Wieder zu Hause

Von Stefan Petri
Andrej Woronin mit dem neuen Trikot, fotografiert vor seiner neuen Heimat
© spox

Nach drei Jahren im Ausland ist Andrej Woronin zurück in der Bundesliga. Mit seinen Toren soll er Fortuna Düsseldorf zum Klassenerhalt schießen. Aber warum kommt er zurück?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Er war an diesem 31. Juli der Blickfang in der Esprit Arena von Düsseldorf: Muskulöse 1,79 Meter groß, blondiertes Haupthaar, beide Arme von Tattoos übersät, auffällige Uhr am linken Handgelenk, Designer-Shirt mit aufgedruckter neon-rosa Silhouette eines Totenschädels. Er wirkt entspannt, in ruhiger Erwartung auf die Zukunft. Er soll die Fortuna zum Klassenerhalt schießen - oder zu mehr.

Er, das ist Andrej Woronin, ukrainischer Stürmer und Ex-Nationalspieler. 33 Jahre alt und über 100 Pflichtspieltore schwer, in England, Russland und eben auch in Deutschland. Für fünf deutsche Klubs hat er schon gespielt, mit der Fortuna kommt nun ein sechster dazu. Warum wieder Bundesliga, und warum Düsseldorf?

Schneller Wechsel

"Sportlich ist Andrej ein Gewinn für fast jede Mannschaft. Torgefährlich, stark am Ball und mit gutem Auge", sagt Kevin Kuranyi, bis zuletzt Teamkollege von Woronin bei Dynamo Moskau, gegenüber SPOX. Doch mittlerweile ist Woronin eben kein Gewinn mehr für einen Klub wie Dynamo Moskau.

Die Folge: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde der Ukrainer nach Düsseldorf verliehen. "Sonntag habe ich von Fortunas Angebot erfahren. Montag meinen Flug gebucht. Seit Dienstag bin ich hier. Und Mittwoch geht es los", erklärte Woronin nach seinem Wechsel, selbst noch etwas erstaunt ob seines hastigen Abgangs aus der russischen Hauptstadt.

Probleme mit dem Trainer

Dort hatte es zuletzt einfach nicht mehr funktioniert - vor allem mit dem inzwischen entlassenen Dynamo-Coach Andrej Silkin. Schon seit Monaten war das Tuch zwischen Spieler und Trainer zerschnitten. "Ich habe dem Trainer als Kapitän mal meine Meinung gesagt, danach war ich draußen", erklärt Woronin.

"Bei Dynamo gab es in der letzten Saison einige Unstimmigkeiten, auf die ich aber gar nicht näher eingehen will. Es hat am Ende eben leider nicht mehr richtig gepasst", sagt Kuranyi.

Schon während der EM (zwei Einsätze, kein Tore, danach der Rücktritt), suchte Woronin deshalb öffentlich nach einem neuen Arbeitgeber, der schließlich mit der Fortuna gefunden wurde. Auch, weil Dynamo einen Großteil des kolportierten Jahresgehalts von vier Millionen Euro übernimmt.

"Ich habe die geile Atmosphäre, die Fans und die vollen Stadien in der Bundesliga vermisst. Das gibt es in Russland nicht. Ich freue mich riesig auf die Saison", zeigt sich Woronin begeistert vom Deutschland-Comeback.

Alle Wege führen in die Bundesliga

Er ist nun wieder zurück in der Bundesliga, dort wo er seine erfolgreichste Zeit erlebte. In 118 Einsätzen für Gladbach, Köln und Leverkusen erzielt er zwischen 1997 und 2007 37 Tore, dazu kommen noch 29 Zweitliga-Treffer für Gladbach und Mainz.

2007 verlässt er Deutschland dann Richtung Premier League und wechselt zum FC Liverpool. Die Insel und die Aussicht, dauerhaft Champions League spielen zu können, locken ihn. An der Anfield Road läuft es allerdings nicht. Nach nur einem Jahr ist er schon wieder in der Bundesliga zurück.

Hertha BSC leiht ihn für eine Saison aus und spielt die beste Saison seit Jahrzehnten. Auch dank Woronin. Der 75-fache Nationalspieler sammelt 14 Scorerpunkte in 27 Spielen. "König von Berlin" nennen ihn die Gazetten. Doch er muss trotzdem zurück nach Liverpool. Die klamme Hertha kann ihn nicht weiter finanzieren.

Die Reds allerdings haben keine Verwendung mehr für den Angreifer und verscherbeln ihn im Januar 2010 schließlich für fünf Millionen Euro nach Moskau. 2011 spielt er dort eine starke Saison (elf Tore, vier Assists) und wird zu Ukraines Fußballer des Jahres gewählt.

Dann folgt das Zerwürfnis mit Silkin. Woronin muss plötzlich gar um seine EM-Teilnahme fürchten und entscheidet deshalb: Er muss seine Karriere wieder neu beleben.

Meier - das Ass im Ärmel

Als das Angebot aus Deutschland kam, musste er nicht lange überlegen. Bei der Fortuna soll der Neustart nun gelingen. "Düsseldorf hat noch gefehlt. Ich bin sozusagen ein Rheinländer. Hier im Westen fühle ich mich zu Hause", erklärt Woronin, warum er sich für die Fortuna entschied.

"Ich habe schon für Mönchengladbach, Köln und Leverkusen gespielt. Düsseldorf wird meine letzte und schönste Station in dieser Region." Was Woronin sagt, kommt gut an: "Ich liebe Düsseldorf. Schon bei meinen Stationen in Leverkusen und Gladbach war ich immer hier. Wir haben viele Freunde hier. Auch meine Frau Yuliya freut sich sehr."

Was Woronin unerwähnt lässt: Nur Düsseldorf war interessiert. Mönchengladbach, vor Wochen ebenfalls als Destination für Woronin gehandelt, hat sich doch lieber für Holland-Knipser Luuk de Jong entschieden. Leverkusen ist versorgt, Köln dümpelt in Liga zwei. Die Fortuna dagegen hat den Aufstiegskader kräftig entrümpelt, ihr steht etwas Erfahrung gut zu Gesicht - ganz besonders, wenn sie billig zu haben ist. "Mit Geld hätten wir ihn nicht mehr locken können", gibt Trainer Norbert Meier zu.

Aber mit Meier. Denn der war es, der dem Teenager Woronin damals bei Mönchengladbach eine Chance gab. "Norbert Meier hat mich als A-Jugendspieler zu den Profis geholt und unter ihm durfte ich mein Bundesligadebüt feiern. Daher war für meine Entscheidung auch ausschlaggebend, dass Norbert Meier Trainer bei der Fortuna ist", erklärt der Stürmer. So schließt sich der Kreis.

BLOG Die neue Fortuna

Unbezahlbarer Anführer

Beim Aufsteiger soll er als Leader fungieren, den Spielern das Abstiegsgespenst austreiben und stattdessen Selbstvertrauen vermitteln. "Er ist ein Typ, der die Ärmel hochkrempeln und eine ganze Mannschaft mitreißen kann", so Kuranyi.

Womit Woronin auch gleich anfängt: "Wenn irgendein Spieler meint, dauernd nur vom Abstiegskampf zu reden, muss er gar nicht erst auflaufen. Ich habe höhere Ziele!" So und ähnlich erschallt es im Blätterwald: "Ich sehe uns überhaupt nicht als Bundesliga-Außenseiter. Wir werden sicherlich nicht Meister. Aber wir müssen keine Angst haben - vor niemandem."

Bei so viel Selbstvertrauen müssen die übrigen Fortunen mitziehen. Vor allem, weil Woronin seinen Worten auch Taten folgen lässt. So verrät Teamkollege Ronny Garbuschewski der "Bild": "Andrej weiß, wie der Hase läuft. Er spielt gedanklich schneller als wir!" Und Rückkehrer Axel Bellinghausen, der Woronin mit Vorlagen füttern soll, ist sicher: "Andrej hat zuletzt ja noch die Europameisterschaft für die Ukraine gespielt, hat sehr viel Erfahrung. Ein Stürmer von seiner Qualität und Klasse ist eine absolute Bereicherung."

Da stört es auch nur marginal, dass vor kurzem Störfeuer aus Moskau aufkamen. Nach einem katastrophalen Start in die Liga rollten bei Dynamo Köpfe, Coach Silkin musste gehen - und die Moskauer überlegten ernsthaft, Woronin zurückzuholen.

Daraus wurde allerdings nichts. "Das läuft so nicht", blockte Finanzvorstand Paul Jäger ab. "Es sei denn, Dynamo bietet 100 Millionen Euro."

Andrej Woronin im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema