"Habe das Potenzial wie Ribery und Robben "

Von Interview: Haruka Gruber
Ryan Babel (l.) kam im Winter 2010/2011 vom FC Liverpool zu 1899 Hoffenheim
© Imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: Wie weit sind Sie von Ihrer Bestform entfernt?

Babel: Ich habe sie noch nicht erreicht, aber ich fühle, dass ich auf dem Weg dahin bin. Ich bin glücklich und habe ein tolles Gefühl, wenn ich in den Körper reinhöre. Das war lange Zeit nicht mehr der Fall.

SPOX: Trainer Holger Stanislawski sagte vor der Saison, dass Sie das gleiche Potenzial hätten wie Franck Ribery und Arjen Robben. Hat er recht?

Babel: Ich habe genug Selbstvertrauen zu sagen: Das stimmt, ich habe das gleiche Potenzial wie die beiden. Doch ich weiß, dass das nichts bedeutet. Viele Fußballer verfügen über ein hohes Potenzial, am Ende jedoch geht es darum, das Beste herauszuholen - und das geht nur mit harter Arbeit. Ich bin überzeugt, dass ich das Level eines Ribery oder Robben irgendwann erreichen kann und ich hoffe, dass ich das im Laufe der Saison zeigen kann.

SPOX: Robben spielt eine ähnliche Position wie Sie, interpretiert sie aber anders. Er sucht mehr das eigene Dribbling und den eigenen Torabschluss. Müssen Sie vielleicht egoistischer werden?

Babel: Das kann gut sein. Wer ein großer Spieler sein will, muss im positiven Sinn manchmal egoistisch sein, sich eigene Chancen erarbeiten und den Abschluss suchen. Das muss ich definitiv noch lernen. Mein Stil war schon immer von Teamplay geprägt, deswegen werde ich versuchen, beides zu kombinieren: Zum richtigen Zeitpunkt selbst schießen, aber das Passen nicht vernachlässigen.

SPOX: Beim 3:1-Sieg gegen Wolfsburg kamen Sie zum Abschluss - und sorgten für den Lacher des Spieltags, als Sie freistehend aus drei Metern über das Tor schossen. Wie oft wurden Sie von Ihren Mitspielern an das Missgeschick von Mario Gomez erinnert?

Babel: Ich wusste gar nicht, dass das auch mal Mario Gomez passiert ist. Nein, ich wurde überhaupt nicht aufgezogen. Gott sei Dank haben wir gewonnen und noch besser, ich hatte vorher schon ein Tor erzielt. Wenn wir das Spiel jedoch vergeigt hätten, wäre ich vor Scham im Boden versunken.

SPOX: Wie lässt sich so ein Blackout erklären?

Babel: Am Fernseher sieht es wirklich blöd aus, aber wenn man selbst auf dem Platz steht, muss man wirklich konzentriert sein, um so einen Ball zu verarbeiten. Wenn der Körper nur ein paar Zentimeter nach hinten gekippt ist, trifft man den Schuss nicht richtig - und dann fliegt der Ball irgendwohin. Das kann wirklich jedem passieren. (lacht)

SPOX: Hätten Sie das auch in der vergangenen Rückrunde so entspannt gesehen?

Babel: Vielleicht schon. Die breite Öffentlichkeit erwartete vom ersten Tag an zwar Großes von mir. Ich selbst wusste jedoch, dass ich das nicht leisten kann, weil die Kondition wegen der fehlenden Einsätze in Liverpool nicht auf dem Level war, auf der sie sein sollte. Ich war schon total happy darüber, dass ich durchgängig fit blieb und ich mich trotz der höheren Belastung im Training und durch die vielen Spiele über 90 Minuten nicht verletzt habe. Das reichte mir schon zum Glücklichsein.

SPOX: Dennoch heißt es, dass Sie eine gewisse Eingewöhnungszeit in Hoffenheim gebraucht haben. Womöglich weil Sie sich plötzlich in einem Dorf wiederfanden?

Babel: Nein, nein. Viele Spieler sagen, dass Ihnen das Leben in einer großen Stadt wichtig ist, mir geht es aber nicht so. Ein Problem war die grundsätzliche Umstellung: Das Hotelleben, das Fehlen der Familie um sich herum, die fremde Sprache, die höhere Trainingsintensität, das alles war sehr viel auf einmal. Ich habe mich mittlerweile jedoch gut eingelebt.

SPOX: Stimmt es, dass Sie Ihren Mitspieler Edson Braafheid schon von Kindesbeinen auf kennen und er eine wichtige Rolle bei Ihrer Integration gespielt hat?

Babel: Ja, wir sind gemeinsam in Bijlmermeer, einem Stadtteil von Amsterdam, aufgewachsen. Ich war mit seinem jüngeren Bruder eng befreundet und Edson war immer so etwas wie ein Vorbild für uns beide. Eigentlich ist er das heute noch. Wenn er mir etwas zu sagen hat, egal ob es um Fußball, Tipps für alltägliche Probleme in Deutschland oder um generelle Lebensweisheiten geht, höre ich ihm sehr genau zu.

SPOX: Bijlmermeer gilt in Amsterdam als Problemviertel. In welchen Verhältnissen sind Braafheid und Sie aufgewachsen?

Babel: Häufig wird das Wort Ghetto benutzt, aber das ist zu übertrieben. Für niederländische Verhältnisse ist es ein toughes Umfeld, mit Drogen und Kriminalität. Aber wenn man dort groß wird, gewöhnt man sich schnell an alles. Bijlmermeer ist meine Heimat und ich fahre immer gerne nach Hause, um meine Eltern zu besuchen.

SPOX: Ist es nicht gefährlich, wenn ein millionenschwerer Fußball-Star plötzlich vorfährt?

Babel: Ich bin sehr vorsichtig, wenn ich dahin fahre. In den 90er Jahren hätte ich mich vielleicht nicht getraut, damals war es noch sehr viel Angst einflößender. Seit einigen Jahren wird die Nachbarschaft jedoch aufgewertet und Bijlmermeer ist auf dem Weg, eine richtige nette Gegend zu werden.

SPOX: Ein Einschnitt bedeutete der 4. Oktober 1992. Wie haben Sie den Tag in Erinnerung, als eine Boeing 747 mitten in Ihrer Nachbarschaft abstürzte und 43 Menschen in den Tod riss?

Babel: Ich war fünf, daher konnte ich nicht alles richtig einordnen. Ich erinnere mich noch, wie das Flugzeug knapp über unser Hochhaus strich und ungefähr 500 Meter entfernt in einen benachbarten Block stürzte. Ich hörte damals ein unwahrscheinlich lautes: 'BÄNG!' Damals konnte ich das nicht verstehen, aber mit der Zeit kam das Bewusstsein, was für ein großes Desaster es war und was dieser Einschnitt für meine Heimat bedeutet hat.

Ryan Babel im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema