Bader: "Ich sieze Dieter Hoeneß immer noch"

Von Interview: Haruka Gruber
Der Ziehsohn und der Mentor: Nürnberg-Sportvorstand Martin Bader (l.) mit Dieter Hoeneß
© Imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: So wurden Sie Freunde?

Bader: Wir kennen uns seit 15 Jahren und dennoch sieze ich Herrn Hoeneß immer noch. Er wird diese Respektperson bleiben, mit dem ich ein tiefes Urvertrauen verbinde. Wir haben damals Hertha in die Champions League geführt und Toptransfers getätigt: Marcelinho, Sebastian Deisler, Arne Friedrich, Stefan Beinlich, Marco Rehmer. Was wir alles erlebt haben! Da flogen wir rüber nach Brasilien und klärten alles mit dem Berater von Marcelinho. Dann kehrten wir zurück und plötzlich hatte er neue Berater mit neuen Forderungen. Und es ging wieder bei null los. Wir erlebten so viel Absurdes. Manchmal saßen wir nachts im Hotel bis zwei, drei Uhr zusammen und diskutierten über alles. Über Transfers, über den Verein, den Fußball und das Leben an sich. Diese Momente haben mich geprägt.

SPOX: Dieter Hoeneß förderte Sie, später nahm er den heutigen Hertha-Geschäftsführer Michael Preetz ebenfalls unter die Fittiche. Das Verhältnis zwischen beiden ist jedoch stark belastet, weil Preetz gegen seinen früheren Mentor intrigiert haben soll, um diesen zu entmachten, wie Hoeneß beklagt. Wie konnte es so weit kommen?

Bader: Ich habe die Vorgänge nie verstanden, weil ich mit Herrn Hoeneß immer sehr gut auskam. Ich weiß, dass er eine starke Persönlichkeit mitbringt, dabei verfügt er über eine wahnsinnig hohe Sozialkompetenz. Damals habe ich es genossen, dass sich Herr Hoeneß mit seinen breiten Schultern immer in den Wind gestellt hat, wenn es ungemütlich wurde, um mir und Michael Preetz Schutz zu bieten. Um mehr über das Thema zu sprechen, fehlt mir der Einblick. Ich kenne nur die eine Seite.

SPOX: Sie beschlossen Ende 2003, sich von Hertha und Dieter Hoeneß abzunabeln und nach Nürnberg zu wechseln. Fiel es ihm leicht, Sie loszulassen?

Bader: Es gab natürlich Diskussionen. Er verstand anfangs nicht, warum ich aus Berlin wegen eines Zweitligisten weggehe. Es war seine Art der Wertschätzung, dass er so um mich gekämpft hat. Im Nachhinein verstand er, warum ich den Schritt nach Nürnberg gehen musste. Ich wollte mich emanzipieren und etwas Eigenes schaffen.

SPOX: Warum Nürnberg?

Bader: Ich suchte einen Verein, den ich aus der 2. Liga nach oben führen kann und der gleichzeitig über das Potenzial verfügt, um sich in der Bundesliga zu etablieren. Ein Verein, bei dem ich nur als Mangelverwalter gefragt gewesen wäre, kam nicht in Frage. In Nürnberg lag damals einiges brach, aber ich erkannte die riesigen Möglichkeiten. Mit dem neuen Funktionsgebäude und dem mit drei Sternen ausgezeichneten Nachwuchsleistungszentrum sind wir auf einem guten Weg, sie nach Jahren der Arbeit auszuschöpfen.

SPOX: Die ersten Jahre waren jedoch weniger von Nachhaltigkeit denn von purer Existenzangst geprägt. Nach der Entlassung von Wolfgang Wolf Ende 2005 kam es zur kuriosen Situation, dass Nachfolgekandidat Peter Neururer auf Ihrem Mailbox seine Absage hinterließ, während Sie parallel im Fernsehen über Neururer als möglichen neuen Trainer sprachen. Fühlten Sie sich bloßgestellt?

Bader: Nein, nein, das ist damals einfach blöd gelaufen. Wir redeten damals mit drei Trainern, darunter Lothar Matthäus und Peter Neururer. Neururer verfügte damals über einen super Namen und wir dachten, dass das gut passt. Weil an dem Samstag ein Spiel gegen Stuttgart anstand, machten wir aus, dass wir am Montag drauf noch einmal verhandeln. Nur: Wir waren miserabel und verloren 0:1. Das hatte Neururer so abgeschreckt, dass er mir nach Abpfiff sofort auf die Mailbox sprach. Ich hörte sie aber nicht ab, ging vor die Kameras und sagte, dass wir mit Neururer in Gesprächen seien. Eine sehr unglückliche Geschichte.

Katharina Wildermuth: Die einzige Pressechefin der Bundesliga

SPOX: Matthäus fühlte sich als zweite Wahl und gab Ihnen ebenfalls einen Korb. Sie waren ohne Trainer, standen extrem unter Druck - und machten etwas Ungewöhnliches: Sie baten um Hilfe und gaben es öffentlich sogar zu.

Bader: Warum auch nicht? Ich rief Dieter Hoeneß an und fragte ihn, was er in meiner Position machen würde. Es wäre fahrlässig von mir gewesen, wenn ich einen Mann mit so einer Erfahrung nicht um Hilfe gebeten hätte. Wir haben daraufhin lange diskutiert, verschiedene Namen durchgesprochen und plötzlich fragte er mich: "Was hältst du von Hans Meyer?" Ich antwortete: "Er ist längst Rentner." Daraufhin gab mir Hoeneß dessen Nummer und sagte nur vielsagend: "Ruf ihn einfach mal an."

SPOX: Meyers Ernennung zum neuen Trainer gehört zu Ihren wegweisenden Entscheidungen. Unter ihm gewann Nürnberg 2007 den DFB-Pokal und zog in den UEFA-Cup ein. Doch nur ein Jahr später folgte der schockierende Abstieg in die 2. Liga. Mit welchen Folgen?

Bader: Durch den Abstieg haben wir in der Entwicklung ungefähr zwei Jahre verloren. Darum weiß ich nur zu gut, was ein Abstieg in dieser Saison bedeutet. Wir würden nicht in die Steinzeit zurückfallen, dafür sind die Bedingungen zu gut. Dennoch kostet ein Abstieg immens viel Zeit. Der Klassenerhalt in diesem Jahr wäre sogar noch wertvoller als sonst schon.

SPOX: Warum?

Bader: In der Bundesliga werden die TV-Gelder nach der Vier-Jahreswertung ausgeschüttet, entsprechend würden wir in der folgenden Saison überproportional davon profitieren, weil das Zweitliga-Jahr 2008/09 wegfällt. Hinzukommen die Einnahmen aus dem Wollscheid-Verkauf an Leverkusen. Sollten wir in der Klasse bleiben, wären wir endlich in der Lage, umworbene Spieler zu binden oder uns wesentlich zu verstärken. Sollten wir hingegen absteigen, brauchen wir selbst im Falle eines direkten Wiederaufstiegs drei Jahre, um auf das Level von heute zurückzukehren. Das kann man betriebswirtschaftlich ziemlich genau kalkulieren.

SPOX: Umso überraschender ist die Ruhe, die in Nürnberg mittlerweile herrscht. Ist es womöglich das größte Kompliment an Sie, dass trotz der schwierigen Tabellensituation kein Journalist und kein kritischer Fan eine Entlassung von Ihnen oder Trainer Dieter Hecking fordert?

Bader: Auf jeden Fall. Die Leute haben verstanden, dass hinter unserer Arbeit Substanz steckt und dass meine acht Jahre in Nürnberg kein Zufall sind. Es geht darum, den Verein transparent und logisch zu führen und den Fans eine realistische Vision aufzeigen, statt Wunderdinge zu erzählen. Daher glaube ich daran, dass Rückschläge wie diese Saison akzeptiert werden. Nürnberg kann nur auf eine Art und Weise wachsen: mit kleinen Schritten.

Der 1. FC Nürnberg im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema