Dinosaurier im Überlebenskampf

Von Haruka Gruber
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Spielerberater beeinflussen den Profi-Fußball. Der Markt ist umkämpft, mit Know-how und dem Feeling für die Jugend hat die neue Berater-Generation um Robert Schneider und Volker Struth/Dirk Hebel einen Verdrängungswettbewerb ausgelöst. Vielen etablierten Agenten bleibt nur die Flucht in die Nische, sonst droht das Abrutschen an die Peripherie. Selbst der "Schwarze Abt" bleibt davon nicht verschont.

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"Einen wie 'Flippi' wird es nie wieder geben", heißt es auf Norbert Pflippens Homepage, seit er am 6. August einem langen Krebsleiden erlag. Der legendäre Spielerberater wurde nur 64 Jahre alt.

Pflippen prägte wie nur wenige den Fußball in Deutschland. Über die Jahre jedoch wurde es krankheitsbedingt ruhiger um Pflippen, der sich als einer der letzten Dinosaurier seines Metiers verabschiedete.

Mittlerweile hat sich die zweite und dritte Generation an Spielerberatern durchgesetzt und hört auf Namen wie Robert Schneider, Volker Struth und Ingo Haspel. Einige verbindet durch gegenseitige Abwerbungsversuche eine tiefe Feindschaft, andere respektieren sich zumindest. Was sie alle eint: Anders als der extrovertierte Pflippen halten sich im Hintergrund - und doch sind sie die Gesichter einer Zeitenwende.

Deutsche Nationalspieler wie Bastian Schweinsteiger, Mario Götze, Toni Kroos und Andre Schürrle haben sich den Newcomern angeschlossen, die selbst schon zu den Mächtigsten der Bundesliga gehören. Die "Großkopferten" von einst hingegen müssen sich dem Verdrängungswettbewerb stellen.

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Otto Ratz: "Der Fußball war ich"

Den Job des Spielerberaters gebe es nicht ohne Dr. Otto Ratz. Vermutlich hätte er es selbst so formuliert, der Ungar, dessen Selbstbewusstsein so ausgeprägt war wie sein Geschäftssinn. Er war nach heutigem Verständnis der erste Fußballer-Agent und ließ sich sein Privileg auch marktgerecht entlohnen. "Der Fußball bin ich", sagte er und verschickte alljährlich Preislisten seiner Klienten an die Vereine.

Etwas subtiler, aber nicht minder erfolgreich revolutionierte Pflippen ab den 70er Jahren die Branche. Alles fing mit einer Zufallsbekanntschaft an: Pflippen arbeitete bei der Stadt Mönchengladbach - und eines Tages stand ihm Günter Netzer gegenüber, der sein Auto ummelden wollte. Beide verstanden sich, Pflippen bot Netzer weitere Hilfe bei Kleinigkeiten an, Netzer stimmte zu und es nahm seinen Lauf.

Pflippen wurde mit Netzers Mitspielern Jupp Heynckes und Berti Vogts bekannt gemacht, "aber erst mit Lothar Matthäus habe ich gelernt, wie das mit den Transfers richtig geht", erklärte er.

Matthäus war das Fundament, auf das er seine eigene Karriere baute: Matthias Sammer, Stefan Effenberg, Sebastian Deisler, Mehmet Scholl, Lukas Podolski, aber auch Boxer Henry Maske, Hockey-Star Britta Becker, Springreiter Ludgar Beerbaum - "Ich hatte sie alle", blickte Pflippen zurück.

Ballack entscheidet sich für Becker

Doch auch ihm, dem lebensfreudigen Rheinländer, zermürbte zunehmend das gegenseitige Belauern mit den Emporkömmlingen, die erst mit Pflippens Erfolg neugierig auf den Job des Spielerberaters wurden.

Den Anfang von Pflippens Abstieg markierte ein blutjunger Michael Ballack. Noch ein Namenloser und doch so selbstbewusst, dass er seine Interessen nicht von Pflippen sondern lieber von einem damals ebenfalls unbekannten Anwalt aus Luxemburg vertreten lassen wollte: Dr. Michael Becker. Gemeinsam entwickelten sie einen Lebensplan, der aus dem Jüngling mit sächsischem Akzent einen Großverdiener machte.

Der entscheidende Einschnitt für Pflippen folgte jedoch Anfang 2007. Ausgerechnet Kon Schramm, den er zunächst als Chauffeur einstellte und später das Handwerk lehrte, machte sich selbstständig und nahm die Klienten Lukas Podolski, David Odonkor und Paul Freier mit.

"Bevor Schramm zu mir kam, hat er Sportartikel verkauft. Ich habe ihn ausgebildet und ihn in die Szene eingeführt, und jetzt wirbt er mein Kapital ab", klagte Pflippen. Sein Fazit: "Der Beruf ist auch ein Drecksgeschäft."

Wittmann konzentriert sich auf die Mega-Transfers

Ein Drecksgeschäft, in der auch die ausgebufftesten Schlitzohren stetig bangen müssen, ob nicht jemand ihnen den Platz streitig macht. Klaus Gerster, früher im Rhein-Main-Gebiet gefürchtet als "Schwarzer Abt", wurde genauso an die Peripherie gedrückt wie Jürgen Schwab, einst bestens mit dem VfB Stuttgart verknüpft.

Gerster vermittelt von wenigen Ausnahmen abgesehen (Heinz Müller, Änis Ben-Hatira) mit seinem Partner Paul Koutsoliakos vor allem griechische Spieler nach Deutschland. Ebenfalls spezialisiert haben sich Thomas Kroth auf den japanischen (Shnji Kagawa, Atsuto Uchida, Shinji Okazaki) sowie Reza Fazeli auf den türkischen, arabischen und persischen Markt (Nuri Sahin, Hamit und Halil Altintop, Ali Karimi).

Im größeren Rahmen operiert nach wie vor Roger Wittmann und seine Firma Rogon. Aber im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt, als er dank seiner Verflechtungen mit dem 1. FC Kaiserslautern und später Schalke 04 (damaliger Branchenname: "Rogon 04") zu den einflussreichsten Beratern Deutschlands zählte, konzentriert er sich vor allem auf die Südamerikaner, auch wenn nach wie vor Tim Wiese, Marcel Schmelzer, Sejad Salihovic und Kevin Kuranyi zu seinem Stamm zählen.

Den größten Gewinn erzielt Wittmann jedoch nicht mit Masse, sondern mit einzelnen, hochprofitablen Transfers wie etwa der von Carlos Eduardo zu Rubin Kasan (20 Millionen Euro) und Luiz Gustavo zum FC Bayern (17 Mio.).

Robert Schneider der neue Big Player

Die genannten Spielerberater sind dazu gezwungen, sich den Nischen zu widmen, weil die Bundesliga derart umkämpft ist. Schramm ist seit 2007 selbstständig und hatte mit dem Podolski-Coup einen perfekten Kickoff, doch derzeit ist neben dem Nationalspieler nur ein weiterer Klient aus der gehobenen Kategorie in seiner Kartei: Michael Rensing - der sich von Schramm überzeugen ließ und seinen alten Agenten Roman Grill verließ.

Grill berät zwar noch DFB- und Bayern-Kapitän Philipp Lahm, aber spätestens seit der allzu offensichtlichen PR-Kampagne für dessen Buch ist sein Leumund nicht der beste. Ähnlich ging der ehemalige Mitarbeiter der FCB-Presseabteilung vor zwei Jahren vor, als er von Hamburg wie von den Bayern nicht erlaubte Interviews seiner Spieler Piotr Trochowski und Lahm goutierte, damit deren Profil geschärft wird. "Natürlich ist das die Handschrift von Roman Grill", sagte damals Uli Hoeneß.

Robert Schneider bei SPOX: Wie aus Schweini der reife Schweinsteiger wurde

Mit wesentlich mehr Geschick und Bedacht gehen hingegen die neuen Big Player vor. Allen voran Robert Schneider, der Mann hinter Bastian Schweinsteigers Aufstieg zum vielleicht größten deutschen Fußball-Star. Dabei profitiert er von seinem Know-how, über das nur die wenigsten Konkurrenten verfügen.

Schneider kennt als gelernter Rechtsanwalt die juristischen Feinheiten, gleichzeitig gilt er als Vermarktungsgenie und erfolgreicher Unternehmer, dessen Firma "Avantgarde" exklusive Events organisiert, in der PR tätig ist und Imagefilme produziert.

Die Spielerberatung kam erst vor einigen Jahren hinzu. Auf Bitte von Computer-Spiel-Gigant "EA" bemühte sich Schneider darum, prominente Testimonials für die "FIFA"-Reihe zu finden - der Einstieg in den Profifußball.

Harter Konkurrenzkampf mit Struth/Hebel

Seitdem arbeit Schneider diskret wie kaum ein anderer an seinem bereits beeindruckenden Mandantenkreis. Schweinsteiger ist der Signature Name, hinzu kümmert er sich mit Holger Badstuber und Christian Träsch um die Belange zweier weiterer Nationalspieler.

In Zukunft sollte Schneider noch mehr an Gewicht gewinnen, bedenkt man, welche Anzahl an Top-Talenten ihm vertrauen: Julian Schieber, Manuel Schmiedebach, Peniel Mlapa, Fabian Johnson, Kevin Volland und Sebastian Maier sind nur ein Exzerpt.

Damit ist Schneider der größte Rivale für Volker Struth und Dirk Hebel von "SportsTotal", gemeinhin als die Referenz für Jugendförderung bekannt. Mit Mario Götze, Toni Kroos, Benedikt Höwedes, Marco Reus, Sidney Sam und Stefan Reinartz werden gleich sechs Spieler unter 24 Jahren beraten, die von Bundestrainer Joachim Löw nominiert wurden. Hinzu kommen Jugend-Nationalspieler wie Danny da Costa und Florian Hartherz.

Ein Blick hinter die Kulissen: Dirk Hebel im SPOX-Interview

"Die von uns betreuten Spieler sollen abends ins Bett gehen und beruhigt mit dem Gedanken einschlafen können, dass alles außerhalb des Fußballplatzes von uns zu ihrer vollsten Zufriedenheit geregelt wird", sagt Ex-Profi Hebel.

Geschäftspartner Struth wiederum war früher Eventplaner in Köln und soll vor der WM 2006 mit dem Verkauf von Deutschland-Autofahnen ein kleines Vermögen verdient haben, bevor er 2007 auf Rainer Calmunds Rat hin mit der Spielerberatung anfing.

Haspel, Kögl & die Jugend

Mit kleinerem Mitarbeiter-Stab, aber ebenfalls erfolgreich gehen Ingo Haspel und Ludwig Kögl vor. Beide sind seit geraumer Zeit im Geschäft: Haspel war lange im Nebenjob als Berater tätig, Kögl wurde als Profi sechs Mal deutscher Meister. Und beide verfolgen einen ähnlichen Business-Plan: Wenige Klienten, dafür ein persönlicheres Verhältnis.

Haspel glaubte an Andre Schürrle, als der in Mainz noch ein Niemand war; ähnlich geduldig zeigt er sich bei Matthias Zimmermann, Stefan Bell oder Denis Thomalla, die allesamt als hochveranlagt gelten. Kögl begleitet Thomas Müller und Diego Contento ebenfalls seit Jahren, außerdem gelang es ihm, Thomas Kroths Monopol zu brechen und mit Takashi Usami den ersten Japaner überhaupt zum FC Bayern zu lotsen.

Diese Beispiele beweisen: Sich um den Nachwuchs zu bemühen ist ein lohnendes Investment. Wer dies jedoch vernachlässigt, gefährdet seine Wettbewerbsfähigkeit. Das gilt nicht nur für Vereine, sondern im selben Maße auch für Spielerberater.

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