"Die Bayern lehnten Robinho ab"

Von Interview: Haruka Gruber
Paulo Sergio beim Legenden-Spiel 2011 zwischen Real Madrid und FC Bayern München
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SPOX: In Erinnerung bei den Bayern blieb unter anderem Ihr "Skorpion"-Tor gegen den PSV Eindhoven im Sommer 1999, das Sie im Vorwärtsfallen per Hacke erzielten. War es das schönste Tor der Karriere? Oder doch der Fallrückzieher, der Ihnen beim Legendenspiel der Bayern bei Real Madrid im Sommer letzten Jahres gelang?

Paulo Sergio: Das Spiel in Madrid hat Spaß gemacht und mich hat es gefreut, dass es in Deutschland live gezeigt wurde. Trotzdem war es genauso wenig das schönste Tor meiner Karriere wie das gegen Eindhoven. An den Tag will ich ohnehin nicht erinnert werden, obwohl wir 2:1 gewannen und mir auch der zweite Treffer glückte. Kurz vor dem Ende sprang mir Sammy Kuffour bei einem Eckball volle Wucht in meinen Rücken. Was ein Schlag. Ich konnte danach eine Woche nicht laufen. Den Schmerz kann ich jetzt noch fühlen. (lacht)

SPOX: Was war denn Ihr schönstes Tor?

Paulo Sergio: 1996, damals noch für Leverkusen gegen Köln. Dirk Heinens Abstoß wird länger und länger, irgendwie landet der Ball bei mir, ich nehme ihn mit der rechten Hacke mit und ziehe sofort volley mit links ab. Das war richtig cool.

SPOX: Weniger schön dürften Ihre Erinnerungen an das Champions-League-Finale 2001 mit den Bayern gegen Valencia gewesen sein. Beim Elfmeterschießen landete Ihr Ball im Himmel von Mailand.

Paulo Sergio: Ich nahm mir fest vor, nach links zu schießen. Nur: Santiago Canizares hat sich so schnell bewegt, dass ich mich im Anlauf für rechts entschied - und heraus kam so etwas. Danach habe ich nur noch gebetet - zu Gott und zu Olli Kahn. Er ist seit dieser Nacht eine Legende.

SPOX: Wie waren die Feierlichkeiten?

Paulo Sergio: Genauso legendär wie Ollis Paraden. Von mir fiel so viel Druck ab. Ich erinnerte mich an mein erstes Jahr in Deutschland. Gleich am Anfang gab es eine Pressekonferenz in Leverkusen und ich sagte, dass ich nicht nur irgendwann an der Champions League teilnehmen möchte, sondern sie auch gewinnen will. Damals haben mich die ganzen Journalisten mit großen Augen angeschaut und mich ausgelacht. Und ich wusste damals schon, dass ich Recht behalte.

SPOX: Ist die Bayern-Mannschaft von 2001 besser als die jetzige?

Paulo Sergio: Ja. Damals bewegten sich die ersten 16 Spieler auf dem gleichen hohen Niveau. Das war der Schlüssel für den Champions-League-Sieg. Diese Tiefe fehlt derzeit. Wenn von Franck Ribery, Arjen Robben, Thomas Müller und Mario Gomez ein oder zwei ausfallen, funktioniert die Offensive nicht mehr. Wir hingegen hatten damals: Giovane Elber, Mehmet Scholl, Carsten Jancker, Alexander Zickler und mich für ganz vorne im Dreier-Sturm und dahinter noch Stefan Effenberg, Brazzo Salihamidzic, Bixente Lizarazu und Willy Sagnol. Das war nach vorne eine andere Klasse.

SPOX: Könnten die Bayern von 2001 sogar den FC Barcelona 2012 bezwingen?

Paulo Sergio: Es ist schwer zu vergleichen, weil heute ein anderer Fußball gespielt wird. Dennoch sage ich es mal so: Wir haben damals gegen spanische Mannschaft immer gut ausgesehen. Wir haben 2001 im Bernabeu Real mit 1:0 besiegt und im Jahr davor sogar 4:2. Und damals war Real die Topadresse mit Raul, Luis Figo und Roberto Carlos. Daher denke ich, dass wir mit dem Barca von heute mithalten würden.

SPOX: Wie groß ist aktuell der Rückstand der Bayern auf Barca?

Paulo Sergio: Die Bayern sind in Europa absolut top: Die englischen Teams haben Probleme, die Italiener sind auch nicht mehr so stark. Und Real Madrid bewegt sich auf gleicher Höhe. Das große Problem aber: Barca ist immer noch weit, weit weg. Die Lücke von Barca zu den nächstbesten Mannschaften, Bayern und Real, ist riesig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Lücke in der Rückrunde zu schließen ist.

SPOX: Müssen die Bayern ins finanzielle Risiko gehen und im Sommer einen Superstar kaufen, um den Rückstand aufzuholen?

Paulo Sergio: Egal, wie viele Millionen die Bayern ausgeben würden: Wer macht denn Sinn? Um die Bayern auf das Niveau von Barca zu bringen, brauchen sie einen besonderen Spieler. Keinen Tevez, keinen Neymar, keinen Dimitar Berbatow. Das alles sind Fußballer mit guten Fähigkeiten: Sie können viel laufen, dribbeln, Tore schießen. Aber es gibt auf der Welt nur vier Spieler, die eine Mannschaft wie die Bayern entscheidend verbessern können: Das sind Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Xavi und Andres Iniesta - und sie sind alle nicht zu kaufen. Von daher sollten die Münchner Geduld haben. Sie sollten darauf setzen, dass einem Müller oder einem Gomez der Sprung gelingt von einem sehr guten Spieler zu einem besonderen Spieler.

Paulo Sergio im Steckbrief

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