Dysbalance aus Leidenschaft und Konzept

Von Stefan Rommel
Kölns Trainer Stale Solbakken (hier beim Spiel in Hamburg) war nach dem 1:6 gegen den BVB bedient
© Getty

Der 1. FC Köln und der Hamburger SV schienen schon auf einem guten Weg - und stecken jetzt doch tiefer im Abstiegskampf als je zuvor. Im Mittelpunkt stehen dabei auch die Trainer Stale Solbakken und Thorsten Fink und ihre unterschiedlichen Strategien, die beide auf ihre Art nicht ausgereift wirken.

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Vor dem Spiel in Köln hatte Jürgen Klopp etwas mehr Zeit als gewöhnlich. Auf der A1 machte eine Baustelle die Anreise tausender BVB-Fans zu einer langwierigen Angelegenheit. Die Partie gegen den FC musste deshalb mit zehn Minuten Verspätung angepfiffen werden.

Eine kurze Spanne, die Klopp mit einer bemerkenswerten Aussage füllte. Man bekomme große Probleme, wenn sich eine Mannschaft auf das Spiel des 1. FC Köln einlasse. "Wir wollen aber unser Spiel durchbringen und wenn wir das schaffen, haben wir gute Chancen, hier zu gewinnen."

Es gibt nur ein Konzept

Darin lagen drei Wahrheiten: Borussia Dortmund hat eine bessere Mannschaft als der 1. FC Köln und würde mit genau dieser Gewissheit in die Partie gehen. Borussia Dortmund kennt die FC-Matrix und würde die konsequent bespielen. Der 1. FC Köln würde dann kaum noch Chancen haben, sich aus seiner selbst gefestigten Umklammerung zu befreien.

Es gehört zu Stale Solbakkens Konzept, nur dieses eine Konzept zu verfolgen und - wie in diesem speziellen Fall - bis zum ganz bitteren Ende durchzuziehen. Dass das auch ganz gut funktionieren kann, zeigen acht Saisonsiege und teilweise sehr ansprechende Leistungen.

15 Niederlagen, 56 Gegentore

Wie anfällig der Plan aber auch ist, wenn er nicht aufgeht, zeigen 15 Niederlagen (die meisten der Liga) und 56 Gegentore (die meisten der Liga). Da ist viel Schwarz und Weiß dabei, viel Hopp oder Top. Nicht zufällig hat Köln bisher erst viermal die Punkte geteilt.

Der 1. FC Köln ist ein schwieriger Klub und Stale Solbakkens System eine ebenso schwierige Angelegenheit. Die Ausrichtung ist defensivlastig, im krassen Gegenspruch dazu steht aber die Flut an Gegentoren, die jetzt die Zwei-Tore-Marke pro Spiel überschritten hat.

Das System greift gegen die Mittelklasse und die Konkurrenz aus der Abstiegszone - zumindest in jedem zweiten Spiel. Gegen die Top Vier gab es in bisher sechs Spielen aber sechs Niederlagen bei 3:26 Toren. Dann fehlt die Flexibilität, um auf einen Spielverlauf auch mal von der Seitenlinie aus zu reagieren.

Beim 0:3 in München im Dezember war selbst Franck Riberys Platzverwies kurz vor der Halbzeit und der später folgende Rückstand kein Anlass, an der anfangs veranschlagten Ausrichtung Änderungen vorzunehmen.

Blog: FC Solbakken

"Das 1:6 sagt alles"

Das Kölner Spiel wirkt dann klinisch und starr und am Ende hat der Betrachter oft den Anschein, die Mannschaft würde sich nicht leidenschaftlich dagegen wehren, sondern die Prügel klaglos über sich ergehen lassen. Emotionale Siege wie in Leverkusen, Hamburg oder zuletzt gegen die Hertha zeigen, dass die Mannschaft auch anders kann. Die Farbtupfer sind aber in der Minderheit.

"Nach dem 1:3 haben wir den Kopf verloren", sagte Solbakken nun nach dem Spiel gegen den BVB, "das 1:6 sagt alles." Dabei hatte er vorher angekündigt, nicht wie im Hinspiel wieder dieselben Fehler zu machen.

Vor zwei Wochen hat sich der Klub seinem Trainer und dessen Idee verschrieben, als Sportdirektor Volker Finke gehen musste. Ohne Präsidenten und Sportdirektor ist Köln ganz auf Solbakken fixiert, schenkt dem Norweger das volle Vertrauen.

"Wir brauchen jetzt eine gute Trainingswoche, weil wir ein sehr wichtiges Spiel gegen Augsburg haben. Ich stelle mich zu hundert Prozent hinter die Mannschaft."

Fink: "Wir müssen nichts ändern"

Das tut auch Thorsten Fink seit seinem Antritt beim Hamburger SV im September. Er hat damals die ganze Aufmerksamkeit auf sich und seinen unerschütterlich wirkenden Optimismus gelenkt. Als Spieler war er mit den Bayern Serienmeister in Deutschland, als Trainer mit dem FC Basel Serienmeister in der Schweiz.

"Wir müssen nichts ändern. Diese Mannschaft hat unheimlich viel Qualität", sagte Fink damals über eine Mannschaft, die mit sieben Punkten aus neun Spielen in die Saison gestartet war. Danach blieb Hamburg unter Fink achtmal in Folge ungeschlagen, es schlichen sich bereits wieder Gedanken an Europa in die Köpfe aller, die mit dem HSV zu tun haben.

Die Sinne vernebelt

Dabei vergaßen einige offenbar, dass auch in der "Erfolgsserie" nur zwei Siege gefeiert wurden und die Mannschaft gemessen an den reinen Fakten mit 19 Punkten zur Saison-Halbzeit dem Relegationsrang deutlich näher war (drei Punkte Vorsprung) als den Europa-League-Plätzen (sieben Punkte Rückstand).

Kurioserweise hat der eine Punkt in Mönchengladbach zu Beginn der Rückrunde einigen die Sinne vernebelt. Seitdem geht es bergab, mit Paolo Guerrero fällt der wichtigste Spieler der Ära Fink noch einige Wochen aus. Es bleibt ein Punkt aus den letzten sechs Spielen und der Absturz auf Rang 16.

Fink hat mit seiner Aura und seinem Selbstverständnis für ein kurzzeitiges Hoch gesorgt, lässt aber bis auf einen augenscheinlichen taktischen Kniff bisher ein echtes Konzept auf dem Platz vermissen und fährt stattdessen weiter die Emotionsschiene.

Diffuses Anspruchsdenken

Das Anspruchsdenken der Verantwortlichen und der Spieler ist diffus - Fink lebt vor, mehr zu wollen als seine Mannschaft liefern kann. Das kann funktionieren, weil man von einem Bruchteil des Optimums ja immer noch gut leben könnte.

Einzelne Spieler leben aber danach, ohne zu merken, dass ihre wahre Leistungsfähigkeit schon längst nicht mehr mit dem eigenen Wunschdenken konform geht.

"Wir müssen die Situation ganz klar erkennen und erkennen, dass wir jetzt sieben Abstiegsendspiele haben", sagt Vorstandsvorsitzender Carl Edgar Jarchow. "Wir erwarten, dass die Mannschaft sich voll für dieses Ziel einsetzt!"

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