Marin: Der ungewöhnlichste Deal des Jahres

Von Haruka Gruber
Neues Leben in London: Marko Marin mit seiner Freundin Katharina Theilmeier
© Getty

Im Ausland wid Marko Marins Verpflichtung bejubelt, in Deutschland hingegen regieren Hohn und Skepsis. Zu absurd erscheint es, dass der Champions-League-Finalist ausgerechnet in einem aus dem DFB-Team aussortierten Spieler eine Verstärkung sieht. Dabei ist Chelseas Entscheidung nur die logische Fortführung eines Trends.

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Die Reaktionen hätten widersprüchlicher nicht ausfallen können. Während in Deutschland Marko Marins Verpflichtung durch den FC Chelsea mit Unverständnis und teils unverhohlenem Hohn kommentiert wurde, fiel die Bewertung des Wechsels im Ausland wesentlich positiver aus. Abzulesen bei Twitter.

"Mata, Torres, Marin. Es wird sinnlich", lautete der euphorische Tweet von "Morad". "JonBloggs66" schreibt: "Er hat das Potenzial, fantastisch zu sein. Großartige Übersicht und Dribblings." Und für "Phaa_deel" steht fest, dass Marin in die erste Elf gehört und Florent Malouda verdrängt: "Gott sei Dank haben wir ihn geholt. Malouda sollte sich nicht mehr als Chelsea-Spieler sehen."

Derlei Kommentare sind keine Ausnahme, sondern nur eine kleine Auswahl. Ebenfalls häufig zu lesen sind Formulierungen wie "Brillanter Flügelspieler" oder "Super Verpflichtung". Es ist augenscheinlich: Marin genießt im Ausland eine wesentlich bessere Reputation als in der Heimat.

Plötzlich beim Topklub

Die Ablöse von rund acht Millionen Euro, obwohl Marin 2013 umsonst hätte wechseln können? Ein Vertrag über fünf Jahre beim Champions-League-Finalisten und überhaupt bei einem der größten Klubs der Welt? Für die meisten Beobachter in Deutschland wirkt der Wechsel fast schon absurd ob der schwachen Saison, die Marin spielt.

Doch Chelseas Interimstrainer Roberto Di Matteo erklärte nach dem 6:1 gegen Queens Park, weswegen der Klub das Wagnis eingeht: "Er ist ein aufregender Spieler, ein junger deutscher Nationalspieler und er ist technisch sehr gut und begabt. Er wird das Team mit einigen Qualitäten bereichern."

Stammplatz bei Chelsea denkbar

Marin selbst sagt: "Für mich geht ein Traum in Erfüllung. Chelsea ist mein Traumverein. Ich bin glücklich, dass ich so eine Chance bekomme." Eine Chance, die auch einen möglichen Stammplatz beinhaltet.

Auf einen Verbleib von Salomon Kalou (Vertrag bis 2012) und Malouda (bis 2013) legt Chelsea keinen Wert, so dass Marin die zweite Flügelposition neben dem unumstrittenen Mata gebührten könnte. Seine Konkurrenten sind der ebenfalls im Sommer kommende Kevin de Bruyne, 20-jähriger Belgier, der formschwache Daniel Sturridge und eventuell der umerzogene Ramires, der vom Wesen her aber viel mehr im defensiven Mittelfeld beheimatet ist.

Marin: Pro und Contra

Es fällt schwer, objektiv über Marins wahre Wertigkeit zu urteilen. Die Kritiker führen an, dass er sich seit zwei Jahren nicht weiterentwickelt hat, sich zu sehr aufs Schinden von Fouls versteht, ein eindimensionaler Dribbler ist und zurecht von Bundestrainer Jogi Löw aussortiert wurde.

In dessen Ranking der offensiven Mittelfeldspieler fiel Marin, letztmals im November 2010 für den DFB im Einsatz, deutlich hinter Mesut Özil, Mario Götze, Thomas Müller, Marco Reus, Lukas Podolski, Andre Schürrle und Kevin Großkreutz zurück. Selbst wenn sich Marin nicht so häufig verletzt hätte in diesem Jahr (Becken, Leiste, Hüfte, Oberschenkel), wäre eine Nominierung für den EM-Kader unrealistisch gewesen.

Die Befürworter wiederum führen an, dass die enttäuschende Saison nur eine Ausnahme und keine Regel ist. 2011/12 lautet die Bilanz: 1 Tor und 5 Assists in 21 Spielen. In jeder den vier Spielzeiten zuvor aber erzielte Marin mindestens 3 Tore und gab 11 Assists (siehe Infobox links). In jeder! Ein Beweis seiner Klasse. Und eine Erklärung dafür, warum Chelsea so erpicht auf den 23-Jährigen war.

Christopher Samba der Pionier

Der Wechsel ist außerdem eine logische Fortführung eines Trends, der in den letzten zwei Jahren in England zu erkennen ist. Premier-League-Klubs verpflichten wesentlich häufiger als früher deutsche Nationalspieler (Boateng, Mertesacker, Podolski) und generell Spieler aus der Bundesliga, weil diese sich als besonders werthaltig erweisen.

Demba Ba (in dieser Saison: 31 Spiele, 16 Tore), Papiss Cisse (11 Spiele, 11 Tore), Gylfi Sigurdsson (16 Spiele, 12 Scorer-Punkte), Pawel Pogrebnyak (9 Spiele, 6 Tore) - sie alle eint, dass sie sich erstaunlich schnell in der Premier League etablierten.

Der Kanadier David Hoilett, früher in Paderborn und bei St. Pauli, gehört dank 13 Scorer-Punkten in 31 Spielen für Blackburn zu den Entdeckungen schlechthin.

Der Pionier heißt Christopher Samba. Der damalige Ersatzspieler von Hertha BSC wurde 2007 für 500.000 Euro von Blackburn gekauft - und ging ein als eines der größten Schnäppchen in die Premier-League-Geschichte. Anfang 2012 wurde er für 14 Millionen Euro an den russischen Verein Machatschkala weiter veräußert.

Damals gab es einen weiteren Mitbieter: der FC Chelsea.

Marko Marin im Steckbrief

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