Nicht ohne meinen Milivoje

Von Haruka Gruber
Lukas Podolski spielt die bislang beste Saison seiner Karriere
© Getty

Der 1. FC Köln feiert den besten Lukas Podolski aller Zeiten - und verzweifelt zugleich an den extremen Schwankungen des Teams. Siege wie das 4:1 in Leverkusen oder die beiden 2:0-Erfolge gegen Hannover und Hoffenheim wechseln sich ab mit Klatschen in Schalke (1:5), Berlin (0:3) oder zuletzt Dortmund (0:5). Inwieweit ist Podolski dafür verantwortlich? Und welche Rolle spielt Sturmpartner Milivoje Novakovic?

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Der beste Podolski aller Zeiten

Um Podolskis Leistungen in einen historischen Kontext zu setzen, reicht ein Blick in die Statistiken. 10 Scorer-Punkte (6 Tore und 4 Assists) nach 10 Liga-Spielen sind der mit Abstand beste Wert seiner Karriere. Die zweitbeste Ausbeute stammt aus der Vorsaison (6 Scorer-Punkte).

Lediglich 2004/05 war er nach 10 Spielen mit 12 Scorer-Punkten produktiver - dies aber wohlgemerkt in der 2. Liga.

Kurios ist die Verteilung in dieser Saison: 8 seiner 10 Scorer-Punkte sammelte er in den 4 Siegen des FC. Bei den 5 Niederlagen verbuchte er hingegen nur 2 Scorer-Punkte. Beim einzigen Unentschieden (1:1 gegen Kaiserslautern) fehlte Podolski mit einer Erkältung.

4,0 Torschüsse zu 1,4 Torschüsse

Das Scoring-Missverhältnis zwischen Siegen und Niederlagen ist so groß, dass dies nicht dem Zufall sondern einer gewissen Systematik entspringen muss.

Ein weiteres Indiz für diese Vermutung: Bei den 4 Siegen schoss Podolski zusammengerechnet 16 Mal auf das Tor (Schnitt: 4,0), bei den 5 Niederlagen waren es im Gegensatz nur 7 Versuche (Schnitt: 1,4).

Eine statistische Signifikanz, die die Frage nach den Ursachen aufwirft.

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Ein Plädoyer für Podolski

Abgesehen von Freiburg und Papiss Cisse ist kein anderer Bundesligist derart von einem Spieler abhängig wie Köln. "Lukas ist unser wichtigster Mann, weil die Gegner immer auf ihn aufpassen wollen. Dadurch haben die anderen Spieler mehr Raum", sagt Trainer Stale Solbakken.

Lautet die Kausalkette demnach: Wenn Podolski schwach spielt, spielt das gesamte Team schwach, weil er den Mitspielern keine Räume schafft? Oder ist es umgekehrt: Wenn das gesamte Team schwach spielt, spielt Podolski schwach, weil ihm die Unterstützung der Mitspieler fehlt?

Daten, um die eine oder andere These zu belegen, liegen nicht vor. Zumindest ist es aber möglich, anhand der Faktenlage das im Volksmund gängige Urteil, wonach der launenhafte Podolski bei Siegen engagiert rackert und bei Niederlagen lustlos über den Platz schlurft, teilweise zu entkräften.

Denn so überraschend es angesichts seiner Körpersprache erscheinen mag: Statistisch gibt es bei Podolski in den zwei Kernkategorien "Ballkontakte" und "Gewonnene Zweikämpfe" keinen Unterschied, ob Köln gewinnt oder verliert.

So kommt Podolski bei Siegen im Schnitt auf 41,8 Ballkontakte und auf eine Zweikampferfolgsquote von 32,5 Prozent, bei Niederlagen sind es 47,2 Ballkontakte sowie eine Zweikampferfolgsquote von 31,0 Prozent.

Die naheliegende Lesart: Entgegen der Empfindung vieler beteiligt sich Podolski durchaus am Spielaufbau und zeigt sich im Duell Mann-gegen-Mann bemüht, auch wenn es bei der Mannschaft nicht wie erwünscht funktioniert.

Dass die Aussagekraft der Indizes "Ballkontakte" und "Gewonnene Zweikämpfe" jedoch nur begrenzt ist, belegen einige Beispiele. Beim 0:3 in Berlin wurden für Podolski 77 Ballkontakte und eine miserable Leistung notiert, beim 2:0 gegen Hannover hingegen bot Podolski mit 41 Ballkontakten ein herausragendes Spiel und erzielte beide Tore.

Und die 10 Prozent gewonnenen Zweikämpfe (1/10) beim 4:3 in Hamburg sind zwar bei weitem sein schlechtester Wert der Saison, aber mit einem Assist war er nach seiner Einwechslung zur Pause mitbeteiligt am Sieg.

Keine Balance ohne Novakovic

Ein weiterer Versuch, um sich dem Phänomen Podolski empirisch zu nähern, ist eine Unterteilung nach der Variable "Milivoje Novakovic".

Wenn der Slowene einsatzbereit ist, spielt Podolski als zweiter Angreifer neben oder etwas hängend hinter ihm. Fehlt Novakovic wie zuletzt wegen Adduktoren-Problemen oder wie gegen Schalke am zweiten Spieltag wegen einer Sperre, läuft Podolski als einzige Spitze auf.

Die Erkenntnis ist so eindeutig wie wenig überraschend: Als zweiter etwas zurückgezogener Stürmer ist Podolski besser ins Spiel eingebunden und bereitet mehr Treffer vor, als einziger Stürmer ist er torgefährlicher.

In den 6 Partien mit Novakovic erzielte er 3 Tore und gab alle seine 4 Assists in dieser Saison. In den 3 Partien ohne Novakovic erzielte er ebenfalls 3 Tore, gab jedoch keinen Assist.

Was auffällt: Die Mannschaft als ganzes weist mit der Doppelspitze Novakovic/Podolski eine bessere Balance auf als nur mit Podolski.

Aus den sechs Spielen mit dem Sturmduo wurden 9 Punkte (3 Siege, 3 Niederlagen) bei einer ausgewogenen Tordifferenz von 11:10 verbucht. Aus den 3 Spielen ohne Novakovic resultierten hingegen nur 3 Punkte bei einer Tordifferenz von 3:10.

Ein Exkurs zur Nationalmannschaft

Während Podolski in Köln als Stürmer eingesetzt wird, liegt sein Betätigungsfeld bei der Nationalmannschaft am linken Flügel. Eine Aufgabe, die ihm weniger behagt, weswegen der Verlust seines Stammplatzes an Konkurrent Andre Schürrle droht. In allen 4 Länderspielen der Saison wurde Podolski recht früh zwischen der 46. und 74. Minute ausgewechselt, 3 Mal wurde er von Schürrle ersetzt.

Doch spielt Podolski für das DFB-Team tatsächlich so viel schlechter als für Köln? Zumindest lässt sich der Schluss ziehen, dass ihm die gewohnte Effektivität abgeht. Auf 90 Minuten hochgerechnet gibt er sogar mehr Torschüsse für die Nationalmannschaft ab (3,7 im Schnitt) als für Köln (2,7), aber in den vier Länderspielen gelangen ihm nur 1 Treffer und 0 Vorlagen.

Zur Erinnerung seine Kölner Bilanz: 10 Spiele, 10 Scorer-Punkte.

Hervorzuheben sind außerdem die Ballkontakte und gewonnenen Zweikämpfe. Obwohl sich Podolski in Köln auch oft zurückfallen lässt, werden für ihn bei der Nationalmannschaft pro Spiel und auf 90 Minuten hochgerechnet 15 Ballkontakte mehr gezählt als beim FC (62,3 Ballkontakte zu 46,7 Ballkontakte).

Podolski ist demnach mehr ins Spiel involviert - wobei es umso erstaunlicher anmutet, dass er trotz der häufigeren Ballkontakte wesentlich seltener Zweikämpfe bestreitet. So kommt er in Köln pro Spiel und auf 90 Minuten hochgerechnet auf 18,9 Zweikämpfe, für Deutschland sind es nur 13,9 Zweikämpfe.

Sind die wenigen Zweikämpfe ein Hinweis auf fehlende Bissigkeit? Oder ist es nur eine statistische Anomalie - immerhin ist der Wert der gewonnenen Zweikämpfe nahezu identisch (Köln: 31,8 Prozent, Deutschland: 32,0 Prozent)?

Lukas Podolski - selbst für Empiriker ein schwer zu entschlüsselndes Rätsel.

Lukas Podolski im Steckbrief

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