Sie haben vom Lernprozess gesprochen, den die Mannschaft durchmachen muss. Gilt das auch für das Publikum?

Meier: Ich denke, dass alle hier sehr vernünftig sind und das auch schon wissen. Wir konnten uns in der letzten Saison gar nicht vornehmen, mit aller Gewalt aufsteigen zu wollen. Aber wir haben es geschafft. Jetzt wollen wir es angehen. Und ich denke, das Publikum wird wissen, dass der Funke von unten nach oben überspringen muss.

SPOX: Das Heimspiel gegen Gladbach findet nicht vor komplett leeren Ränge statt, sondern zumindest 25.000 Zuschauer dürfen ins Stadion. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Meier: Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, das ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Alles sieht jetzt toll aus. Aber ich weiß nicht, ob das das Richtige ist.

SPOX: Zum Abschluss: Gegen wen kämpft die Fortuna im Kampf um die Nichtabstiegsplätze?

Meier: Ich weiß nicht, was sich da tut. Wir wollen auf uns schauen. Und ich werde ganz sicher nicht den Saisonverlauf von anderen Mannschaften vorhersagen. Jedes Spiel sollte für die Fortuna ein Genuss sein, denn der Aufstieg war nicht absehbar. Jetzt hast du 34 Spiele gegen all die Vereine, die du sonst nur zum Arena-Cup einladen könntest. Das ist das Nonplusultra für einen Fußballer. Und wenn die Leute montags nach dem Bundesliga-Wochenende zur Arbeit kommen, dann treffen sich Fans von Köln, Leverkusen, Gladbach und Bochum. Die Düsseldorf-Anhänger durften eine ganze Zeit lang morgens nur den Kaffee bringen. Und jetzt hast du wieder Beachtung.

Norbert Meier im Steckbrief

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