FC Bayern: Wer ersetzt den Unersetzbaren?

Von Florian Bogner
Zwei Kandidaten für die Schweinsteiger-Rolle: David Alaba (l.) und Toni Kroos
© Imago

Der Ausfall von Bastian Schweinsteiger reißt sowohl spielerisch als auch strategisch ein Loch ins Mittelfeld des FC Bayern München. Sechs Bayern-Spieler könnten die Lücke füllen. Wer hat die besten Chancen, was spricht gegen wen?

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Statt in seinem Bett in der Münchner Innenstadt wachte Bastian Schweinsteiger am Donnerstagmorgen im Krankenhaus auf.

Nach dem Zusammenprall mit Gökhan Inler im Champions-League-Spiel gegen den SSC Neapel (3:2) wurde der Bayern-Mittelfeldspieler noch nachts um 2 Uhr von Prof. Dr. med. Andreas Imhoff am gebrochenen Schlüsselbein operiert.

"Für ihn persönlich ist es eine Scheißsituation, aber es geht weiter", sagte Mario Gomez ein paar Stunden später an der Säbener Straße. "Sein Ausfall ist sehr bitter. Aber wir sind ein Spitzenteam. Wir müssen den Ausfall kompensieren, auch wenn es noch so schwer fällt."

Mindestens neun Spiele Pause

Schweinsteiger wurde bei der Operation eine mit Schrauben fixierte Platte eingesetzt. Er muss noch eine weitere Nacht in der Klinik verbringen, danach folgen 14 Tage absoluter Ruhe, anschließend die Reha. "Die Hinrunde ist definitiv gelaufen", sagte FCB-Mediendirektor Markus Hörwick am Donnerstagmorgen.

Heißt im Umkehrschluss: Schweinsteiger, der bislang mit Abstand die meisten Ballkontakte der Bundesliga hatte (1081), fehlt dem FC Bayern in mindestens neun Spielen (6x Bundesliga, 2x Champions League, 1x DFB-Pokal).

Jupp Heynckes steht nun vor der schwierigen Frage, wem er im defensiven Mittelfeld das Vertrauen schenken soll.

Bislang teilten sich Luiz Gustavo (elf Startelfeinsätze) und Anatolij Tymoschtschuk (neun Mal Startelf) die defensive Rolle neben Schweinsteiger beinahe exakt auf. Beide zusammen aufzustellen, könnte dem Coach aber ein Stück zu defensiv sein.

Wer sind also die weiteren Kandidaten für die Schweinsteiger-Position? Was spricht für die einzelnen Spieler, was dagegen? Die Kandidaten im Überblick.

 

Nummer sicher: Luiz Gustavo (24)

Das spricht für Gustavo: Von der Spielanlage her bringt der Brasilianer mehr mit, als ein reiner Abräumer zu sein. Gustavo hat die technischen Fähigkeiten, einen Gegenspieler auch mal aussteigen zu lassen. Er spielt kaum Fehlpässe - nur an seiner Übersicht und am Tempo der Spielverlagerung muss er noch arbeiten. Zu Hoffenheimer Zeiten bewies Gustavo bereits, dass er in Top-Form eine Schaltstation a la junger Patrick Vieira sein kann. Schweinsteiger selbst adelte Gustavo bereits als "sehr wichtigen Spieler, der sich immer reinhaut".

Das spricht gegen Gustavo: Nach knapp einem Dreivierteljahr in München ist der Brasilianer im Team mittlerweile anerkannt, steht in der Hierarchie aber klar hinter den deutschen Nationalspielern und den Superstars Robben/Ribery. Will sagen: Die zentrale Rolle im Mittelfeld ist für Gustavo eigentlich noch eine Nummer zu groß - was freilich auch für andere Kandidaten gilt. Das Vakuum an Präsenz und Teamführung, das ohne Schweinsteiger im Mittelfeld vorherrscht, konnte Gustavo an der Seite von Tymoschtschuk in der Schlussphase gegen Napoli jedenfalls nicht füllen.

Fazit: Gustavo wäre die konservativste Lösung, könnte Heynckes im Verbund mit Tymoschtschuk aber zu wenig kreativ sein. Eigentlich spricht vieles dafür, dass sich Gustavo und Tymoschtschuk den Job des "bleibenden Sechsers" weiter teilen.

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Die Löw-Variante: Toni Kroos (21)

Das spricht für Kroos: Der 21-Jährige spielte in der Nationalmannschaft bereits mehrfach auf der Sechs und füllte die Rolle auch schon unter Louis van Gaal beim FC Bayern aus. Trotz seines jungen Alters hat Kroos die nötige Ruhe am Ball und Erfahrung - in Augsburg steht am Sonntag bereits sein 100. Bundesliga-Spiel an. In punkto Passgenauigkeit und Kreativität im Spielaufbau steht Kroos Schweinsteiger in nichts nach. "Wenn der Trainer das so haben will, dann würde ich das auch machen", sagte Kroos am Mittwochabend. Würde Kroos aus dem offensiven Zentrum auf die Sechs rücken, wäre offensiv ein Platz für David Alaba frei bzw. Raum für die Rückkehr von Arjen Robben geschaffen.

Das spricht gegen Kroos: Die offensive Dreierreihe Müller-Kroos-Ribery harmoniert bislang sehr gut, Heynckes wird also daran liegen, dort möglichst nichts zu ändern. "Ich fühle mich dort im Moment sehr wohl, da sind wir eingespielt. Man hat in der ersten Halbzeit auch wieder gesehen, dass der Ball sehr gut läuft", sagte Kroos nach dem Napoli-Spiel. Kroos ist anders als Müller ein echter Spielmacher, der viele Bälle fordert und sie dann verteilt. Bislang hatte Heynckes stets betont, dass er Kroos im Gegensatz zu Vorgänger van Gaal oder Bundestrainer Joachim Löw zumindest nicht gemeinsam mit Schweinsteiger auf der Sechs sieht, weil ihm das zu offensiv ist. Kroos hat zudem im Vergleich zu Schweinsteiger läuferische Defizite.

Fazit: Kroos wäre die logischste Lösung, würde aber den bislang blendend funktionierenden Offensivverbund sprengen. Alaba würde dann seine Chance in der Offensive erhalten.

Der Jungspund: David Alaba (19)

Das spricht für Alaba: Der Youngster ist unbekümmert und kennt die Rolle aus einzelnen Spielen unter van Gaal sowie der Rückrunde der letzten Saison, in der er bei Hoffenheim oft zentral spielte. Trotz körperlicher Unterlegenheit schirmt Alaba Bälle gut ab und hat die nötige Zweikampfhärte. Er ist technisch stark, hat Übersicht, ist flink und spürt bislang stets die Unterstützung des Trainers, der unlängst bei SPOX prophezeite: "Er wird in ein oder zwei Jahren ein Topspieler sein und regelmäßig spielen - auch beim FC Bayern."

Das spricht gegen Alaba: Anders als van Gaal, der Alaba eher als Linksverteidiger bzw. Sechser sah und Marco Pezzaiuoli, der Alaba die zentrale Rolle in Hoffenheim auf Anhieb zutraute, stellte Heynckes Alaba bislang nur offensiv auf. Wenn Alaba in dieser Saison spielte bzw. eingewechselt wurde, dann auf einer der drei Offensivpositionen, meist als Ribery-Ersatz auf links. Während des Audi-Cups kam Alaba gegen den FC Barcelona gar auf der Zehn zum Einsatz und überzeugte - eine Variante, die eher für Kroos auf der Sechs spricht.

Fazit: Die Lösung mit Alaba hätte Charme, der Jungspund ist aufgrund seiner mangelnden Erfahrung aber auch mal für einen Aussetzer gut - und den fängt die Mannschaft eher auf, wenn Alaba eine Reihe weiter vorne spielt.

 

Der Verlässliche: Danijel Pranjic (29)

Das spricht für Pranjic: Der Kroate war unter van Gaal ein verlässlicher Backup für die Zentrale, bringt Ruhe und Erfahrung mit und weiß sich international zu behaupten. Innerhalb der Mannschaft ist Pranjic' ruhige und sachliche Art anerkannt, ein netter Typ wie er hat intern keine Probleme. Pranjic wäre die weiche Lösung, aber spielerisch sicherlich kein Gewinn.

Das spricht gegen Pranjic: Unter Heynckes kam der Allrounder bislang noch überhaupt nicht zum Zug. Gegen Ingolstadt durfte er durchspielen, ansonsten stand er nur zwei Minuten beim Saisonauftakt in Braunschweig auf dem Platz. Um seine Chancen in der Nationalmannschaft zu wahren, liebäugelt Pranjic mit einem Wechsel: "Ich denke, dass ich im Winter weg bin." Pranjic hat zudem kaum eine Lobby bei den Bayern-Fans. Spielt er schlecht, hagelt es schnell Pfiffe. Ist also eher keine Option.

Fazit: Da Pranjic und Heynckes bislang nicht besonders gut zurande gekommen sind, eher nur eine Notlösung.

Der Italien-Erprobte: Rafinha (26)

Das spricht für Rafinha: Steht für viele überraschend in dieser Aufzählung, weil in Deutschland eigentlich nur als Rechtsverteidiger bekannt. Bei seiner Station vor Bayern in Genua wurde Rafinha jedoch auf nahezu allen Mittelfeldpositionen eingesetzt - unter anderem auch im defensiven Mittelfeld. "Auf Wunsch des Trainers habe ich öfter im Mittelfeld gespielt und bin dort auch gut zurecht gekommen. Ich habe kein Problem damit, zu improvisieren", sagte Rafinha vor der Saison. Rafinha ist giftig, kann Bälle behaupten und auch mal aus der Distanz abziehen.

Das spricht gegen Rafinha: Seine bevorzugte Position ist und bleibt die des Rechtsverteidigers, wo er sich allerdings der Konkurrenz von Jerome Boateng erwehren muss. Rafinha ist dennoch froh, dass die Zeiten des Rumschiebens wie bei Genua vorbei sind und konzentriert sich voll auf seine Aufgabe hinten rechts. Bringt zudem nicht die kreativen Fähigkeiten mit, die Heynckes von einem offensiven Sechser erwartet.

Fazit: Unwahrscheinlich, dass er im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kommt. Im Zentrum sind andere stärker.

 

Der Chef persönlich: Philipp Lahm (27)

Das spricht für Lahm: Der Kapitän kennt die Rolle aus vereinzelten Exkursen mit der Nationalmannschaft. Zuletzt spielte Lahm im Juni beim 3:1-Sieg in Aserbaidschan im Mittelfeld. In punkto Leadereigenschaften wäre er der ideale Lückenfüller für Schweinsteiger, Lahm kann das Spiel außerdem genauso ankurbeln. Seine Fähigkeiten am Ball sind unbestritten, als Linksverteidiger hat Lahm zudem meist genau so viele Ballkontakte wie sein Vize-Kapitän.

Das spricht gegen Lahm: Wenn Lahm im Zentrum spielt, wer verteidigt dann links? Diego Contento hat längst nicht das Leistungsniveau und ist auch nicht in der Lage, Franck Ribery so gut abzusichern wie Lahm. Dasselbe gilt für die weiteren Kandidaten Gustavo, Pranjic oder Holger Badstuber, der im Abwehrzentrum gebraucht wird. Das Duo Lahm/Ribery ist gerade wieder so gut eingespielt wie in den Glanzzeiten 2007/2008. Das wird auch so bleiben.

Fazit: In punkto Mannschaftsführung sicher reizvoll, würde aber auf links gegen starke Gegner für unnötige Risiken sorgen.

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